Sprach der edle Markgraf, “ihr sollt noch hier bestehn; So liebe Gäste hab ich lange nicht bei mir gesehn.” (1737) Da versetzte Dankwart: “Herr, das kann nicht sein: Wo nähmet ihr die Speise, das Brot und auch den Wein, Das ihr doch haben müsstet für so manchen Mann?” Als der Wirt das hörte, stand ihm die Rede nicht an. (1738) “Meine lieben Herren, ihr dürft mirs nicht versagen. Ich habe noch die Speise zu vierzehn Tagen Für euch und das Gesinde, das mit euch hergekommen: Mir hat der König Etzel noch gar selten was genommen.” (1739) Wie sie sich weigern mochten, sie mussten da bestehn Bis an den vierten Morgen. Wohl mochte da geschehn Durch des Wirtes Milde was ferne ward bekannt: Er gab seinen Gästen beides, Ross und Gewand. (1740) Nicht länger konnt es währen, sie mussten dannen fahren: Rüdiger der kühne konnte wenig sparen Vor seiner großen Milde: Was jemand nur begehrt, Das versagt' er niemand, sie sahn sich alle hoch geehrt. (1741) Ihr edel Ingesinde brachte vor das Tor Viel geschirrter Rosse; es wartete davor Mancher fremde Recke, den Schild an seiner Hand, Weil sie reiten wollten König Etzeln in das Land. (1742) Der Wirt bot seine Gaben den Degen allzumal Eh die edeln Gäste kamen vor den Saal; Er mochte wohl mit Ehren in hoher Milde leben. Seine schöne Tochter hatt er Geiselhern gegeben; (1743) Da gab er Gernoten eine Waffe gut genug, Die hernach in Stürmen der Degen herrlich trug. Ihm gönnte wohl die Gabe des Markgrafen Weib; Doch verlor Rüdiger davon noch Leben und Leib. (1744) Da gab er König Guntern, dem Helden ohne Gleich, Was wohl mit Ehren führte der edle König reich, Ob er selten Gab empfangen, ein gutes Streitgewand; Da neigte sich der König vor des milden Rüdger Hand. (1745) Da bot Frau Goteline, sie durft es ohne Scham, Auch Hagen holde Gabe: Da sie der König nahm, So sollt auch er nicht fahren zu dem Hofgelag Ohn ihr Angebinde: Der Held jedoch widersprach. (1746) “Alles was ich je gesehn,” so sprach da Hagen, “So wünscht ich nichts weiter von hier hinweg zu tragen Als den Schild, der dorten hänget an der Wand: Den möcht ich gerne führen König Etzeln in das Land.” (1747) Als Hagen seine Bitte der Markgräfin getan, Die ihres Leids sie mahnte, das Weinen kam ihr an. Da dachte sie mit Schmerzen an ihres Nudung Tod, Den Wittich hat erschlagen; das schuf ihr Jammer und Not. (1748) Sie sprach zu dem Degen: “Den Schild will ich euch geben. O wollte Gott im Himmel, dass der noch dürfte leben, Der einst ihn hat getragen! Er fand im Kampf den Tod. Ich muss ihn stets beweinen, das schafft mir armen Weibe Not!” (1749) Da erhob sich von dem Sitze die Markgräfin mild, Mit ihren weißen Händen nahm sie herab den Schild Und trug ihn hin zu Hagen: Der nahm ihn an die Hand. Die Gabe war mit Ehren an den Recken gewandt. (1750) Ein Wulst von lichtem Zeuche auf seinen Farben lag: Bessern Schild als diesen beschien noch nie der Tag. Er war besetzt mit Steinen: Hätt ihn wer begehrt Zu kaufen, nach den Kosten war er wohl tausend Marken wert. (1751) Den Schild wegzubringen befahl da Hagen an. Da kam sein Bruder Dankwart auch zu Hof heran: Dem gab reicher Kleider Rüdgers Kind genug, Die er bei den Heunen mit vielen Freuden noch trug. (1752) All die reiche Gabe, die sie hier genommen, Es wär davon kein Flitter in ihre Hand gekommen, Wars nicht dem Wirt zu Liebe, der es so gütlich bot. Sie wurden ihm so feind hernach, dass sie ihn schlagen mussten tot. (1753)