'Ja, aber was bedeutet dir das schon? Du bist unverheiratet. Du hast keine Kinder. Dein Vater ist tot. Von Mutter oder Geschwistern hast du nie gesprochen. Ich mochte bezweifeln, da? du zu irgendeinem Menschen auf der Welt gefuhlsma?ige Bindungen hast, als Individuum. Geh doch deinen Weg und schick alles zum Teufel.'
'Und du?'
'Ich tue das gleiche. Ich bin geschieden und habe keine Kinder. Es gibt da eine junge Dame, der ich ziemlich nahestehe, und diese Beziehung halt eben, so lange es irgend geht. Genie?e dein Leben!'
'Und morgen?'
'Die Zukunft sorgt schon fur sich selbst. Wenn der Tod kommt, geht es schnell.'
'Ich kann nicht mit dieser Philosophie leben... Mike, Mike! Was soll das alles? Willst du mir beibringen, da? wir nicht durchkommen? La?t du die Paramenschen im Stich?'
Bronowski senkte den Blick. 'Pete, ich habe doch noch eine Antwort bekommen. Gestern abend. Ich wollte bis heute warten und daruber nachdenken, aber warum eigentlich?... Hier ist sie.'
In Lamonts Augen stand die starre Frage. Er nahm die Folie und betrachtete sie. Satzzeichen fehlten vollig:
PUMPE NICHT STOPPEN NICHT STOPPEN WIR NICHT STOPPEN PUMPE WIR NICHT HOREN GEFAHR NICHT HOREN NICHT HOREN SIE STOPPEN BITTE STOPPEN SIE STOPPEN DAMIT WIR STOPPEN BITTE SIE STOPPEN GEFAHR GEFAHR GEFAHR STOPPEN SIE STOPPEN SIE PUMPE
'Bei Gott', knurrte Bronowski, 'das hort sich richtig verzweifelt an.'
Lamont starrte noch immer auf die Folie. Er schwieg.
Bronowski sagte: 'Ich vermute, da irgendwo auf der anderen Seite gibt es einen wie dich - einen Para- Lamont. Und auch er kann seine Para-Hallams nicht zum Stoppen bringen. Und wahrend wir sie bitten, uns zu retten, fleht er uns an, die andere Seite zu retten.'
'Aber wenn wir das vorzeigen '
'Man wird nur sagen, da? du lugst, da? das eine Falschung ist, mit der du deinen psychotischen Alptraum retten mochtest.'
'Von mir konnen sie das vielleicht behaupten, aber doch nicht von dir. Du stehst doch hinter mir, Mike. Du kannst aussagen, da? du das erhalten hast und wie.'
Bronowskis Gesicht rotete sich. 'Was konnte das nutzen? Man wird sagen, irgendwo im Parauniversum sitzt ein Verruckter wie du, und ihr beiden Irrsinnigen habt euch zusammengetan. Man wird behaupten, die Nachricht sei der Beweis, da? die etablierten Machte im Parauniversum uberzeugt sind, es gibt keine Gefahr.'
'Mike, bitte steh das mit mir durch.'
'Es ist sinnlos, Pete. Du hast es selbst gesagt - Dummheit! Die Paramenschen da druben sind vielleicht weiter fortentwik-kelt als wir, auch sind sie moglicherweise intelligenter, wie du immer behauptest, aber es ist auch ganz offensichtlich, da? sie genauso dumm sind, und das bedeutet das Ende. Auch Schiller hat das schon gesagt, und ich meine, er hat recht.'
'Wer?'
'Schiller. Ein deutscher Dramatiker, der vor drei Jahrhunderten gelebt hat. In einem Stuck um Johanna von Orleans sagt er: 'Gegen Dummheit kampfen Gotter selbst vergebens.) Ich bin kein Gott, und ich kampfe nicht langer. Gib's auf, Pete, und zieh deines Weges. Vielleicht halt die Welt durch, solange wir leben, und wenn nicht, konnen wir sowieso nichts machen. Es tut mir leid, Pete. Du hast gut gekampft, aber du hast verloren, und ich bin fertig mit der Sache.' Damit ging er, und Lamont war allein. Er sa? auf seinem Stuhl, und seine Finger trommelten, trommelten ziellos. Irgendwo in der Sonne hafteten die Protonen mit einer geringfugig gesteigerten Reaktionsfahigkeit zusammen, und mit jeder Bewegung nahm dieser Zusammenhalt weiter zu, und irgendwann wurde die empfindliche Balance gestort...
'Und niemand auf der Erde wu?te, da? ich recht hatte', rief Lamont aus und blinzelte und blinzelte, um die Tranen zuruckzuhalten.
II. Para
Dua hatte keine Muhe, sich von den anderen abzusondern. Sie rechnete immer mit Schwierigkeiten, die dann irgendwie ausblieben. Jedenfalls richtige Schwierigkeiten.
Aber warum auch nicht? Odeen machte zwar Einwande auf seine Art. 'Bleib hier', sagte er immer. 'Du wei?t, da? du Tritt aufregst.' Nie sprach er von seinen eigenen Empfindungen; um Kleinigkeiten regten sich Denklinge auch nicht auf. Doch kummerte er sich fast so eingehend um Tritt, wie dieser die Kinder bewachte.
Aber zum Schlu? bekam sie Odeen doch immer herum, wenn sie genugend quangelte, und er legte sich dann sogar mit Tritt an. Manchmal gab er auch zu, auf ihre Fahigkeiten stolz zu sein, auf ihre Unabhangigkeit... Er war kein schlechter Linksling, uberlegte sie unkonzentriert.
Mit Tritt lie? sich nicht so leicht auskommen; er schaute sie immer so beleidigt an, wenn sie - nun, wenn sie so war, wie sie gern sein wollte. Aber Rechtslinge waren ja immer so. Fur sie war er ein Rechtsling, doch fur die Kinder ein Eiterung, und das hatte den Vorrang... Was ganz gunstig war, denn sie konnte sich immer darauf verlassen, da? das eine oder andere Kind ihn beanspruchte, wenn die Lage brenzlig wurde.
Trotzdem hatte sie nichts gegen Tritt. Bis auf die Augenblik-ke des Verschmelzens ignorierte sie ihn. Bei Odeen war das anders. Er war zuerst richtig aufregend gewesen; schon seine Gegenwart hatte ihre Umrisse zum Leuchten und Verschwimmen gebracht. Und da? er ein Denkling war, erhohte den Reiz irgendwie noch mehr. Sie verstand ihre Reaktion darauf nicht ganz; diese Reaktion war ein Teil ihrer Absonderlichkeit. Sie hatte sich an ihre Absonderlichkeit gewohnt - jedenfalls fast.
Dua seufzte.
Als Kind, als sie sich noch als Individuum und nicht als Teil einer Triade ansah, war ihr diese Absonderlichkeit noch viel gegenwartiger gewesen. Die anderen hatten es sie viel mehr spuren lassen. Schon so eine Kleinigkeit wie die Oberflache am Abend...
Leidenschaftlich gern war sie abends an der Oberflache gewesen. Die anderen Gefuhlslinge hatten den Ort kalt und duster genannt und waren zitternd verschmolzen, wenn sie ihnen eine Beschreibung gab. Sie waren zwar bereit, in der Warme des Mittags dort hinaufzusteigen und sich auszubreiten und zu essen, aber eben das machte den Mittag so langweilig. In Gesellschaft des zwitschernden Haufens fuhlte sie sich nicht wohl.
Naturlich mu?te sie essen, aber das tat sie viel lieber am Abend, wenn es wenig Nahrung gab, wenn aber die ganze Umgebung dammrig war und schwachrot leuchtete und wenn sie allein war. Naturlich beschrieb sie den anderen die Szene kalter und schlimmer, als sie wirklich war - nur um sie bei dem Gedanken an die Kuhle hart werden zu sehen. Nach einer Weile flusterten die anderen uber sie und lachten sie aus - und lie?en sie in Ruhe.
Die kleine Sonne stand nun uber dem Horizont und strahlte jene geheimnisvolle Rote aus, die Dua allein vorbehalten war. Sie breitete sich seitlich aus, verdickte Rucken und Bauch und absorbierte die dunnen Warmespuren. Sie kaute geistesabwesend darauf herum, geno? den leicht sauren, substanzlosen Geschmack der gedehnten Wellenlangen. (Sie war noch keinem anderen Gefuhlsling begegnet, der sich zu einem ahnlichen Geschmack bekannt hatte. Aber sie vermochte nicht zu erklaren, da? sie das mit Freiheit gleichsetzte; mit der Freiheit von den anderen, wenn sie allein sein konnte.)
Auch jetzt brachten die Einsamkeit, die Kuhle und das tiefe, tiefe Rot die Erinnerung an die weit zuruckliegende Zeit vor der Triade und - sogar noch deutlicher - an ihren eigenen Elterling, der ihr schwerfallig gefolgt war, in standiger Angst, da? sie sich weh tun konnte.
Er hatte sich aufopfernd um sie bemuht, wie alle Elterlinge; um den Klein-Mittling mehr als um die beiden anderen. Das hatte Dua gestort, und sie hatte oft von dem Tag des Verlassens getraumt. Alle Elterlinge verlie?en ihre Kinder irgendwann; und sie mu?te daran denken, wie sehr er ihr gefehlt hatte, als es eines Tages soweit war.
Er war herbeigekommen, um es ihr moglichst schonend beizubringen, obwohl es den Eiterungen allgemein schwerfiel, ihre Gefuhle auszudrucken. An jenem Tage war sie ihm fortgelaufen; nicht aus Boshaftigkeit, nicht, weil sie ahnte, was er ihr sagen wollte, sondern aus Ubermut. Gegen Mittag hatte sie eine besondere Stelle entdeckt und sich in unerwarteter Abgeschiedenheit gesattigt, und jetzt erfullte sie ein seltsames, jukkendes