“So sollt ichs billig halten;” sprach Geiselher das Kind; “Doch meine hohen Freunde, die noch im Saale sind, Wenn die vor euch ersterben, so muss geschieden sein Diese stete Freundschaft zu dir und der Tochter dein.” (2258) “Nun möge Gott uns gnaden,” sprach der kühne Mann. Da hoben sie die Schilde, als wollten sie hinan Zu streiten mit den Gästen in Kriemhildens Saal: Überlaut rief Hagen da von der Stiege zu Tal: (2259) “Noch harret eine Weile, viel edler Rüdiger.” Also sprach da Hagen: “Wir reden erst noch mehr, Ich und meine Herren, uns zwingt dazu die Not. Was hilft es Etzeln, finden wir in der Fremde den Tod?” (2260) “Ich steh in großer Sorge,” sprach wieder Hagen, “Den Schild, den Frau Gotlinde mir gab zu tragen, Den haben mir die Heunen zerhauen vor der Hand: Ich bracht ihn doch mit Treue her in König Etzels Land. (2261) Dass es Gott vom Himmel vergönnen wollte, Dass ich so guten Schildes genießen sollte Als du hast vor den Händen, viel edler Rüdiger: So bedürft ich in dem Sturme keiner Halsbergen mehr.” (2262) “Gern wollt ich dir dienen mit meinem Schilde, Dürft ich dir ihn bieten vor Kriemhilde. Doch nimm ihn immer, Hagen, und trag ihn an der Hand: Hei! Dürftest du ihn führen heim in der Burgonden Land!” (2263) Als er den Schild zu geben so willig sich erbot, Da wurden mancher Augen von heißen Tränen rot. Es war die letzte Gabe: Es durfte nimmermehr Einem Degen Gabe bieten von Bechlaren Rüdiger. (2264) Wie grimmig auch Hagen, wie zornig war sein Mut, Ihn erbarmte doch die Gabe, die der Degen gut So nahe seinem Ende noch an ihn getan. Mancher edle Ritter mit ihm zu trauern begann. (2265) “Nun lohn euch Gott vom Himmel, viel edler Rüdiger. Es gibt eures Gleichen auf Erden nimmer mehr, Der heimatlosen Degen so milde Gabe gebe: So möge Gott gebieten, dass eure Tugend immer lebe. (2266) O weh mir diese Märe,” sprach wieder Hagen, “Wir hatten Herzensschwere genug zu tragen: Das müsse Gott erbarmen, gilts uns mit Freunden Streit!” Da sprach der Markgraf wieder: “Das ist mir inniglich leid.” (2267) “Nun lohn ich euch die Gabe, viel edler Rüdiger: Was immer widerfahre diesen Recken hehr, Es soll euch nicht berühren im Streite meine Hand, Ob ihr sie all erschlüget, die von der Burgonden Land.” (2268) Da neigte sich ihm dankend der gute Rüdiger. Sie weinten allenthalben: Dass nicht zu wenden mehr Dieser Herzensjammer, das war eine große Not. Der Vater aller Tugend fand an Rüdiger den Tod. (2269) Da sprach von der Stiege Volker der Fiedelmann: “Da mein Geselle Hagen euch bot den Frieden an; So biet ich auch so steten euch von meiner Hand; Das habt ihr wohl verdienet, da wir kamen in das Land. (2270) Ihr sollt, viel edler Markgraf, mein Bote werden hier: Diese roten Spangen gab Frau Gotlinde mir, Dass ich sie tragen sollte bei dieser Lustbarkeit: Ihr mögt sie selber schauen, dass ihr des mein Zeuge seid.” (2271) “Wollt es Gott der Reiche,” sprach da Rüdiger, “Dass euch die Markgräfin noch geben dürfte mehr. Die Märe sag ich gerne der lieben Trauten mein, Seh ich gesund sie wieder: Des sollt ihr außer Zweifel sein.” (2272) Nach diesem Angeloben den Schild hob Rüdiger, Sein Mut begann zu toben: Nicht länger säumt' er mehr; Auf lief er zu den Gästen wohl einem Helden gleich: Viel kraftvolle Schläge schlug da dieser Markgraf reich. (2273) Da wichen ihm die beiden, Volker und Hagen, weit, Wie ihm verheißen hatten die Recken kühn im Streit;