'Er ist Immigrant. Und was ich will, ist Information. Gibst du mir Informationen? Du hast so gro?e Angst, da? ich geschnappt werden konnte, da? ich nicht einmal im Gesprach mit irgendwelchen Physikern gesehen werden darf; nur mit dir -und du bist mein... Wahrscheinlich auch nur deswegen.'

'Also wirklich, Selene.' Er versuchte seine Stimme ruhig klingen zu lassen, doch es lag noch viel zuviel Ungeduld darin.

'Na ja, es ist mir im Grunde auch egal. Du hast mir gesagt, ich hatte diese eine Aufgabe, und ich versuche mich darauf zu konzentrieren, und manchmal habe ich das Gefuhl, der Losung sehr nahe zu sein, Mathematik hin, Mathematik her. Ich kann sie mir vorstellen; ich wei?, was getan werden mu? - und dann entgleitet es mir wieder. Aber was hat das alles fur einen Sinn, wenn uns die Pumpe sowieso vernichtet...? Habe ich dir nicht gleich gesagt, da? mir die Veranderung der Feldintensitat nicht geheuer ist?'

'Ich frage dich noch einmal. Mochtest du mir damit sagen, da? die Pumpe uns vernichten wird') Kein 'konnte', kein 'vielleicht' - nur 'wird'?'

Selene schuttelte argerlich den Kopf. 'Das kann ich nicht. Die Werte sind so winzig. Ich kann nicht behaupten, da? es unbedingt passiert. Aber mu?te ein einfaches Vielleicht nicht auch ausreichen?'

'O Himmel!' 'Nun rolle nicht mit den Augen! Du hast die Angelegenheit nie uberpruft. Ich habe dir gesagt, wie man das tun konnte.'

'Du machst dir aber erst Sorgen daruber, seit du auf dein Erdchen horst.'

'Er ist Immigrant. Willst du die Sache nun uberprufen?'

'Nein! Ich habe dir schon gesagt, deine Vorschlage sind unpraktisch. Du hast keine Versuchserfahrungen, und was dir im Geiste gut und richtig vorkommt, mu? in der wirklichen Welt der Instrumente, des Zufalls und der Ungewi?heit noch lange nicht funktionieren.'

'In der sogenannten realen Welt deines Laboratoriums.' Ihr Gesicht hatte sich gerotet vor Wut, und sie hatte die Fauste erhoben. 'Du verschwendest so viel Zeit damit, ein gutes Vakuum zu erzeugen - dabei gibt es ein Vakuum da oben, dort oben an der Oberflache, mit Temperaturen, die manchmal schon auf halbem Wege zum absoluten Gefrierpunkt sind. Warum machst du deine Versuche nicht einmal an der Oberflache?'

'Ware doch sinnlos.'

'Woher willst du das wissen? Du versuchst es ja nicht einmal. Ben Denison hat es versucht. Er hat sich die Muhe gemacht, eine Vorrichtung zu bauen, die er auf der Oberflache einsetzen konnte, als er die Inspektion der Sonnenbatterien mitmachte. Er hat dich ja zum Mitkommen aufgefordert, aber du hast abgelehnt. Wei?t du noch? Es war ganz einfach, etwas, das ich dir beschreiben konnte, nachdem er es mir erklart hat. Er hat die Anlage zuerst bei Tagestemperatur und dann bei Nachttemperatur laufen lassen, und das reichte schon, um seinen Versuchen am Pionisator eine neue Richtung zu geben.'

'Wie einfach sich das anhort.'

'Es war auch einfach. Er hat sich mit mir unterhalten - etwas, das ich bei dir nie erlebt habe. Er erklarte mir die Grunde fur seine Annahme, da? die Zunahme der Starken nuklearen Wechselwirkung in der Nahe der Erde einen wirklich katastrophalen Umfang erreicht. Es dauert noch wenige Jahre, bis die Sonne explodiert und diese Intensitatszunahme in Wogen ausschickt... '

'Nein, nein, nein, nein!' brullte Neville. 'Ich habe seine Ergebnisse doch gesehen und bin davon uberhaupt nicht beeindruckt.'

'Du hast sie gesehen?'

'Naturlich. Glaubst du etwa, ich lasse ihn in unseren Labors arbeiten, ohne mich zu vergewissern, was er da macht? Ich habe seine Ergebnisse gesehen, und sie sind absolut wertlos. Er arbeitet mit winzigen Abweichungen, die durchaus im Rahmen der experimentellen Fehlergrenzen liegen. Wenn er glauben mochte, da? die Abweichungen eine Bedeutung haben, und wenn du das auch meinst bitte sehr. Aber so stark euer Glaube auch ist - er wird an der Tatsache nichts andern, da? es diese Bedeutung nicht gibt.'

'Was willst du denn glauben, Barron?'

'Ich will die Wahrheit.'

'Aber liegt fur dich nicht von vornherein fest, wie diese Wahrheit aussehen mu?? Du willst eine Pumpstation auf den Mond holen, nicht wahr, so da? du nichts mehr mit der Oberflache zu tun hast; und alles, was diese Absicht womoglich verhindert, kann nicht die Wahrheit sein.'

'Ich will das nicht mit dir diskutieren. Ich will die Pumpstation - und das andere. Das eine bringt nichts ohne das andere. Bist du sicher, da? du ihm nichts...'

'Nein!'

'Und wirst du's ihm sagen?'

Selene wirbelte herum, wobei ihre Fu?e, die sie in der Luft hielten, auf dem Boden ein argerliches Klappern erzeugten.

'Ich werde ihm nichts sagen', erwiderte sie. 'Aber ich brauche mehr Information. Du hast keine Informationen fur mich, aber er vielleicht; oder er beschafft sie sich durch die Versuche, die du nicht machen willst. Ich mu? mit ihm sprechen und feststellen, was er eigentlich herausfinden will. Wenn du dich zwischen ihn und mich drangst, erfahrst du nie, was du wissen willst. Und du brauchst keine Angst zu haben, da? er die Erkenntnis gewinnt. Dazu denkt er noch viel zu sehr wie ein Erdenmensch; diesen letzten Schritt macht er bestimmt nicht. Den tue ich - mit seiner Hilfe!'

'Gut. Und vergi? nicht den Unterschied zwischen der Erde und dem Mond, meine Liebe. Hier oben ist deine Welt; du hast keine andere. Dieser Denison, dieser Ben, dieser Immigrant, der von der Erde zum Mond heraufgekommen ist, kann nach Belieben wieder zuruckkehren. Du aber kannst niemals zur Erde; niemals. Du bist ein Lunarier, fur immer.'

'Eine Mondjungfrau', sagte Selene verachtlich.

'Keine Jungfrau', entgegnete Neville. 'Obwohl du vielleicht ein gutes Weilchen wirst warten mussen, ehe ich diesen Sachverhalt wieder einmal bestatige.'

Sie lie? keine Reaktion erkennen.

Er fuhr fort: 'Und diese Explosionsgefahr: Wenn das Risiko bei der Veranderung der grundlegenden Konstanten eines Universums so gro? ist, warum haben dann die Paramenschen, die uns doch technologisch so weit voraus sind, das Pumpen nicht langst eingestellt?'

Und er ging.

Mit verkrampftem Gesicht starrte sie auf die geschlossene Tur. Dann sagte sie: 'Weil die Lage fur sie anders ist als fur uns, du Schnosel!' Aber sie hatte keinen Zuhorer mehr; sie war allein.

Sie trat gegen den Hebel, der ihr Bett herablie?, und warf sich wutend darauf. War sie dem Ziel, das Barron und die anderen nun schon jahrelang verfolgten, um einen Schritt nahergekommen?

Nein.

Energie! Jedermann strebte nach Energie. Das Zauberwort! Das Fullhorn! Der Schlussel zur allesumfassenden Erfullung!... Und doch war Energie nicht alles.

Wenn man Energie fand, ergab sich auch das andere. Wenn man den Schlussel zur Energie fand, lag auch der Schlussel fur jenes andere offen. Sie wu?te, da? sie nach dem Schlussel fur jenes andere greifen konnte, wenn sie noch einen winzigen Baustein in das Gefuge einsetzte - eine Erkenntnis, die, wenn sie erst gefunden war, ganz selbstverstandlich erscheinen wurde. (Grundgutiger Himmel, sie hatte sich von Barrons chronischem Mi?trauen schon sehr anstecken lassen, da? sie es auch in ihren Gedanken schon 'das andere' nannte.)

Kein Erdenmensch wurde diesen kleinen Baustein finden, da er keinen Grund hatte, danach zu suchen.

Aber Denison wurde ihn fur sie finden, ohne ihn selbst zu begreifen.

Nur... Wenn das Universum ohnehin vernichtet wurde, wozu das alles?

12

Denison versuchte seiner Verlegenheit Herr zu werden. Von Zeit zu Zeit vollfuhrte sein Arm eine Bewegung, als wollte er die Hose hochziehen, die er gar nicht anhatte. Seine Kleidung bestand aus einem Paar Sandalen und einem winzigen Hoschen, das sehr eng war. Und naturlich hatte er die Decke.

Selene, ahnlich bekleidet, lachte: 'Also, Ben, mit Ihrem Korper ist alles in Ordnung, wenn er auch ein bi?chen dick ist. Wir gehen hier alle so. Sie konnten auch noch Ihre Hose ausziehen, wenn sie kneift.'

'Nein!' knurrte Denison. Er schob die Decke vor seinen Unterleib, und Selene entri? sie ihm.

'Geben Sie mir das!' sagte sie. 'Wie wollen Sie ein richtiger Lunarier werden, wenn Sie Ihren irdischen Puritanismus nicht ablegen?'

'Ich mu? mich erst daran gewohnen, Selene.'

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