zum Opfer gefallen.

Aldhere und seine Manner hatten ihre Schilde aus den Haltern genommen und hielten ihre Schwerter in der Hand. Sie spahten aufgeregt in den Wald.

Ein paar Schritte weiter stie?en sie auf den Leichnam Wiglafs. Ein Pfeil hatte seine Kehle durchbohrt, ein anderer war unter dem Brustbein eingedrungen. Eadulf schaute auf ihn herab und seufzte traurig.

»Wer zum Hangen geboren ist, ertrinkt nicht«, flusterte er.

Fidelma sah ihn verwundert an. Eadulf erklarte achselzuckend: »Das war sein Wahlspruch.«

»He!«

Sie wandten sich zu einem der Manner Aldheres um, der abgestiegen war und einen der Posten untersuchte.

»Dieser Mann lebt noch, Than von Bretta’s Ham«, rief er.

Sie scharten sich um ihn.

»Ich verstehe etwas von Medizin. La?t mich durch«, sagte Eadulf und schob sich nach vorn. Doch nach einem raschen Blick auf die Pfeilwunden wandte er sich mit kurzem Kopfschutteln ab. Dem Verletzten war nicht mehr zu helfen.

»Wer hat das getan?« fragte Aldhere leise und beugte sich uber ihn. »Hast du gesehen, wer es war?«

Der Sterbende schaute auf, doch seine Augen waren blicklos, er nahm die Umstehenden nicht mehr wahr. Seine Lippen waren trocken und blutig. Sie zitterten leicht, aber es kam kein Laut.

»Wer war das?« rief Aldhere und neigte sich tief zum Mund des Mannes. »Sprich. Versuch zu sprechen.«

Die Lippen zitterten wieder.

»Der ... der Abt ...«

Mit einem Seufzer fiel der Mann zuruck.

Aldhere stand auf, und sein Gesicht war voller Zorn.

»Cild!« murmelte er.

»Lord!« rief einer seiner Manner, der die anderen Leichen untersucht hatte. Er kam herbei und hielt ihnen etwas hin.

Aldhere nahm den Gegenstand in die Hand, drehte ihn hin und her und zeigte ihn dann Fidelma und Eadulf.

»Es gibt keinen Zweifel mehr«, sagte er leise.

Der Gegenstand war ein Kruzifix an einem Lederriemen, der durchgerissen war.

»Cild ist verantwortlich fur diese Schandtat.«

Fidelma war uberrascht von der Bitterkeit in seiner Stimme.

»Der Ha? zwischen dir und deinem Bruder scheint sehr tief zu gehen. Tiefer, als du es mir gesagt hast, glaube ich.«

Aldhere kniff die Augen zusammen. »Wie meinst du das?«

»Ich meine die Tatsache, da? Abt Cild seine Monche bewaffnet hinausfuhrt, um dich und deine Gefolgsleute anzugreifen. Er hat keine Hemmungen, deine Manner zu toten. Du hast mir erklart, die Feindschaft sei entstanden, weil dein Vater ihn zu deinen Gunsten enterbt hat. Es fallt mir schwer, zu begreifen, da? er nur deshalb einen Ha? empfindet, der ihn zu solchen Taten treibt.«

Aldheres Miene war duster.

»Du kennst die ganze Abgrundigkeit der Seele meines Bruders nicht, Schwester. Einer Seele, die von schwarzem Ha? gegen alle Menschen erfullt ist.« Er wies auf die Leichen im Wald. »Brauchst du noch weitere Beweise fur seinen ublen Charakter?«

Er wandte sich um und erteilte die Befehle an seine Manner fur den Transport der Leichname zum Lager.

»Was habt ihr jetzt vor?« wollte er dann von Fidelma und Eadulf wissen. »Wollt ihr im Schutz meines Lagers bleiben?«

»Wir konnen nicht viel tun«, murmelte Fidelma kopfschuttelnd. »Wiglaf hat als letzter mit Botulf gesprochen, und Botulf war wahrscheinlich der einzige, durch den wir hatten erfahren konnen, was wirklich in Aldreds Abtei vor sich geht. Wir werden Weiterreisen. Es hat wenig Zweck, wenn wir hier bei dir bleiben.«

»Hei?t das, ihr kehrt nach Canterbury zuruck?« fragte Aldhere uberrascht.

»Vielleicht«, antwortete Fidelma knapp.

Sie bestiegen ihre Ponys und verlie?en Aldhere und seine Manner, die sich an ihre traurige Arbeit machten.

Als sie ein Stuck geritten waren, sagte Eadulf: »Ich kenne dich, Fidelma. Du willst bestimmt nicht jetzt schon nach Canterbury zuruck.«

Fidelma verzog das Gesicht.

»Naturlich nicht.« Sie schmunzelte.

»Also willst du doch wieder zur Abtei? Auch nach diesem Beispiel von Cilds Grausamkeit?«

»Hast du jemals daran gezweifelt?«

Eadulf schwieg einen Moment, dann zuckte er die Achseln. »Ich glaube nicht.« Nach kurzem Zogern fugte er hinzu: »Willst du tatsachlich Lord Sigeric um Unterstutzung ersuchen?«

»Es scheint, als ware das unsere einzige Hoffnung, das troscud zu verhindern. Wenn wir nicht feststellen konnen, was mit Gelgeis und Botulf geschah, mussen wir einen anderen Weg finden, Gadra von seinem rituellen Fasten abzubringen.«

»Waren die Folgen wirklich so schlimm, wie du sagtest?«

Fidelma sah ihn an, und er las die Antwort in ihrem Gesicht.

»Wenn es nicht so ware«, erwiderte sie, »dann ware ich jetzt unterwegs zum nachsten Hafen, um ein Schiff nach Hause zu suchen und nicht eine Stunde langer in dieser Wildnis voller Ha? und Krieg zu bleiben.«

Bei der Scharfe ihrer Worte zuckte Eadulf zusammen. Sie spurte seine Reaktion und empfand sofort Reue.

»Es hatte keinen Zweck, wenn ich so tate, als gefiele mir dieses Land mit seinen Brauchen, Eadulf. Mir erscheint es als ein Ort von heftiger und unbeherrschter Natur. Ein Ort extremer Gegensatze, aggressiv, hochfahrend und ohne Rucksicht auf andere.«

Eadulf sah schockiert aus. »Du hast doch kaum genug davon gesehen, da? du zu solch einer Folgerung kommen konntest.«

»Wirklich nicht?«

»Dies ist mein Volk, Fidelma. Ja, es entstammt einer Tradition, in der das Schwert eher regiert als der Pflug, aber ich wei?, da? mein Volk aufrichtig ist, begabt und zur Fuhrerschaft bei gefahrlichen Unternehmungen befahigt. Wir sind ein streitbares Volk, das stimmt, aber wir konnen uns auch fur unsere Religion und unsere Politik begeistern und sind immer entschlossen.«

Fidelma schaute ihn belustigt an.

»Du verteidigst dein Volk mit Hingabe, Eadulf.« Sie lachelte.

»Ich furchte, du tust ihm unrecht.«

»Ich mu? es so beurteilen, wie ich es vorfinde.«

»Beurteilen nach Leuten wie Cild und Aldhere? Sie sind nicht typisch fur mein Volk.«

»An ihnen richte ich mein Denken nicht aus. Ich beobachte eure Brauche und eure Rechtsprechung. Im ganzen erscheint euer Volk ungestum und unerfahren in zivilisierter Lebensweise. Vielleicht mu?te die Neigung zur Fuhrerschaft, von der du sprachst, ausgeglichen werden durch das Streben der einzelnen Menschen nach einem hoheren Stand.«

Eadulf errotete vor Arger.

»Ich meine, das ist deiner nicht wurdig, Fidelma«, sagte er argerlich. »In deinem eigenen Land gibt es auch Krieg, Mord, Ha? und Eifersucht, trotzdem verurteilst du es nicht als barbarisch.«

»Weil wir ein Rechtssystem und ein Sozialsystem entwickelt haben, in dem solche Dinge nicht zur normalen Lebensweise gehoren. Ich furchte, da? in deinem Land, Eadulf, selbst die Gesetze von der Brutalitat des Lebens gepragt sind.«

Eadulf antwortete nicht. Es war klar, da? er zutiefst verletzt war. Fidelma unterdruckte einen argerlichen Seufzer, als sie merkte, zu welchem Zorn sie ihn gereizt hatte. Doch sie wu?te, da? seine Erregung zwar rasch

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