'Dua, du hast dich geirrt', sagte er schlie?lich. 'Wir sind keine Maschinen. Ich wei? jetzt, was wir sind. Ich ware langst zu dir gekommen, wenn ich nur Bescheid gewu?t hatte - aber dazu kam es erst, als Losten mich zum Nachdenken aufforderte. Und ich habe nachgedacht, intensiv sogar - trotzdem kommt die Erkenntnis fast noch zu fruh.'

Dua stohnte, und Odeen unterbrach die Energie fur eine Weile.

'Hor mir zu, Dua', sagte er. 'Es gibt tatsachlich nur eine einzige Spezies. Die Hartlinge sind die einzigen Lebewesen auf dieser Welt. Das hattest du langst herausgefunden, und insoweit hattest du ganz recht. Aber das hei?t nun nicht, da? die Weichwesen nicht leben, es hei?t nur, da? wir ein Teil derselben Spezies sind. Die Weichwesen sind die unausgereifte Fruhform der Hartlinge. Zunachst sind wir Weichwesen-Kinder, dann Weichwesen-Erwachsene und schlie?lich Hartlinge. Verstehst du mich?'

Tritt fragte verwirrt: 'Was? Was?'

'Jetzt nicht, Tritt', antwortete Odeen. 'Auch du wirst es noch begreifen, aber zuerst ist Dua an der Reihe.' Er hielt den Blick auf Dua gerichtet, die langsam an Schimmer gewann.

Er fuhr fort: 'Schau mal, Dua, jedesmal, wenn wir verschmelzen, wenn die Triade vereint ist, sind wir ein Hartling. Der Hartling vereint drei Wesen auf sich und ist deshalb auch so hart. Wahrend der Zeit der Bewu?tlosigkeit im verschmolzenen Zustand sind wir ein Hartling. Aber das ist nur eine vorubergehende Erscheinung, und wir konnen uns hinterher nicht mehr daran erinnern. Wir konnen niemals lange Hartling bleiben; wir mussen uns zum Schlu? zuruckverwandeln. Aber unser ganzes Leben hindurch setzt sich die Entwicklung fort, und bestimmte Schlusselmomente zeigen den Fortschritt an. Jedes neue Baby kennzeichnet ein solches Stadium. Mit der Geburt des dritten Kindes, des Gefuhlslings, ruckt die Moglichkeit der letzten Stufe in greifbare Nahe: die Stufe, auf der sich der Denkling - ganz allein, ohne die anderen beiden - an die kurzen Momente bisheriger Hartling-Existenz erinnert. Dann, und nur dann kann er ein vollkommenes Verschmelzen einleiten, aus dem der bestandige Hartling hervorgeht, ein Hartling, in dem die Triade ein neues gemeinsames Leben des Intellekts und des Lernens finden kann. Ich habe dir einmal gesagt, da? das Weiterziehen wie eine Neugeburt sei. Damals versuchte ich etwas zu formulieren, das ich noch nicht ganz begriff, doch jetzt wei? ich es.'

Dua schaute zu ihm auf, versuchte zu lacheln. Sie fragte: 'Wie kannst du nur so tun, das alles zu glauben, Odeen? Wenn es so ware, hatten es uns die Hartlinge nicht langst gesagt - uns allen?'

'Das durften sie nicht, Dua. Es gab einmal eine Zeit - es ist schon lange her , da war das Verschmelzen nur ein Zusammenfugen von Korperatomen. Doch die Evolution sorgt fur die Fortentwicklung des Geistes. Hor mir gut zu, Dua; das Verschmelzen ist auch ein Zusammenfugen des Geistes, und das ist schon viel schwerer, viel heikler. Um einen Geist gut und bestandig zusammensetzen zu konnen, mu? der Denkling eine gewisse Entwicklungsstufe erreichen. Diese Stufe ist erlangt, wenn er - und zwar allein - die Tatsachen des Lebens erkennt; wenn sich sein Geist schlie?lich so weit scharft, da? er sich daran erinnert, was wahrend all jener kurzen Vereinigungen im Verschmelzen geschehen ist. Wenn der Denkling all dies von dritter Seite erfuhre, konnte es geschehen, da? seine Entwicklung gestort und der Augenblick des vollkommenen Verschmelzens niemals bestimmt wurde. Der Hartling bliebe unvollkommen. Als Losten mich zum Nachdenken anregte, ging er ein gro?es Risiko ein. Auch so mag es ... Ich will nicht hoffen...

Denn in unserem Fall kommt es ganz besonders darauf an, Dua. Viele Generationen hindurch haben die Hartlinge die Zusammenstellung der Triaden sorgsam uberwacht, um besonders fortgeschrittene Hartlinge zu erlangen, und unsere Triade war bisher die beste uberhaupt. Besonders du, Dua. Besonders du. Losten war einmal die Triade, deren Baby-Mitt du warst. Ein Teil von ihm war dein Eiterung. Er kannte dich. Er hat dich zu Tritt und mir gebracht.'

Dua richtete sich auf. Ihre Stimme war fast wieder normal: 'Odeen! Denkst du dir das etwa alles aus, um mich zu beruhigen?'

Tritt schaltete sich ein. 'Nein, Dua, ich fuhle es auch. Ich fuhle es auch. Ich wei? nicht genau was, aber ich fuhle es.'

'Und das stimmt, Dua', bekraftigte Odeen. 'Dir wird es nicht anders ergehen. Kommt dir nicht langsam die Erinnerung, da? du ein Hartling warst wahrend unseres Verschmelzens? Mochtest du jetzt nicht verschmelzen? Ein letztes Mal? Ein letztes Mal?'

Er hob sie an. Eine seltsame Fiebrigkeit hatte sie ergriffen, und obwohl sie sich noch wehrte, verdunnte sie sich bereits.

'Wenn du recht hast, Odeen', keuchte sie, 'wenn wir wirklich ein Hartling werden, dann sicher ein wichtiger. Ist das richtig?'

'Der allerwichtigste sogar. Der beste, der jemals gebildet wurde. Ich meine es ernst...Tritt, komm her. Es ist ja kein Abschied, Tritt. Wir werden zusammen sein, wie wir es uns immer ersehnten. Dua auch. Du auch, Dua.'

Dua sagte: 'Dann konnen wir Estwald begreiflich machen, da? die Pumpe nicht weiterarbeiten darf. Wir zwingen ihn ...'Das Verschmelzen begann. Im entscheidenden Augenblick kamen die Hartlinge wieder in die Hohle. Odeen sah sie nur undeutlich; er begann in Dua aufzugehen.

Es war anders als sonst; es gab keine wilde Ekstase, sondern nur eine weiche, kuhle, vollig ruhige Bewegung. Er spurte, wie er zu einem Teil Duas wurde, und die ganze Welt schien in seine/ihre sich scharfenden Sinne zu flie?en. Die Positronenpumpen liefen noch immer - er/sie erkannte das deutlich. Warum liefen sie noch?

Zugleich war er Tritt, und ein schmerzliches Gefuhl des Verlustes erfullte ihn/sie/ihn. Oh, meine Babies...

Und er schrie auf, ein letzter Schrei aus dem Bewu?tsein Odeens - nur da? es irgendwie ein Schrei Duas war. 'Nein, wir konnen Estwald nicht aufhalten. Wir sind Estwald! Wir...'

Der Schrei, der von Dua kam und doch nicht von Dua, brach ab, und es gab keine Dua mehr, niemals mehr. Ebensowenig wie Odeen. Ebensowenig wie Tritt.

7 a b c

Estwald trat vor und wandte sich bedruckt an die wartenden Hartlinge. Die Luft vibrierte, als er sagte: 'Ich bin jetzt standig bei euch, und es gibt so viel zu tun ...'

III. Luna

1

Selene Lindstrom lachelte freundlich und ging mit jenem leicht federnden Gang voraus, der die Touristen immer etwas erstaunte, ehe sie sich daran gewohnten und ihn dann als durchaus reizvoll empfanden.

'Zeit zum Mittagessen', sagte sie frohlich. 'Alles hier bei uns gewachsen, meine Damen und Herren. Der Geschmack ist vielleicht ungewohnt, aber es ist alles sehr nahrhaft. Hier bitte, Sir. Es macht Ihnen sicher nichts aus, bei den Damen zu sitzen... Einen Augenblick. Es sind genugend Platze da ... Tut mir leid, die Getranke konnen Sie aussuchen, aber es gibt nur ein Gericht. Kalbfleisch... Nein, nein. Kunstgeschmack naturlich, aber es ist sehr gut.'

Nun setzte sie sich ebenfalls - begleitet von einem leisen Seufzen und einem noch unmerklicheren Zucken ihres freundlichen Lachelns.

Ein Mann aus der Gruppe setzte sich ihr gegenuber.

'Haben Sie etwas dagegen?' fragte er.

Sie musterte ihn, schnell, durchdringend. Sie besa? naturlich die Fahigkeit, sich ein rasches Urteil zu bilden, und er wirkte nicht aufdringlich. 'Aber im Gegenteil', antwortete sie. 'Sind Sie denn nicht in Begleitung?'

Er schuttelte den Kopf. 'Nein, ich bin allein. Selbst wenn das nicht der Fall ware - Erdchen sind mir eigentlich nicht besonders angenehm.'

Nun musterte sie ihn eingehender. Er war etwa funfzig und machte einen erschopften Eindruck, dem nur seine hellen, neugierigen Augen entgegenwirkten. Dem Ansehen nach war er eindeutig ein Erdmensch - schwer belastet durch die Schwerkraft. ' 'Erdchen' ist aber ein Mondausdruck', sagte sie, 'und au?erdem gar nicht nett.'

'Ich komme von der Erde und kann ihn dann doch wohl gebrauchen, wie ich will. Es sei denn, Sie hatten etwas dagegen.'

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