einzigartiger Leuchtkraft, und sie kannte es naturlich, selbst nach sieben Jahren, sofort wieder.»Einen Augenblick«, sagte sie.»Hei?en Sie nicht Willy?«

»Absolut!«erklarte Willy strahlend.

»Und hast du nicht einmal hier deine Schularbeiten gemacht?«

»Richtig!«

»So – und du willst jetzt mit mir aufs Zimmer gehen?«

»Naturlich! Wir kennen uns ja doch schon.«

Willy grinste uber das ganze Gesicht. Im nachsten Augenblick hatte er eine Ohrfeige kleben.»Du Ferkel!«sagte Fritzi.»Du willst mit mir ins Bett? Das ist doch das Letzte an Frechheit!«

»Wieso?«stotterte Willy.»Alle andern hier -«

»Alle andern! Was gehen mich die andern an? Habe ich den anderen ihren Katechismus abgehort? Habe ich ihnen den Aufsatz gemacht? Habe ich aufgepa?t, da? sie sich nicht erkalten, du ver?uchter Rotzbengel?«

»Aber ich bin jetzt siebzehneinhalb -«

»Halt die Klappe! Das ist ja, als ob du Lummel deine Mutter vergewaltigen wolltest! Raus hier, du minderjahriger Flegel!«

»Er geht morgen in den Krieg«, sage ich.»Haben Sie kein patriotisches Verstandnis?«Sie fa?te mich ins Auge.

»Bist du nicht der, der die Kreuzottern hier losgelassen hat? Drei Tage mu?ten wir das Etablissement schlie?en, bis wir die Biester gefunden hatten!«

»Ich habe sie nicht losgelassen«, verteidigte ich mich.»Sie sind mir entkommen.«Bevor ich noch mehr sagen konnte, hatte ich ebenfalls eine Ohrfeige sitzen.»Lausebengels! Raus mit euch!«

Der Larm brachte die Puffmutter herbei. Sie lie? sich von der emporten Fritzi die Sache erklaren. Sie erkannte Willy auch sofort wieder.»Der Rote!«keuchte sie. Sie wog zweihundertvierzig Pfund und zitterte vor Lachen wie ein Berg von Gelee im Erdbeben.

»Und du! Hei?t du nicht Ludwig?«

»Ja«, sagte Willy.»Aber wir sind jetzt Soldaten und haben ein Recht auf Geschlechtsverkehr.«

»So, ihr habt ein Recht!«Die Puffmutter schuttelte sich erneut.»Wei?t du noch, Fritzi, wie er Angst hatte, da? sein Vater erfahren wurde, er habe die Stinkbomben in der Religionsstunde geworfen? Jetzt hat er ein Recht auf Geschlechtsverkehr! Hohoho!«

Fritzi sah den Humor der Sache nicht. Sie war ehrlich wutend und beleidigt.»Als wenn mein eigener Sohn -«

Die Puffmutter mu?te von zwei Mann aufrecht gehalten werden. Tranen stromten uber ihr Gesicht. Speichelblasen formten sich an ihren Mundwinkeln. Sie hielt sich mit beiden Handen den schwabbelnden Bauch.»Limonade«, wurgte sie heraus.»Waldmeisterlimonade! War das nicht«- Keuchen, Ersticken -»euer Lieblingsgetrank?«

»Jetzt trinken wir Schnaps und Bier«, erwiderte ich.»Jeder wird mal erwachsen.«

»Erwachsen!«Erneuter Erstickungsanfall der Puffmutter, Toben der beiden Doggen, die ihr gehorten und glaubten, sie wurde attackiert. Wir zogen uns vorsichtig zuruck.»Raus, ihr undankbaren Schweine!«rief Fritzi unversohnlich.

»Schon«, sagte Willy an der Tur.»Dann gehen wir eben zur Rollstra?e.«

Wir standen mit unseren Uniformen, unseren Mordwaffen und den Ohrfeigen drau?en. Aber wir kamen nicht zur Rollstra?e, zum zweiten Puff der Stadt. Es war ein Weg von uber zwei Stunden, quer durch ganz Werdenbruck, und wir lie?en uns lieber statt dessen rasieren. Auch das war das erstemal in unserem Leben, und da wir den Beischlaf nicht kannten, schien uns der Unterschied nicht so gro? wie spater, zumal uns auch der Friseur beleidigte und uns Radiergummi fur unsere Barte empfahl. Nachher trafen wir dann weitere Bekannte, und bald hatten wir genug getrunken und verga?en alles. So kam es, da? wir als Jungfrauen ins Feld fuhren und da? siebzehn von uns ?elen, ohne je gewu?t zu haben, was eine Frau ist. Willy und ich verloren unsere Jungfernschaft dann in Houthoulst in Flandern in einem Estaminet. Willy holte sich dabei einen Tripper, kam ins Lazarett und entging so der Flandernschlacht, in der die siebzehn Jungfrauen ?elen. Wir sahen daran bereits damals, da? Tugend nicht immer belohnt wird.

Wir wandern durch die laue Sommernacht. Otto Bambuss halt sich an mich als den einzigen, der zugibt, den Puff zu kennen. Die anderen kennen ihn auch, tun aber unschuldig, und der einzige, der behauptet, ein fast taglicher Gast dort zu sein, der Dramatiker und Schopfer des Monowerkes»Adam«, Paul Schneewei?, lugt; er ist nie dort gewesen.

Ottos Hande schwitzen. Er erwartet Priesterinnen der Lust, Bacchantinnen und damonische Raubtiere, und ist nicht ganz sicher, ob er nicht mit herausgerissener Leber oder zumindest ohne Hoden in Eduards Opel zurucktransportiert wird. Ich troste ihn.

»Verletzungen kommen hochstens ein-, zweimal in der Woche vor, Otto! Und dann sind sie fast immer viel harmlosere Vorgestern wurde einem Gast von Fritzi ein Ohr abgerissen; aber soviel ich wei?, kann man Ohren wieder annahen oder durch Zelluloidohren von tauschender Ahnlichkeit ersetzen.«

»Ein Ohr?«Otto bleibt stehen.

»Es gibt naturlich Damen, die keine abrei?en«, erwidere ich.»Aber die willst du ja nicht kennenlernen. Du willst doch das Urweib in seiner ganzen Pracht haben.«

»Ein Ohr ist ein ziemlich gro?es Opfer«, erklart Otto, die schwitzende Bohnenstange, und reibt die Glaser seines Kneifers trocken.

»Die Poesie verlangt Opfer. Du wurdest mit einem abgerissenen Ohr im wahrsten Sinne ein blutdurchstromter Lyriker sein. Komm!«

»Ja, aber ein Ohr! Etwas, was man so deutlich sieht!«

»Wenn ich die Wahl hatte«, sagt Hans Hungermann,»ich wurde mir lieber ein Ohr abrei?en lassen als kastriert zu werden, offen gestanden.«

»Was?«Otto bleibt wieder stehen.»Ihr macht Witze! Das kommt doch nicht vor!«

»Es kommt vor«, erklart Hungermann.»Leidenschaft ist zu allem fahig. Aber beruhige dich, Otto: Kastration steht unter dem Strafgesetz. Die Frau bekommt dafur mindestens ein paar Monate Gefangnis – du wirst also geracht.«

»Unsinn!«stammelt Bambuss, muhsam lachelnd.»Ihr macht eure bloden Witze mit mir!«

»Wozu sollen wir Witze machen?«sage ich.»Das ware gemein. Ich empfehle dir gerade deswegen Fritzi. Sie ist Ohrenfetischistin. Wenn die Passion uber sie kommt, halt sie sich mit beiden Handen krampfhaft an den Ohren ihres Partners fest. Du bist so absolut sicher, da? du nicht anderswo beschadigt wirst. Eine dritte Hand hat sie nicht.«

»Aber noch zwei Fu?e«, erklart Hungermann.»Mit den Fu?en verrichten sie manchmal wahre Wunder. Sie lassen die Nagel lang wachsen und scharfen sie.«

»Ihr schwindelt«, sagt Otto gequalt.»La?t doch den Unsinn!«

»Hor zu«, erwidere ich.»Ich will nicht, da? du verstummelt wirst. Du wurdest dann emotionell gewinnen, aber seelisch stark verlieren, und deine Lyrik wurde schlecht dabei fahren. Ich habe hier eine Taschen-Nagelfeile, klein, handlich, gemacht fur den adretten Lebemann, der immer elegant sein mu?. Steck sie ein. Halte sie in der hohlen Hand verborgen oder verstecke sie in der Matratze, bevor es losgeht. Wenn du merkst, da? es zu gefahrlich wird, genugt ein kleiner, ungefahrlicher Stich in den Hintern Fritzis. Es braucht kein Blut dabei zu ?ie?en. Jeder Mensch la?t los, wenn er gestochen wird, sogar von einer Mucke, und greift nach dem Orte des Stichs, das ist ein Grundgesetz der Welt. In der Zwischenzeit entkommst du.«

Ich nehme ein rotledernes Taschenetui hervor, in dem ein Kamm und eine Nagelfeile stecken. Es ist noch ein Geschenk Ernas, der Verraterin. Der Kamm ist aus simuliertem Schildpatt. Eine Welle spater Wut steigt in mir auf, als ich ihn herausnehme.»Gib mir auch den Kamm«, sagt Otto.

»Damit kannst du nicht nach ihr hacken, du unschuldiger Satyr«, erklart Hungermann.»Das ist keine Waffe im Kampf der Geschlechter. Er zerbricht an geballtem Manaden?eisch.«

»Ich will damit nicht hacken. Ich will mich nachher damit kammen.«

Hungermann und ich sehen uns an. Bambuss scheint uns nicht mehr zu glauben.»Hast du ein paar Verbandspackchen bei dir?«fragt Hungermann mich.

»Die brauchen wir nicht. Die Puffmutter hat eine ganze Apotheke.«

Bambuss bleibt wieder stehen.»Das ist doch alles Unsinn! Aber wie ist es mit den

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