»Riddles Tagebuch ist verschwunden«, sagte er mit gedampfter Stimme zu Ron.

»Was?«

Harry nickte mit dem Kopf hinuber zur Tur und Ron folgte ihm hinaus. Sie rannten in den Gemeinschaftsraum hinunter, der halb leer war. Einsam in einer Ecke sa? Hermine und las ein Buch mit dem Titel Alte Runen leicht gemacht.

Mit offenem Mund lauschte sie den Neuigkeiten.

»Aber – nur ein Gryffindor hatte es stehlen konnen – die andern kennen das Passwort nicht.«

»Genau«, sagte Harry.

Als sie am nachsten Morgen aufwachten, strahlte die Sonne und es wehte ein leichte, erfrischende Brise.

»Beste Bedingungen fur Quidditch!«, sagte Wood begeistert am Gryffindor-Tisch und schaufelte die Teller der Mannschaft mit Ruhrei voll.»Harry; halt dich ran, du brauchst ein anstandiges Fruhstuck.«

Harry hatte am dicht besetzten Gryffindor-Tisch entlanggestarrt und sich gefragt, ob der neue Besitzer von Riddles Tagebuch ihm direkt vor Augen sa?. Hermine hatte ihn gedrangt, den Diebstahl zu melden, doch davon wollte er nichts wissen. Dann wurde er einem Lehrer alles uber das Tagebuch sagen mussen, und wie viele Leute wu?ten eigentlich, warum Hagrid vor funfzig Jahren rausgeflogen war? Er wollte nicht der sein, der alles wieder aufruhrte.

Als Harry gemeinsam mit Ron und Hermine die Gro?e Halle verlie?, um seine Quidditch-Sachen zu holen, wuchs Harrys lange Sorgenliste um ein neues Kummernis. Gerade hatte er den Fu? auf die Marmortreppe gesetzt, da horte er es wieder -

»Tote dieses Mal… la? mich rei?en… zerfetzen…«

Er schrie laut auf und Ron und Hermine sprangen erschrocken von ihm weg.

»Die Stimme!«, sagte Harry und warf einen Blick uber die Schulter.»Ich hab sie eben wieder gehort – ihr nicht?«

Ron schuttelte den Kopf, die Augen weit aufgerissen. Hermine jedoch schlug sich mit der Hand gegen die Stirn.

»Harry, ich glaub, mir ist eben ein Licht aufgegangen! Ich mu? in die Bibliothek!«

Und sie rannte die Treppe hoch und davon.

»Was ist ihr klar geworden?«, sagte Harry verwirrt. Immer noch wirbelte er umher und versuchte herauszufinden, woher die Stimme gekommen war.

»Eine ganze Menge mehr als mir«, sagte Ron kopfschuttelnd.

»Aber warum mu? sie in die Bibliothek?«

»Weil das Hermines Art ist«, sagte Ron achselzuckend.»Im Zweifelsfall geh in die Bibliothek!«

Harry stand unentschlossen herum und versuchte die Stimme wieder zu erhaschen, doch jetzt kamen Schuler aus der Gro?en Halle, die laut schwatzend durch das Portal hinuber zum Quidditch-Feld stromten.

»Beeil dich lieber«, sagte Ron,»es ist fast elf – das Spiel -«

Harry rannte hoch in den Gryffindor-Turm, holte seinen Nimbus Zweitausend und schlo? sich der gro?en Schar an, die uber das Gelande schwarmte. Doch in Gedanken war er immer noch im Schlo?, bei der korperlosen Stimme, und als er im Umkleideraum seinen scharlachroten Umhang anzog, war sein einziger Trost, da? nun alle drau?en waren, um das Spiel zu sehen.

Als die Spieler auf das Feld marschierten, erhob sich ohrenbetaubender Beifall. Oliver Wood genehmigte sich einen Aufwarmflug um die Torstangen, und Madam Hooch gab die Balle frei. Die Hufflepuffs, die in kanariengelb spielten, bildeten eine Traube und besprachen ein letztes Mal ihre Taktik.

Gerade bestieg Harry seinen Besen, als Professor McGonagall halb schreitend, halb rennend uber das Feld kam, ein gewaltiges purpurnes Megafon in der Hand.

Harry wurde das Herz schwer wie Stein.

»Das Spiel ist abgesagt«, rief Professor McGonagall durch das Megafon hinuber zu den voll besetzten Rangen. Zuruck kamen Buhrufe und Pfiffe. Oliver Wood, au?er sich vor Verzweiflung, landete und rannte, ohne vom Besen zu steigen, auf Professor McGonagall zu.

»Aber Professor«, rief er.»Wir mussen spielen – der Pokal – Gryffindor -«

Professor McGonagall achtete gar nicht auf ihn und hob erneut das Megafon:»Alle Schuler gehen zuruck in die Gemeinschaftsraume, wo die Hauslehrer ihnen alles Weitere erklaren. So schnell Sie konnen, bitte!«Dann lie? sie das Megafon sinken und winkte Harry zu sich heruber.

»Potter, ich denke, Sie kommen besser mit mir…«

Wie konnte sie ihn nur diesmal schon wieder verdachtigen, fragte sich Harry, als sie zum Schlo? aufbrachen, und sah gleichzeitig, wie Ron sich aus der protestierenden Menge loste und zu ihnen herubergerannt kam. Zu Harrys Uberraschung hatte Professor McGonagall nichts einzuwenden.

»Ja, vielleicht sollten Sie auch mitkommen, Weasley…«

Manche der Schuler, die um sie herumschwarmten, grummelten, weil das Spiel ausfiel, andere sahen besorgt aus. Harry und Ron folgten Professor McGonagall zuruck in die Schule und die Marmortreppe empor. Doch diesmal ging es nicht in das Buro eines Lehrers.

»Das wird ein ziemlicher Schock fur Sie sein«, sagte Professor McGonagall mit uberraschend sanfter Stimme, als sie sich dem Krankenflugel naherten.»Es gab einen weiteren Angriff… einen Doppelangriff.«

Harrys Eingeweide krampften sich heftig schmerzend zusammen. Professor McGonagall offnete die Tur und er und Ron traten ein. Madam Pomfrey beugte sich uber eine Funftklasslerin mit langem Lockenhaar. Harry erkannte sie; es war das Madchen aus Ravenclaw, das sie zufallig nach dem Weg zum Gemeinschaftsraum der Slytherins gefragt hatten. Und im Bett neben ihr lag -

»Hermine!«, stohnte Ron. Hermine lag vollkommen reglos da, mit aufgerissenen, glasigen Augen.

»Sie wurden in der Nahe der Bibliothek gefunden«, sagte Professor McGonagall.»Ich nehme an, keiner von Ihnen kann das erklaren? Und das lag neben ihnen auf dem Boden…«

Sie hielt einen kleinen runden Spiegel hoch.

Harry und Ron schuttelten die Kopfe, ohne den Blick von Hermine zu wenden.

»Ich begleite Sie zuruck in den Gryffindor-Turm«, sagte Professor McGonagall mit trauriger Stimme.»Ich mu? ohnehin zu den Schulern sprechen.«

»Sie alle kehren spatestens um sechs Uhr abends zuruck in die Gemeinschaftsraume. Danach verla?t keiner mehr den Schlafsaal. Ein Lehrer wird Sie zu jeder Unterrichtsstunde begleiten. Kein Schuler geht ohne Begleitung eines Lehrers auf die Toilette. Quidditch-Training und -Spiele sind bis auf weiteres gestrichen. Es gibt keine abendlichen Veranstaltungen mehr.«

Die Gryffindors, die sich im Gemeinschaftsraum zusammendrangten, lauschten Professor McGonagall schweigend. Sie rollte das Pergament ein, von dem sie abgelesen hatte, und sagte mit fast erstickter Stimme:

»Ich mu? wohl kaum hinzufugen, da? ich in gro?ter Sorge bin. Wahrscheinlich wird die Schule geschlossen, wenn der Schurke, der hinter diesen Angriffen steckt, nicht gefa?t wird. Ich ermahne eindringlich jeden, der glaubt, etwas daruber zu wissen, mit der Sprache herauszurucken.«

Etwas ungelenk kletterte sie aus dem Portratloch und sofort begannen die Gryffindors laut zu schwatzen.

»Jetzt sind schon zwei Gryffindors au?er Gefecht, einen Geist von uns nicht mitgezahlt, und eine Ravenclaw und ein Hufflepuff«, sagte der Freund der Weasley-Zwillinge, Lee Jordan, und zahlte die Opfer an den Fingern ab.»Hat denn von den Lehrern keiner mitgekriegt, da? die Slytherins noch

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