gehabt und erkannte ihn sofort.

»Das ist der Gasgeruch von verwesenden Leichen«, gestand er.

Fidelma sah Mul an. »Was meinst du, Mul? Hat er recht?«

Der Bauer schien verwirrt von ihren Reden.

»Es gibt hier genugend Stoff fur den Feuerdrachen«, sagte er. »Und eure scharfen Augen hatten auch schon die Flamme erkennen konnen. Sehr ihr?«

Er zeigte nach vorn.

Ein Stuck entfernt sahen sie ein eigenartiges Schimmern vor dem Hintergrund des wei?en Schnees, wie aufsteigende Hitzewellen. Genau das war es auch.

»Wenn ihr dort die Hand hineinhalten konntet«, bemerkte Mul, »wurdet ihr euch verbrennen. Das ist eine Flamme, aber sie ist so schwach, da? ihr sie erst erkennen konnt, wenn es Nacht wird, und dann seht ihr das unheimliche blaue Licht, das die Leute Leichenfeuer nennen.«

Fidelma atmete tief aus.

»Also dieses Licht brennt bei Tage und bei Nacht, aber wir sehen es erst richtig, wenn es dunkel genug ist, um den Kontrast zu bilden?«

»Genauso ist es.«

Eadulf stand auf und blickte sich um, die Hande in die Huften gestemmt.

»Ich verstehe deine Uberlegungen, Fidelma. Aber eine Erklarung steht noch aus.«

»Namlich welche?« fragte Fidelma.

»Gestern abend hast du mir gesagt, du meintest, die Gestalt, die wir bemerkten, sei keine Geistererscheinung, sondern eine wirkliche Frau. Jetzt hast du bewiesen, da? der Feuerdrache einfach eine Naturerscheinung ist. Na schon. Aber wie erklarst du es, da? wir nicht nur den Feuerdrachen sahen, sondern da? auch die Umrisse der Frau gluhten? Da? sie - und nicht nur der Feuerdrache - einen solchen geisterhaften Anblick bot? Das war es namlich, was Abt Cild und seinen Mannern so einen Schrecken einjagte, und nichts anderes.«

Auch Fidelma hatte sich erhoben und ging zuruck zu ihrem Pony. Sie streichelte ihm das Maul, bevor sie antwortete.

»Vor ein paar Jahren, Eadulf, es war auch mitten im Winter wie jetzt, war ich auf meinem Heimweg nach Cashel. Ich kam uber die tief verschneiten Berge und mu?te eine Nacht in einem Gasthaus verbringen. Der Gastwirt und seine Frau glaubten, sie wurden von einem Geist verfolgt. Sie hatten etwas Ahnliches gesehen. Es stellte sich heraus, da? jemand versuchte, ihnen Angst einzujagen. Auch dieser Mensch konnte sich mit einer seltsamen gluhenden Ausstrahlung umgeben.«

»Wie denn?« fragte Eadulf. »Wie macht man so etwas?«

»In meinem Land gibt es einen gelben, dem Ton ahnlichen Stoff, von dem ein merkwurdiges Leuchten ausgeht. Er wird von Hohlenwanden abgekratzt. Bei uns hei?t er mearnail. Er gluht in der Dunkelheit. Ich wei? nicht, wie man ihn hier nennt. Aber ich glaube, die Frau, die hierherkam, hatte ihn auf ihre Kleidung gestrichen, und da die flackernde Flamme des Feuerdrachens vor ihr brannte, wurde ihr Licht von dem Ton, mit dem sie sich beschmiert hatte, zuruckgeworfen, und dadurch erblickten wir das geisterhafte Bild.«

Eadulf spitzte die Lippen zu einem lautlosen Pfiff.

»Du meinst, da? Cild >von Geistern verfolgt< wird, dient irgendeiner Verschworung?«

»Das denke ich.«

»Und Botulf wu?te davon? Er hatte herausgefunden, was dahinter steckte? Das hat zu seinem Tode gefuhrt?«

»Es dauert noch ein bi?chen, bis wir das klar uberblicken«, wehrte Fidelma ab.

Mul hatte ihnen mit einer Miene zugehort, die sein volliges Unverstandnis verriet. Fidelma wandte sich lachelnd an ihn.

»Du warst uns eine gro?e Hilfe, Mul. Es konnte sein, da? wir dir zur Belohnung eine gro?ere Summe verschaffen konnen als die paar Munzen, die wir dir geben konnten. Wenn meine Auffassung sich als richtig erweist, wird auch der Mord an deiner Frau und deinen Kindern gesuhnt.«

Mul schenkte ihr ein dusteres Lacheln.

»Um der Rache fur meine Familie willen bin ich bereit, das wenige, was ich in der Welt besitze, restlos herzugeben«, sagte er ruhig.

»Dann mochte ich dich bitten, uns noch einen Gefallen zu tun, Mul. Wir wollen zur Abtei und diesen Herrn aufsuchen, diesen . « Sie sah Eadulf fragend an.

»Lord Sigeric«, erganzte er.

»Sigeric. Er ist gestern zur Abtei gefahren, und falls Bruder Eadulf richtig vermutet, ist er der einzige, der uns helfen kann. Wenn er dazu bereit ist, brauchen wir noch einmal deine Unterstutzung. Gibt es irgendwo in der Nahe der Abtei einen Ort, wo du warten kannst, bis wir dich benachrichtigen?«

»Ja«, stimmte er zu. »Dicht sudlich der Brucke steht eine Schmiede. Da warte ich auf ein Wort von euch. Wenn es darum geht, Cild zu verderben, warte ich bis zum Weltuntergang. Dort findet ihr mich.«

Fidelma blickte zum Himmel auf. Es gab noch keine Sonne, an deren Stand man die Tageszeit ablesen konnte, aber sie schatzte, da? es nur noch zwei Stunden bis zum Mittag waren.

»Wenn du bis Mitte des Nachmittags nichts von uns gehort hast, kannst du davon ausgehen, da? wir Sigeric nicht uberreden konnten, uns zu helfen.« Sie hielt inne und verzog das Gesicht. »Und jetzt, Mul, kannst du uns aus diesem Sumpf herausfuhren und uns auf den richtigen Weg zur Abtei bringen.«

Wahrend Mul ein wenig spater in Richtung auf die Brucke weiterritt, bogen Fidelma und Eadulf ab durch den Wald hinter den Abteigebauden. Sie fanden den Weg, den sie bei ihrer Flucht aus der Abtei benutzt hatten, und entdeckten nun ein Waldchen, in dem sie ihre Ponys lie?en, angebunden fur den Fall, da? sie sie schnell brauchten.

Eadulf ging voran zu dem Eingang des unterirdischen Ganges. Er erinnerte sich besser an den Weg als Fidelma, die noch krank gewesen war, als sie die Abtei auf diese Weise verlie?en. Der Eingang war von immergrunen Pflanzen uberwachsen, doch Eadulf fand ihn ohne gro?e Muhe.

Fidelma war uberrascht, als Eadulf drau?en stehenblieb und aus seinem Tragebeutel eine Kerze hervorholte, die er mit Hilfe seines Feuersteins und Zunders anzundete. Er schaute auf und lachelte.

»Ich hatte das Gefuhl, da? wir vielleicht durch diesen Gang zuruckkehren wurden, deshalb nutzte ich die Gelegenheit, mir in Muls Bauernhaus eine Kerze einzustecken.«

Er schob sich in den feuchten und kalten Gang hin-ein. Schon nach wenigen Schritten hullte sie eine bedruckende Dunkelheit ein. Die Kerze gab nicht viel Licht, und das war so flackernd und unsicher, da? man nicht weit sehen konnte.

»Merkwurdig«, sagte Fidelma nach einer Weile. »Ich dachte, wir kamen bald zu dem Raum voller Waffen. Den wollte ich mir noch einmal anschauen.«

»Wir sind an ein paar dunklen Eingangen vorbeigegangen«, antwortete Eadulf vor ihr. »Vielleicht hat man das Licht in dem Raum geloscht, und wir sind schon daran vorbei.«

Fidelma gestand ein, da? diese Vermutung wahrscheinlich richtig war.

»Findest du den Weg zuruck zum Gastezimmer? Ich denke, dort konnten wir Sigeric antreffen.«

Eadulf beantwortete ihre Frage mit einem Brummen. Er schritt langsam weiter und versuchte, sich an die Abzweigungen, die sie benutzt hatten, in umgekehrter Reihenfolge zu erinnern. Als er kurz darauf um eine Ecke bog, sah er vor sich einen schwachen Lichtschein, der durch ein hangendes Tuch fiel. Es war ein Wandvorhang.

Er blieb stehen und flusterte Fidelma zu: »Ich glaube, wir kommen zu dem Gastezimmer, in dem wir waren. Es ist wahrscheinlich hinter dem Wandvorhang.«

»Das hast du gut gemacht, Eadulf«, sagte sie und trat zu ihm.

Er hielt sie am Arm zuruck.

»Als wir das Zimmer verlie?en«, flusterte er, »habe ich die Tur hinter dem Wandvorhang geschlossen, das wei? ich noch. Jemand mu? sie geoffnet haben.«

Sie lie? sich nicht beunruhigen. »Sicherlich hat Bruder Higbald den Fluchtweg gepruft, als wir fort waren.«

»Vielleicht«, erwiderte er zogernd.

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