beide hattet euch den Eintritt in die Abtei erzwungen, und von dem Augenblick an habe es viele bose Vorzeichen gegeben. Der Abt erklart, die Irin habe einen Geist beschworen, der ihn verfolge. Als er sie der Hexerei beschuldigte, waret ihr beide aus seiner Haft und der Abtei entflohen. Jetzt erscheint ihr plotzlich, wer wei? woher, und schleicht euch in mein Zimmer. Euer Ziel - sagt der Abt - sei es, mich zu toten. Ihr leugnet das. Nun gut. Was habt ihr zu sagen?«

»Es stimmt nicht«, antwortete Eadulf einfach.

Sigeric seufzte und nickte langsam.

»Naturlich stimmt es nicht.« Er lachelte spottisch. »Keine Beschuldigung hat jemals gestimmt, jedenfalls wenn man den Beschuldigten hort. Ihr mu?t mich aber davon uberzeugen, da? es nicht stimmt.«

»Darf ich das erklaren«, begann Fidelma, doch Sige-ric hob die Hand.

»Man hat mir gesagt, da? in deiner Kultur, Schwester Fidelma, Frauen ebenso das Recht haben, gehort zu werden, wie Manner. Bei unserem Volk ist das nicht so. Ich werde nur Eadulf von Seaxmund’s Ham anhoren.« Er wandte sich Eadulf zu, der angesichts Fidelmas Miene verlegen errotet war.

»Lord Sigeric«, begann er zogernd, »wie ich schon sagte, ist Schwester Fidelma in ihrem Land eine ausgebildete Anwaltin. In Whitby wurde sie von Konig Oswy von Northumberland gebeten, in ihrer juristischen Eigenschaft tatig zu werden, und dasselbe geschah sogar durch den Heiligen Vater, als sie sich in Rom aufhielt .«

Sigeric schuttelte den Kopf. »Ich zweifle nicht an deiner guten Absicht, Eadulf, aber diese Orte liegen in anderen Landern. Wir befinden uns hier im Konigreich Ost-Angeln, und warum sollte ich mich nicht nach unseren Gesetzen und Brauchen richten? Ich darf dich daran erinnern, da? dies die Gesetze der Wuffingas sind. Also, schone meine Ungeduld und komm zur Sache. Bestreitet ihr die Beschuldigungen Abt Cilds?«

»Ja, das tun wir«, sagte Eadulf mit Nachdruck. »Es geschah Boses in der Abtei, bevor wir kamen.«

»Boses? Dieses Wort hat viel Kraft. Doch der einzelne Mensch bestimmt, was er fur bose halt, und diese Auffassung ist von Mensch zu Mensch verschieden«, antwortete Sigeric. »Vielleicht ist es besser, wenn du berichtest, wie ihr hierhergekommen seid, was ihr vorgefunden habt und wie sich die Dinge entwickelt haben.«

»Es fing an, Lord Sigeric, als Schwester Fidelma und ich in Canterbury weilten. Ich war Abgesandter des Erzbischofs Theodor und hatte mich als solcher bei Konig Colgu von Cashel aufgehalten, dem Bruder Schwester Fidelmas.«

Sigeric nickte langsam.

»Du bewegst dich also in hochgestellten Kreisen, Eadulf?« sagte er in wegwerfendem Ton. »Und dann?«

»Ich hatte nicht die Absicht, dich zu beeindrucken, Lord Sigeric. Es geht darum, da? ich in Canterbury war und dort eine Botschaft von meinem alten Freund Botulf erhielt, dem Verwalter dieser Abtei.«

Dieser Name verfehlte seine Wirkung auf den Alten nicht.

»Botulf? Botulf von Seaxmund’s Ham ...? Naturlich kanntest du ihn. Er war dein Freund? Ich kannte ihn auch, denn er versuchte, einem Feigling beizustehen, der geachtet wurde. Zur Strafe wurde Botulf in diese Abtei geschickt.«

»Davon habe ich gehort. Aber Botulf war ein anstandiger Mensch. Als ich in Canterbury war, erhielt ich eine Botschaft, in der er mich aufforderte, zu dieser Abtei zu kommen und an einem bestimmten Tag zu einer bestimmten Zeit hier zu sein, denn das sei wichtig. Das tat ich auch, und Schwester Fidelma begleitete mich.«

Langsam, Schritt fur Schritt, schilderte Eadulf die Ereignisse der letzten Tage.

Sigeric sa? still da. Er unterbrach ihn nicht mehr, hielt den Kopf gesenkt und nickte, als ware er eingeschlafen.

Als Eadulf fertig war, warf er Fidelma einen raschen Blick zu, und sie lachelte anerkennend. Er hatte keinen wesentlichen Punkt ausgelassen.

Sigeric trommelte mit den Fingern auf die Armlehne seines Stuhls.

»Du stellst Behauptungen auf, die unglaublich scheinen, doch du bietest mir keine Losungen an.«

»Wenn Schwester Fidelma das ausfuhren durfte .«

Sigeric unterbrach ihn mit einem verachtlichen Schnauben.

»Ich habe dir meine Entscheidung mitgeteilt, da? ich mich an unsere Brauche halten werde. Und Worte wie >wenn< gefallen mir auch nicht.«

Eadulf war emport. »Du hast einen gro?en Ruf, Lord Sigeric, aber wie kannst du es begrunden, da? du deine Ohren vor der Wahrheit verschlie?t, nur weil sie aus dem Mund einer Frau kommt?«

»Du wirst unverschamt, Eadulf von Seaxmund’s Ham.« Der Oberhofmeister sah ihn finster an. »Vielleicht hast du zu lange unter Auslandern gelebt und deine eigenen kulturellen Werte vergessen?«

»Die Werte, um die es mir geht, sind nicht an eine Kultur gebunden. Sie sind allen Volkern eigen«, scho? Eadulf zuruck. Fidelma sah ihn uberrascht an. Sie hatte ihn kaum jemals so zornig erlebt.

Sigerics Leibwachter traten unruhig naher, doch der Alte winkte sie zuruck.

»Dein Bemuhen, dich fur deine Begleiterin einzusetzen, ist lobenswert, Eadulf .«

»Mein Bemuhen ist es, mich fur Wahrheit und Gerechtigkeit einzusetzen«, erwiderte Eadulf scharf.

»Ganz gleich, zu welchem Zweck, das Verfahren mu? eingehalten werden. Zuerst mu? ich deine Darstellung der Ereignisse den anderen Beteiligten vorlegen. Bis ich das getan habe, werdet ihr in Haft bleiben.«

»In Haft?« fragte Eadulf und lief vor Zorn wieder rot an.

Diesmal hielt Sigeric die beiden Krieger nicht zuruck, die vortraten und sich zwischen Fidelma und Eadulf stellten.

»Niemand wird euch etwas tun - weder Abt Cild noch irgend jemand anderes. Von der Seite habt ihr nichts zu befurchten, bis ich entscheide, ob ihr die Wahrheit sagt oder ob ein anderer Beweggrund hinter euren Handlungen steckt.«

Er nahm eine kleine Handglocke vom Tisch und lautete.

Fast sofort sturzte der einaugige Bruder Willibrod herein.

»Besitzt diese Abtei ein paar sichere Zellen?« fragte ihn Sigeric.

»Sichere Zellen?« Das Auge des dominus weitete sich.

»Danach habe ich gefragt«, sagte Sigeric geduldig. »Ich mochte, da? dieser Mann und diese Frau in eine Zelle eingeschlossen werden und dort in Haft bleiben, bis ich etwas anderes anordne. Sie sind gut zu behandeln, und es darf ihnen nichts geschehen. Wer diesem Befehl zuwiderhandelt, ist mir personlich verantwortlich. Jetzt brauchen wir eine sichere Zelle - einen Raum ohne einen Geheimgang, durch den sie entkommen konnen.«

»Es gibt einen Raum ganz in der Nahe«, uberlegte Bruder Willibrod. »Er hat eine Tur und ein kleines vergittertes Fenster.«

»Bist du sicher, da? es keine Gange hinter Wandvorhangen oder beweglichem Mauerwerk gibt?« fragte Sigeric spottisch. »Schlie?lich wu?test du anscheinend nichts von dem Gang, der in dieses Zimmer fuhrt.«

Bruder Willibrod breitete hilflos die Hande aus.

»Dies ist ein altes Gebaude, Lord, auf einer alten britannischen Festung erbaut .«

»Ich brauche keinen Geschichtsvortrag, sondern die Versicherung, da? der Raum keinen anderen Ausgang hat als die Tur, die meine Manner bewachen werden.«

»Das kann ich mit meinem Eid beschworen«, stammelte Bruder Willibrod.

»Das ist gut«, antwortete der Alte mit boshaftem Unterton. »Niemandem aus dieser Abtei, auch nicht dem Abt, ist es erlaubt, sie aufzusuchen. Werferth«, wandte er sich an einen der beiden Krieger, der offensichtlich seine Leibwache kommandierte, »du hast meine Befehle gehort? La? niemanden zu ihnen ein.«

»Es soll geschehen, Lord«, antwortete der Krieger, »aber was ist mit Essen und Trinken?«

Sigeric bedachte die Frage ernsthaft.

»Das will ich ihnen nicht verweigern. Du wirst dich darum kummern, Willibrod. Die Mahlzeiten werden Werferth ubergeben, der dafur sorgt, da? die beiden verpflegt werden. Nun fuhrt die Anordnung aus.«

Eadulf erhob Einspruch.

»Das ist keine Losung, Lord Sigeric«, stellte er kuhl fest. Er hatte seinen Zorn jetzt unter Kontrolle. »Unsere Inhaftierung wird das Blutvergie?en nicht verhindern, das bevorsteht, wenn das troscud durchgefuhrt wird, dessen naturliche Folge es sein wird, die Konigreiche in den Krieg zu treiben, wie ich erklart habe.«

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