»Schon.«

»Aber ich bin mir nicht sicher.«

»Sie werden sich an alles erinnern, sobald Sie wieder in Ihrem Korper sind.«

»Und wenn nicht, was dann? Was, wenn ich unter Gedachtnisverlust leide?«

»Sie werden in Ordnung sein«, versicherte Azzie.

»Schworen Sie das bei Ihrer Damonenehre?«

»Aber sicher«, log Azzie mit Leichtigkeit. Er hatte einen Sonderkurs im Ablegen von Meineiden absolviert und sich als au?erst begabt erwiesen.

»Sie wurden mich doch nicht belugen, oder?«

»Hey, vertrauen Sie mir«, gab Azzie zuruck und benutzte damit das Hauptmantra, mit dem man selbst die mi?trauischsten und storrischsten Zeitgenossen besanftigen kann.

»Sie verstehen bestimmt, warum ich ein bi?chen nervos bin«, sagte Scrivener. »Ich meine, wiedergeboren zu werden.«

»Nichts, weswegen Sie sich schamen mu?ten«, beruhigte ihn Azzie. »So, da sind wir.«

Satan sei Dank, fugte er unhorbar hinzu. Es machte ihn nervos, sich uber einen langeren Zeitraum mit Menschen zu unterhalten. Sie konnten endlos um die Dinge herumreden! Die Damonenoberen hatten einen Orientierungskurs in Menschlicher Wankelmutigkeit an der Damonenuni angeboten, aber es war ein Wahlfach gewesen, und Azzie hatte sich nicht die Muhe gemacht, es zu belegen. Damals war ihm Betrugerische Dialektik sehr viel interessanter erschienen.

Nicht weit entfernt erblickte er die vertrauten scharlachroten und hellgrunen Streifen der Nordgrubenambulanz. Der Wagen hielt ein paar Meter vor ihnen an, und ein Sanitatsdamon stieg aus, ein Bursche mit obeliskformigen Augen und einer Schweineschnauze. Er unterschied sich grundlegend von Azzie, der ein Fuchsgesicht hatte, rotes Haar, spitze Ohren und bemerkenswert blaue Augen. Leute mit einem Faible fur Damonen hatten ihn als recht attraktiv bezeichnet.

»Ist das der Kerl?«

»Das ist er«, bestatigte Azzie.

»Bevor Sie irgend etwas tun«, sagte Scrivener, »wurde ich gerne wissen…«

Der Sanitatsdamon mit der Schweineschnauze streckte einen Arm aus und beruhrte eine Stelle an Scriveners Stirn. Scrivener verstummte mitten im Satz. Seine Augen wurden glasig.

»Was haben Sie mit ihm gemacht?« fragte Azzie.

»Ihn in den Ruhemodus versetzt«, sagte der Sanitatsdamon. »Jetzt wird es Zeit, ihn loszuschicken.«

Azzie hoffte, da? mit Scrivener alles in Ordnung sein wurde. Es ist immer beunruhigend, wenn ein Damon einem im Kopf herumpfuscht.

»Woher wissen Sie, wohin Sie ihn schicken mussen?« erkundigte er sich.

Der Sanitatsdamon offnete Scriveners Hemd und zeigte Azzie den Namen und die Adresse, die purpurrot in die Haut eintatowiert waren. »Es ist die Kennmarke des Teufels«, erklarte er.

»Entfernen Sie die Tatowierung, bevor Sie ihn zuruckschicken?«

»Machen Sie sich deswegen keine Sorgen. Er kann sie nicht sehen. Sie ist nur fur uns gedacht. Begleiten Sie ihn?«

»Ich werde allein reisen«, erwiderte Azzie. »Lassen Sie mich nur noch einmal einen Blick auf die Adresse werfen. Gut, ich habe sie mir gemerkt.«

Und an den Mann mit dem leeren Augen gewandt, fugte er hinzu: »Dann bis spater, Tom.«

KAPITEL 3

So wurde Thomas Scrivener nach Hause zuruckgebracht. Zum Gluck war es dem Sanitatsdamon gelungen, den Transfer zu erledigen, bevor sein Korper irreparable Schaden erleiden konnte. Der Arzt, der die Leiche erworben hatte, schickte sich gerade an, ihr den Hals aufzuschneiden, um die Arterien fur seine Studenten zu entnehmen. Doch bevor er damit beginnen konnte, offnete Scrivener die Augen und sagte: »Guten Morgen, Doktor Moreau.« Dann verlor er das Bewu?tsein.

Moreau erklarte ihn fur lebendig und verlangte eine Ruckzahlung von Scriveners Witwe.

Die Frau zahlte zahneknirschend. Ihre Ehe mit Scrivener war nicht sonderlich erfreulich gewesen.

Azzie war auf anderem Weg zur Erde gereist, um nicht im Untotenwagen mitfahren zu mussen, in dem der Verwesungsgestank selbst fur ein ubernaturliches Wesen eine Tortur darstellt. Er traf unmittelbar nach Scriveners Wiedererweckung ein. Niemand konnte ihn sehen, da er das Unsichtbarkeitsamulett trug.

Unsichtbar fur alle Menschen, die nicht das Zweite Gesicht besa?en, folgte er der Prozession, die Scrivener nach Hause zuruckbrachte. Die Dorfbewohner, ohne Ausnahme Bauern, sprachen von einem Wunder. Nur Scriveners Frau Mildau murrte standig vor sich hin: »Ich habe doch gleich gewu?t, da? er alles nur vorgetauscht hat, der gemeine Hund!«

Durch seine Unsichtbarkeit geschutzt, durchstoberte Azzie das Haus, in dem er bis zum Ablauf von Scriveners Reklamationsfrist wohnen wurde. Wahrscheinlich nur eine Sache von ein paar Tagen. Es war ein ziemlich gro?es Haus mit mehreren Zimmern auf jeder Etage und einem schonen feuchten Keller.

Azzie richtete sich im Keller ein. Es war genau der richtige Ort fur einen Damon. Er hatte sich ein paar Schriftrollen als Lekture und einen Sack voller verfaulter Katzenkopfe als Proviant mitgebracht und stellte sich auf eine geruhsame Zeit ein. Aber er hatte es sich kaum bequem gemacht, als auch schon die Storungen begannen.

Zuerst kam Scriveners Frau in den Keller, um Lebensmittel zu holen. Sie war eine gro?e Matrone mit struppigem Haar, breiten Schultern und einem gewaltigen Busen. Der nachste Storenfried war Hans, der alteste Sohn der Familie, ein lang aufgeschossener Lummel, der seinem Vater sehr ahnlich sah und sich am Honigtopf zu schaffen machte. Dann folgte Lotte, das Dienstmadchen. Sie sammelte ein paar Kartoffeln von der Vorjahresernte ein.

Diese Storungen beeintrachtigten Azzies Ruhe erheblich. Am Morgen des nachsten Tages sah er nach Scrivener. Der wiedererweckte Mann schien sich auf dem Weg der Genesung zu befinden. Er hatte sich im Bett aufgesetzt, trank Krautertee, zankte sich mit seiner Frau und schimpfte mit den Kindern. Noch ein Tag, und er wurde sich vollstandig erholt haben, entschied Azzie. Dann wurde es Zeit werden, weiterzuziehen und sich interessanteren Dingen zuzuwenden.

Die beiden Hunde der Familie wu?ten, da? ein Damon im Haus war, und stahlen sich jedes Mal davon, wenn Azzie auftauchte. Das war zu erwarten gewesen. Doch was als nachstes geschehen sollte, hatte er nicht eingeplant.

An diesem Abend bereitete er sich in einer schimmligen Ecke des Kellers, wo ein paar Ruben vergammelt waren, ein muffiges Nachtlager und erwachte abrupt, als er spurte, da? Licht auf ihn fiel. Es war der Schein einer Kerzenflamme. Irgend jemand stand im Keller und beobachtete ihn. Ein Kind. Wie unertraglich! Azzie versuchte aufzustehen und kippte gleich wieder um. Irgend jemand hatte einen Strick um eins seiner Fu?gelenke geschlungen!

Er wich instinktiv zuruck. Ein Kind. Ein kleines pausbackiges, flachsblondes Madchen von vielleicht sechs Jahren. Aus irgendeinem Grund mu?te sie ihn sehen konnen. Und nicht nur das: Sie hatte ihn gefangen.

Azzie sagte sich, da? es das beste war, das Kind von Anfang an einzuschuchtern, und blahte sich zu seiner vollen Gro?e auf. Er versuchte, sich drohend vor ihm aufzubauen, aber der merkwurdig leuchtende Strick, dessen anderes Ende das Madchen an einem Balken festgebunden hatte, straffte sich und lie? ihn erneut umkippen. Das kleine Madchen lachte, und Azzie erschauderte. Nichts kann einen Damon wutender machen, als junges unschuldiges Gelachter.

»Hallo, kleines Madchen«, sagte er. »Kannst du mich sehen?«

»Ja«, erwiderte sie. »Du siehst wie ein garstiger alter Fuchs aus!«

Azzie warf einen Blick auf die winzige Anzeige in seinem Unsichtbarkeitsamulett. Wie er befurchtet hatte, war die Energie fast erschopft. Diese Idioten in der Abteilung fur Ausrustung und Zubehor! Aber naturlich hatte er das Amulett gleich nach Erhalt selbst uberprufen sollen.

Wie es schien, steckte er in der Klemme. Aber nicht so tief, da? er sich nicht wurde herausreden konnen.

»Aber wie ein netter Fuchs, nicht wahr, Schnauzelchen?« gab er zuruck und benutzte dabei ein unter Damoneneltern gelaufiges Kosewort. »Wie schon, dich zu sehen! Mach doch bitte diesen

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