»Das tue ich nur unter bestimmten Bedingungen«, verkundete sie zuversichtlich.

Sigerics Miene wurde zornig.

»Wagst du es, mit mir zu handeln?« fragte er scharf.

»Ich will nicht handeln«, versicherte sie ihm. »Ich will dir nur sagen, was ich brauche, um diesen Fall zu einem erfolgreichen Abschlu? zu fuhren.«

Sigeric zogerte und bezwang seinen Unmut. In seinem Gesicht spiegelte sich sein innerer Kampf, doch dann schien er sich zu entspannen. Er gewann seine Gelassenheit zuruck.

»Und was ist das, was du brauchst?« fragte er leise.

»Die vollstandige Freiheit und Vollmacht, die Untersuchung in der Weise zu fuhren, wie ich es gewohnt bin. Ich bitte dich nicht, einen Gerichtshof der Art einzurichten, wie wir es in den funf Konigreichen von Ei-reann tun, doch gestatte mir, die Zeugen, deren ich bedarf, vorzuladen und zu befragen, wobei ich deine Autoritat benotige, um sie zum Beantworten meiner Fragen zu zwingen, wenn sie versuchen, sich auf eure Brauche zu berufen, die Frauen kein Recht dazu geben.«

Sigeric blinzelte heftig. »Wir betrachten Frauen nur als .« Er hielt inne und zuckte die Achseln. »Das ist viel verlangt von meinen Landsleuten.«

»Wenn ich die Untersuchung abgeschlossen habe«, fuhr Fidelma fort, als habe er sie nicht unterbrochen, »dann und erst dann wirst du die verurteilen, die schuldhaft gehandelt haben. Ich mochte aber, da? Leute frei in die Abtei kommen und sie frei wieder verlassen konnen, wenn sie in der Angelegenheit, die wir untersuchen, nicht schuldig sind.«

Es herrschte Schweigen, wahrend Sigeric ihren Vorschlag uberdachte.

»Du stellst mir eine Falle, Fidelma«, sagte er schlie?lich. »Du deutest damit an, da? du Leute vorladen wirst, die moglicherweise anderer Verbrechen schuldig sind.«

»Schuldig keiner Verbrechen, von denen ich wei?, aber vielleicht schuldig in deinen Augen«, erklarte sie.

»Wer zum Beispiel?«

»Ich denke an Aldhere.«

Sigeric staunte. »Der fruhere Than von Bretta’s Ham? Der Geachtete? Den wurdest du hierher vorladen? Er ist schuldig genug, um fur seine anderen Taten gehangt zu werden.«

»Trotzdem brauche ich ihn hier, und zwar mit freiem Geleit. Ihn und seine Frau Bertha.«

Wieder zogerte Sigeric. Es war klar, da? es ihm widerstrebte, die Entscheidung zu treffen, die er treffen mu?te. Schlie?lich hob er leicht resignierend die Arme.

»Du hast mein Wort. Ich nehme deine Bedingungen an.«

»Naturlich mussen wir auch Gadra und seine Gefolgsleute ersuchen, hier zu erscheinen. Das ist ganz wesentlich. Dein Konig sieht sie vielleicht nicht gern in seinem Reich. Doch sie sind nun einmal hier, und sie mussen ebenfalls mit freiem Geleit kommen und gehen konnen.«

»Mochtest du noch jemanden einladen? Vielleicht Si-gehere von den Ost-Sachsen? Oder Wulfhere von Mer- cia?« fragte Sigeric spottisch. »Ich vermute, das freie Geleit erstreckt sich auf alle, die irgendwie schuldig sind.«

»Ich mu? jedem sagen konnen, da? er frei herkommen kann, doch wenn ihm Mord oder verraterische Verschworung gegen dieses Konigreich nachgewiesen wird, da? er dann nicht frei gehen kann. Wer unter dieser Bedingung die Reise nicht antritt und lieber wegbleibt, dessen Abwesenheit kann gegen ihn ausgelegt werden.«

Sigeric kniff einen Moment die Augen zusammen und brach plotzlich in ein Gelachter aus.

»Bei Wotans Schwert, du bist eine kluge Frau, Fidelma . Es tut mir leid, da? ich nicht fruher auf dich gehort habe.«

»Habe ich deine Zustimmung dafur?«

»Die hast du.«

»Dann brauche ich Reiter, die Aldhere und Gadra aufsuchen.«

Sie blickte in das dustere Gesicht des Apothekers, der sich im Hintergrund hielt, und rief ihn heran.

»Bruder Higbald, ich mochte, da? du mit Bruder Laisres Mann drau?en vor der Abtei Verbindung aufnimmst ...«

Dem Apotheker sank die Kinnlade herunter.

»Das wei?t du?« keuchte er.

»Ich wei?, da? du gegen deinen Willen der Verbindungsmann zu Gadra, Garb und Bruder Laisre bist. Ich brauche sie morgen mittag hier in der Kapelle. Sag ihnen, da? ich ihnen freies Geleit zusichere.«

Bruder Higbald zogerte noch.

Sigeric hatte zweifellos viele Fragen, doch er machte nur eine ungeduldige Geste.

»Tu, was sie sagt. Du kannst noch meine Garantie fur Schwester Fidelmas Geleit hinzufugen.«

»Wenn wir jetzt noch Mul finden konnten ...«, uberlegte Fidelma, wahrend der Apotheker davoneilte.

»Den Bauern Mul? Den sie hier den verruckten Mul nennen?«

Uberrascht wandte sich Fidelma zu Sigeric um. »Kennst du ihn?«

»Meine Manner haben ihn in der Abenddammerung aufgegriffen, als er sich Eingang in die Abtei verschaffen wollte. Ich werde ihn sofort freilassen.«

Fidelma sah Eadulf erstaunt an.

Sigeric lachelte. »Als er bis zur verabredeten Zeit in der Schmiede nichts von euch horte, befurchtete er, da? euch etwas zugesto?en sei, und versuchte, in die Abtei zu gelangen und euch zu befreien. Ein tollkuhner Mensch, aber offensichtlich einer, der euch treu ergeben ist. Ihr konnt ihm sagen, wie er sich weiter verhalten soll.«

»Da? Mul herkam, ist ein Glucksfall«, meinte auch Fidelma. »Morgen mittag konnen wir alle Beteiligten hier in der Kapelle versammeln und ein merkwurdiges Geheimnis entratseln. Doch zuvor mochte ich dir gern noch eine Frage stellen.«

Der Alte lachte kurz auf.

»Wie konnte ich dir das jetzt noch verweigern? Frag nur, Fidelma.«

»Zu welchem Zweck bist du in die Abtei gekommen? Was bringt den Oberhofmeister in diese entlegene Ecke des Konigreichs?«

Sigeric schmunzelte. »Eine gute Frage und eine, die ich erwartet hatte.«

»Erhalt sie auch eine Antwort?«

»Ja. Ich kam her, weil Bruder Botulf an Konig Ealdwulf appelliert hatte, uber Aldheres Achtung erneut zu verhandeln.«

»Und sollte es eine neue Verhandlung geben?«

Sigeric schuttelte den Kopf. »Es sollte bei dem ersten Urteil bleiben. Au?erdem gab es noch Beschwerden von Abt Cild, der Than von Bretta’s Ham werden wollte.«

»Und was solltest du ihm sagen?« fragte Fidelma.

»Ich sollte Cild raten, sich mit dem Spruch seines Konigs abzufinden. Konig Ealdwulf wurden seine Beschwerden lastig.«

»Er hatte das ursprungliche Urteil des Konigs nicht annehmen wollen«, erinnerte ihn Eadulf. »Warum sollte er das jetzt tun?«

»Das hat moglicherweise den Teufel in ihm geweckt.« Sigeric uberlegte einen Augenblick. »Ich bin kein Christ, aber ich bin alt genug, um zu erkennen, wenn der Teufel in einem Menschen steckt. Ich glaube, der Konig hat einen Fehler gemacht, als er ihn als Abt dieser Abtei bestatigte. Ich werde ihn nach meiner Ruckkehr ersuchen, die Angelegenheit mit seinem Bischof zu besprechen. Cild ist fur dieses Amt hier nicht geeignet.«

»Es erscheint mir eigenartig, da? der Konig seinen Oberhofmeister den ganzen weiten Weg hierher schickt, nur um das festzustellen«, bemerkte Eadulf. »Dafur hatte auch ein Abgesandter niederen Ranges genugt.«

Sigeric lachelte ihm zu, und seine hellen Augen funkelten.

»Du beobachtest gut, Eadulf. Das war nicht der einzige Grund, weshalb ich hergeschickt wurde. Nun gut, ich werde es euch sagen. Bruder Botulf war vielleicht im Irrtum, als er sich fur Aldhere einsetzte, aber er war ein guter Mann. Er hatte berichtet, da? es in den letzten Monaten in wachsender Zahl Uberfalle durch Kriegerbanden gegeben hatte, die seiner Ansicht nicht Aldhere anzulasten waren. Er glaubte, da? Cild dafur verantwortlich sei, aber er konnte es nicht beweisen. Ich kam her, um das zu untersuchen.«

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