geschafft. Die Erdenmenschen wollen die Pumpe, die kostenlose Energie; sie wollen sie so sehr, da? sie um keinen Preis einsehen, da? sie sie nicht haben konnen.'
'Aber warum sollten sie danach streben, wenn sie ihnen den Tod bringt?'
'Sie brauchen nur die Augen davor zu verschlie?en, da? sie ihnen den Tod bringt. Der einfachste Weg, ein Problem zu losen, besteht immer noch darin, seine Existenz zu leugnen. Ihr Freund, Dr. Neville, tut das auch. Er mag die Oberflache nicht, also zwingt er sich zu dem Glauben, da? die Sonnenbatterien keinen Nutzwert haben - obwohl sie jedem neutralen Beobachter als die ideale Energiequelle fur den Mond erscheinen mu?ten. Er strebt die Pumpe an, damit er im Unterirdischen bleiben kann, und will einfach nicht glauben, da? die Pumpe gefahrlich sein konnte.'
'Ich glaube nicht, da? Barron etwas ablehnen wurde, fur das es stichhaltige Beweise gibt', entgegnete Selene. 'Haben Sie denn Beweise?'
'Ich glaube schon. Es ist wirklich erstaunlich. Das Ganze hangt von bestimmten Faktoren bei Quark- QuarkWechselwirkungen ab. Wissen Sie, was das ist?'
'Sie brauchen es mir nicht zu erklaren. Ich habe mich so oft mit Barron unterhalten, da? ich Ihnen vielleicht folgen kann.'
'Nun, ich dachte, ich ware fur diesen Zweck auf das Protonensynchrotron angewiesen. Es hat einen Durchmesser von funfzig Kilometern, hat supraleitende Magnete und kann Energien von 20 000 BeV und mehr bewaltigen. Nun hat es sich herausgestellt, da? die Mondleute ein Gerat haben, das Pionisa-tor genannt wird - eine Anlage, die in einen relativ kleinen Raum pa?t und die gleichen Ergebnisse bringt wie das Synchrotron. Das ist ein erstaunlicher Fortschritt, fur den ich dem Mond meinen Gluckwunsch ausspreche.'
'Danke', sagte Selene selbstgefallig. 'Ich meine, im Namen des Mondes.' 'Also, meine Ergebnisse am Pionisator lassen das Ausma? der Intensitatszunahme der Starken nuklearen Wechselwirkung erkennen; und diese Steigerung entspricht
Lamonts Behauptungen und nicht den Annahmen der orthodoxen Theorie.'
'Und haben Sie das Barron gezeigt?'
'Nein. Wenn ich es tate, wurde er meine Schlu?folgerung bestimmt zuruckweisen. Er wurde einwenden, die Ergebnisse seien nur indirekt; ich hatte einen Fehler gemacht. Er wurde behaupten, ich hatte nicht alle Faktoren berucksichtigt und unzureichende Kontrollen gehabt. Im Grunde brachte er nur zum Ausdruck, da? er die Elektronenpumpe haben will und sie nicht aufzugeben beabsichtigt.'
'Sie meinen, es gibt keinen Ausweg?'
'Naturlich gibt es einen - doch keinen direkten. Nicht Lamonts Losung.'
'Und die ware?'
'Lamont zielt darauf ab, den Stopp aller Pumpen zu erzwingen - aber man kann das Rad naturlich nicht einfach so zuruckdrehen. Man kann das Kuken nicht wieder ins Ei zurucksto?en, den Wein nicht wieder an die Reben hangen, den Jungen nicht wieder in den Mutterleib drucken. Wenn man ein Kind dazu bringen will, Vaters Uhr loszulassen, darf man ihm nicht mit Vernunftgrunden kommen - man mu? dem Kleinen etwas anbieten, das er lieber haben wurde.'
'Und das ware?'
'Ah, gerade das ist mir noch nicht klar. Ich habe zwar eine Vorstellung, eine einfache Idee - die vielleicht zu einfach ist, als da? sie funktionieren konnte. Sie basiert auf der ganz offensichtlichen Tatsache, da? die Zahl zwei lacherlich ist und nicht allein existieren kann.'
Es folgte ein Schweigen, eine Minute lang. Dann sagte Selene gedankenverloren: 'Lassen Sie mich mal raten, was Sie meinen.'
'Ich wei? nicht, ob ich uberhaupt etwas meine', erwiderte Denison.
'Lassen Sie mich trotzdem mal raten. Es ware zum Beispiel sinnvoll anzunehmen, da? unser Universum das einzige ist, das existieren kann oder existiert, weil es das einzige ist, in dem wir leben und das wir unmittelbar erleben. Wenn sich jedoch Beweise dafur ergaben, da? daneben noch ein zweites Universum besteht - das wir Parauniversum nennen , dann ware es absolut lacherlich anzunehmen, da? es insgesamt zwei und nur diese zwei Universen gibt. Wenn es uberhaupt ein zweites Universum geben kann, dann auch eine unendliche Anzahl weiterer. Zwischen einem und einer unendlichen Anzahl von Universen, wie in einem solchen Fall, la?t sich vernunftigerweise uberhaupt keine bestimmte Anzahl festlegen. Nicht nur die Zwei, sondern jede endliche Zahl ware undenkbar.'
'Das ist genau, was ich ...' Und wieder herrschte Stille.
Denison richtete sich auf und schaute auf das Madchen im Raumanzug hinab. 'Wir sollten jetzt wohl in die Stadt zuruck.'
'Ich habe nur herumgeraten', sagte sie.
'Nein, das stimmt nicht', erwiderte Denison. 'Was immer Sie getan haben - nur herumgeraten haben Sie bestimmt nicht.'
Barron Neville starrte sie an. Eine ganze Weile brachte er kein Wort heraus. Sie hielt ruhig seinem Blick stand. Ihr Fensterpanorama war wieder einmal umgeschaltet; ein Fenster zeigte die zunehmende Erde.
Schlie?lich fragte er: 'Warum nur?'
'Es war im Grunde nur ein Versehen', antwortete sie. 'Ich begriff, was er meinte, und lie? mich so sehr mitrei?en, da? ich den Mund nicht halten konnte. Ich hatte es dir schon vor Tagen sagen mussen, aber ich furchtete deine Reaktion, die ja nun auch eingetreten ist.'
'Er wei? also Bescheid. Du Idiotin!'
Sie runzelte die Stirn. 'Was wei? er? Nichts, was er nicht fruher oder spater selbst erraten hatte - da? ich gar keine echte Touristenfuhrerin bin, sondern dein Intuitionist. Ein Intuitionist, der von Mathematik keine Ahnung hat, um Himmels willen. Und was macht es, da? er es wei?? Wie oft hast du mir gesagt, da? meine Intuition uberhaupt wertlos ist, wenn sie nicht durch mathematische Genauigkeit und experimentelle Beobachtung erganzt wird? Wie oft hast du mir erklart, da? die schonste Intuition falsch sein kann. Nun - welchen Wert sollte er also dem blo?en Intuitionismus beimessen?'
Neville wurde bleich, doch Selene wu?te nicht, ob vor Wut oder Besorgnis. Er sagte: 'Du bist anders. Hast du mit deinen Intuitionen nicht immer recht gehabt? Wenn du dir einer Sache wirklich sicher warst?'
'Ah, aber das wei? er doch nicht, oder?'
'Er wird es vermuten! Er wird mit Gottstein sprechen.'
'Was kann er ihm sagen? Er hat noch immer keine Vorstellung davon, worauf wir aus sind.'
'Wirklich?'
'Nein.' Sie war aufgestanden, hatte sich von ihm entfernt. Jetzt wandte sie sich um und brullte: 'Nein! Wie billig von dir, mir zu unterstellen, ich wurde dich und die anderen verraten. Wenn du schon von meiner Integritat nicht uberzeugt bist, darfst du wenigstens meinen gesunden Menschenverstand nicht anzweifeln. Es ist doch uberhaupt sinnlos, etwas an sie weiterzugeben. Was nutzt es ihnen - oder uns , wenn wir sowieso alle vernichtet werden?'
'Ich bitte dich, Selene!' Neville hob angewidert die Hand. 'Fang nicht wieder davon an!'
'Nein. Hor mir mal zu. Er hat mit mir gesprochen und mir seine Arbeit beschrieben. Du versteckst mich wie eine Geheimwaffe. Du versicherst mir, da? ich wertvoller bin als jedes Instrument, oder jeder gewohnliche Wissenschaftler. Du greifst zu allen moglichen Tricks, damit jedermann weiterhin an meine Rolle als Touristenfuhrerin glaubt, um den Lunariern meine gro?en Talente zu erhalten. Namlich dir. Und was erreichst du damit?'
'Du stehst uns doch zur Verfugung, oder nicht? Wie lange warst du wohl frei herumgelaufen, wenn sie geahnt hatten...'
'Das sagst du immer wieder. Aber wer ist denn schon mal gefangengenommen worden? Wer hat seine Arbeit einstellen mussen? Wo ist der Beweis fur die gro?e Verschworung, die du uberall zu sehen glaubst? Die Erdenmenschen verwehren euch den Zutritt zu ihren gro?en Instrumenten, gewi? - aber daran seid ihr mehr schuld als sie; von Bosartigkeit kann keine Rede sein. Und ihr Verhalten hat uns andererseits eher zum Vorteil gereicht, weil es uns zwang, neue und wesentlich verfeinerte Instrumente zu erfinden.'
'Die sich auf deine theoretischen Einsichten grunden, Selene.'
Selene lachelte. 'Ich wei?. Ben hat sich sehr lobend daruber ausgesprochen.'
'Du und dein Ben! Was zum Teufel findest du eigentlich an diesem elenden Erdchen?'