»Die Nachricht kam einen Tag, nachdem sie sich im Moor verirrt hatte.«

»Fuhrte ihr Weg zu dir durch das Moor? Durch diese Stelle, die Hob’s Mire genannt wird?«

»Eigentlich nicht. Wenn sie mich sehen wollte, trafen wir uns gewohnlich in dem Waldchen nahe der Abtei. Ich wei?, was du denkst. Sie kannte das Moor.«

»Kannte sie es gut?«

Aldhere sah sie forschend an.

»Ich wurde sagen, sie kannte es sehr gut«, sagte er schlie?lich.

»Wu?te sie, wie gefahrlich Hob’s Mire ist?«

»Das wissen die meisten Leute. Es ist beruchtigt.« Er zogerte und schien zu ahnen, da? sie eine genauere Antwort erwartete, denn er fugte hinzu: »Ja, sie wu?te davon.«

»Weshalb nimmst du also an, da? sie von dem bekannten und sicheren Weg abwich und durchs Moor ging?«

»Das nehme ich nicht an, und ich wei?, was du andeuten willst.«

»Andeuten? Ich suche nur die Antworten auf bestimmte Fragen. Ich finde es einfach seltsam, da? sie zwar die Gefahren des Moors gekannt, aber bei dieser einen Gelegenheit einen anderen Weg genommen und sie geradezu gesucht haben soll.«

Aldhere schwieg.

»Hast du nicht versucht, Genaueres zu erfahren, als du von ihrem Tod hortest?« fragte Fidelma.

»Sie war tot. Warum mu?te ich wissen, aus welchem Grunde sie sich ins Moor verirrt hatte?«

»Um festzustellen, ob ihr jemand dabei geholfen hat, sich im Moor zu verirren.«

Aldhere schwieg eine Weile, bevor er antwortete.

»Der Gedanke kam mir erst Monate danach, als es zu spat war. Ich habe dann kaum noch daran gedacht bis neulich, als der heilige gerefa hier aus dem Moor herauswanderte und vor dem Uberfall der OstSachsen gerettet werden mu?te. Er erzahlte mir, da? Gelgeis’ Vater und Bruder hergekommen sind, in dem vergeblichen Versuch, Cild zu zwingen, den Mord an ihr zu gestehen. Ich habe ihm gesagt, und ich sage es heute zu dir, Schwester, da? das aussichtslos ist. Nur Cilds Gewissen konnte ihn zwingen, seine Schuld zu bekennen - wenn er denn schuldig ist -, und Tatsache ist, da? mein Bruder kein Gewissen besitzt. Also besteht kaum Hoffnung, auf diesem Wege etwas zu erreichen.«

Fidelma seufzte leise. »Geruchte, Vermutungen -ich habe noch nicht eine handfeste Tatsache, um die Tragodie abzuwenden, die uns bald ereilen wird.« Plotzlich sah sie Aldhere fest in die Augen. »Hast du Mella einmal kennengelernt?«

Die Augen des Geachteten weiteten sich leicht.

»Mella?« murmelte er.

»Gelgeis’ Zwillingsschwester. Sie glichen sich so, da? nur die engsten Familienmitglieder sie auseinanderhalten konnten.«

»Naturlich nicht. Warum fragst du, ob ich sie kenne?«

»Sie versuchte, Gelgeis die Heirat mit Cild auszureden. Es hie?, sie sei in dieses Land gebracht worden.«

»Aber Mella ...«, begann Aldhere. Dann hielt er jah inne.

»Ja? Mella ... Was?« fuhr ihn Fidelma an.

»Mella wurde von Sklavenjagern gefangen und kam auf See um.«

»Woher wei?t du das?«

Aldhere hob hilflos die Hande. »Das mu? mir Gelgeis erzahlt haben.«

»Aber das ereignete sich, nachdem Gelgeis ins Land des Sudvolks kam. Woher wu?te sie das?«

»Keine Ahnung. Sie hat es mir erzahlt. Sie wu?te es eben.«

»Wann hat sie es dir erzahlt?«

»Daran erinnere ich mich nicht. Vermutlich auf einem unserer Spaziergange.«

»Was hat sie genau gesagt?«

»Uber Mella?« konterte Aldhere.

»Uber Mella«, wiederholte Fidelma fest.

»Da? ihre Schwester, so wurde ihr berichtet, von Sklavenjagern gefangen wurde und da? deren Schiff auf See unterging. Mehr wei? ich auch nicht.«

Es war deutlich, da? Aldhere log. Doch warum tat er das?

Er stand auf.

»Genug geredet«, sagte er brusk. »Ich habe Pflichten, denen ich nachkommen mu?. Bleibt hier und ruht euch aus, bis ich zuruck bin.«

Er ging hinaus, und sie sa?en nun allein in der Hutte.

Eadulf wandte sich zu Fidelma um, doch sie hob die Hand und legte den Finger an die Lippen, wahrend sie mit dem Kopf auf die Tur wies.

»Erzahl mir mehr von diesem Sigeric«, befahl sie mit etwas erhobener Stimme.

Eadulf war enttauscht.

»Wie gesagt, er ist Oberhofmeister des Konigs und war es zuvor schon bei Konig Athelwold. Er soll ein unehelicher Sohn Ricberts sein, der hier ungefahr drei Jahre lang herrschte. Ricbert war Heide und ermordete Eorpwald, der zum Christentum ubergetreten war.«

Fidelma hob protestierend die Hande.

»Wahrhaftig, diese angelsachsischen Namen kann ich nicht richtig uber die Zunge bringen. Du sagst, Si- geric ist Oberhofmeister? Ist er denn Bischof?«

»Nein, er ist immer noch Heide. Unsere Konige haben in ihm einen hervorragenden Berater und Oberrichter gefunden. Niemand kennt die Gesetze der Wuffingas besser als er. Das sind die Gesetze, die hier gelten .«

»Das habe ich schon begriffen«, sagte Fidelma spitz. Dann entspannte sie sich etwas. »Was mich interessiert, ist folgendes: Warum wird Sigeric, euer oberster Brehon, in Aldreds Abtei geschickt? Soll er wirklich die Begnadigung Aldheres verkunden, oder gibt es einen anderen Grund?«

Eadulf erkannte, worauf Fidelma hinauswollte.

»Meinst du, es hat etwas mit der Beschuldigung Cilds zu tun? Vielleicht haben Gadra oder sein Sohn sich an ihn gewandt. Ob Sigeric wohl hier ist, um dieselbe Tragodie abzuwenden, die du verhindern willst?«

»Ich wunschte, ich konnte das glauben«, sagte Fidelma . »Ich kann mir nicht vorstellen, da? euer Konig Ealdwulf eine Ahnung von den Problemen hat, die aus dem troscud Gadras entstehen wurden. Doch was ist seine Absicht? Zu argerlich, da? die Antwort auf diese Frage dahinten in Aldreds Abtei liegt.«

Kapitel 15

Eadulf schaute sie beunruhigt an.

»Willst du im Ernst in die Abtei zuruckkehren? Die Idee ist absurd.«

Fidelma setzte eine gleichgultige Miene auf.

»Dann nenn mir eine andere Methode, die Wahrheit herauszubekommen, als diese Ruckkehr. In Aldreds Abtei laufen alle Faden zusammen. Es konnte eine Fugung Gottes sein, da? dieser Anwalt oder Richter deines Volkes dorthin gefahren ist. Wenn er ein ehrlicher Mensch ist, kann er unsere Rettung bedeuten.«

»Doch wenn er es vorzieht, sich auf die Seite von Abt Cild zu stellen, was wird dann aus uns?« wandte Eadulf ein.

»Wenigstens einen Vorteil haben wir: Wir konnen in die Abtei gelangen, ohne da? uns jemand bemerkt, und vielleicht kommen wir bis zu den Gastezimmern durch und finden diesen alten Richter, bevor Abt Cild davon erfahrt.«

»Das ist ein ziemlich verzweifeltes Vorgehen«, meinte Eadulf. »Hochstwahrscheinlich wurden wir von Cild oder sogar von Sigerics Leibwache abgefangen, und dann konnten wir uns nicht helfen, geschweige denn anderen helfen oder das Ratsel losen.«

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