Aldhere schnaubte verachtlich. »Meine Mutter starb, als wir noch klein waren, und die Geliebten meines Vaters hatten nichts mit unserem Leben zu tun. Wir blieben uns selbst uberlassen, und Cild hatte seine eigene Welt, in die er sich zuruckzog. Doch warum stellst du diese Fragen?«
»Ich wei? nicht recht, wann Cild aus dem Konigreich Connacht zuruckkehrte. War das vor deiner Achtung oder danach?«
»Vorher.«
»Ging er nach Bretta’s Ham, als er aus Maigh Eo ankam?«
»Nein. Er nahm den geraden Weg zur Abtei Al-dreds. Er hatte es erreicht, da? er zum dortigen Abt ernannt wurde.«
»Er brachte seine Frau mit?«
»Ja. Sie war keine Nonne, aber sie wohnte dort mit ihm.«
»Wann hast du sie kennengelernt?« fragte Fidelma.
»Das habe ich dem
»Erzahl’s auch mir.«
»Das war, als ich zum erstenmal zur Abtei ging. Danach war es klar, da? mein Bruder und ich uns nie einigen wurden. Dann sah ich sie wieder, nachdem ich bereits geachtet war.«
»Welche Meinung hattest du von seiner Frau?«
Aldhere rieb sich nachdenklich das Kinn. »Wie ich dem
»Das klingt so, als ob du das Madchen mochtest«, bemerkte Fidelma.
Aldhere errotete leicht. »Sie war mir nicht unsympathisch. Sie war Cilds Ehefrau. Sie suchte mich hier in diesem Lager nur deshalb auf, weil ich der Bruder ihres Gatten war. Sie wollte helfen.«
»Sag mir noch mal, was geschah, nachdem du geachtet wurdest?«
»Cild erhob Anspruch auf meinen Titel und meinen Landbesitz. Ealdwulf entschadigte ihn nur mit einem kleinen Anteil und erklarte ihm, er solle Geistlicher bleiben. Er bestatigte Cild als Abt der Gemeinschaft in Aldred. Ich glaube, Ealdwulf ahnte schon, welche Entscheidung in Whitby fallen wurde, denn sofort nach dem Beschlu? erlie? er ein Dekret, durch das alle Monche und Nonnen, die der Regel Columbans folgten, aus seinem Konigreich verwiesen wurden.«
»Und doch lebten zu dieser Zeit Cild und Gelgeis glucklich zusammen in Aldreds Abtei?«
»Glucklich?« fragte Aldhere verachtlich.
»Du bezweifelst das?«
»So ein unschuldiges junges Madchen konnte nicht mit Cild glucklich werden«, erwiderte er scharf.
»Da konntest du wohl recht haben. Andererseits ist es erstaunlich, wie viele Ehepaare, die nach unserer Meinung schlecht zusammenpassen, sehr gut miteinander auskommen«, uberlegte Fidelma laut. »Mich interessiert mehr, ob du einen Grund fur einen Zwist zwischen ihnen wei?t? Ich meine, nach deiner personlichen Kenntnis.«
Aldhere lehnte sich zuruck und starrte duster in seinen Met, als lage die Antwort auf dem Grund des Tonbechers.
»Ich hatte den Eindruck, sie sei unglucklich«, erklarte er.
»Hat sie dir das auch gesagt?« forschte Fidelma.
»Ja, das hat sie.«
»Wann war das?«
»Als ich ihr begegnete.«
Fidelma runzelte die Stirn. »Das hat sie dir bei der ersten Begegnung in der Abtei gesagt, bevor du geachtet wurdest?«
Er schuttelte den Kopf. »Nein, das war spater, als . . .«
»Wie oft hast du sie getroffen, nachdem du hierher kamst?«
»Ich traf sie ein paarmal, denn sie ging nahe der Abtei spazieren. Der Flu? ist nicht weit entfernt, und dort gibt es Walder.«
»Was hat sie dir erzahlt?«
»Da? Cild seit der Zeit, als er seinen Anspruch auf den Titel des Thans von Bretta’s Ham nicht durchsetzen konnte, murrisch und unzufrieden geworden sei. Er zeigte eine Grausamkeit, die sie bei einem Menschen, der ein religioses Leben zu fuhren behauptete, nicht fur moglich gehalten hatte.«
»Hat sie gesagt, da? Cild auch zu ihr grausam war?«
Aldheres Mund wurde schmal. »Ja.«
»Was meinst du, weshalb sie dir das alles gestanden hat?« fragte Eadulf nachdenklich. »Schlie?lich warst du ein Fremder fur sie, wenn auch Cilds Bruder. Und gerade die Tatsache, da? du Cilds Bruder bist, war doch sicher dem Austausch von vertraulichen Mitteilungen nicht forderlich.«
»Weshalb sollte sie sich mir nicht anvertrauen? Sie wu?te, da? Cild mich ebenso grausam behandelt hatte, wie er sie behandelte. Sie war allein. Sie wollte sich bei jemandem aussprechen, mit jemandem ihre Trostlosigkeit teilen. Ich finde, das ist naturlich.«
»Was wei?t du uber die Umstande von Gelgeis’ Tod?«
Aldhere sah sie mi?trauisch an. »Was sollte ich daruber wissen?«
»Ich frage dich, was du wei?t, nicht, was du wissen solltest.« Ihre Erwiderung war so schroff, da? er uberrascht blinzelte.
»Nur die Geschichte, da? sie in Hob’s Mire nahe der Abtei geriet und von dem tuckischen Moor hinabgesogen wurde«, sagte er und gewann seine lockere Haltung zuruck.
»Und das war vor einem Jahr?«
»Ja, so ungefahr.«
»Wann hast du Gelgeis davor zum letztenmal gesehen?«
»Zwei Tage, bevor sie starb«, antwortete Aldhere.
»Zwei Tage?« forschte Fidelma. »Bist du absolut sicher?«
Aldhere lachelte. »Absolut sicher.«
»Hattest du eine Affare mit der Frau deines Bruders?« fragte Fidelma unvermittelt.
»Eine Affare? Nicht so richtig«, kam die zogernde Antwort.
Fidelma lachelte zweifelnd. »Wie wurdest du dein Verhaltnis zur Frau deines Bruders dann beschreiben? Ich bin gespannt, welches Verhaltnis als eine nicht so richtige Affare bezeichnet werden kann.«
Aldhere sah einen Moment verlegen aus. Er merkte, da? Fidelma sich uber ihn lustig machte.
»Ich war der Freund, den sie brauchte, dem sie ihre Angste und Befurchtungen gestehen konnte. Sonst war weiter nichts dabei.«
»Nehmen wir das an«, stimmte ihm Fidelma zu. »Du sagst, du hattest eine Verabredung mit ihr zwei Tage, bevor sie starb?«
»Wir hatten vereinbart, uns zu treffen - ja. Wir trafen uns im Wald am Flu? nahe der Abtei. Wir gingen spazieren, und sie erzahlte mir, wie schlimm das Verhaltnis zu Cild geworden war. Sie hatte Verbindung mit ihrer Familie aufgenommen durch die Vermittlung eines Monchs namens Pol. Cild hatte das herausbekommen, war in Wut geraten und hatte Pol kurzerhand aufhangen lassen. Als Begrundung gab er an, Pol ware ein Ketzer. Gelgeis sagte, sie hatte Angst, und bat mich, fur sie einen Kontakt zu den Monchen der Columban-Regel herzustellen, mit deren Unterstutzung sie vielleicht zum Sitz ihres Vaters zuruckkehren konnte.«
»Was hast du ihr geantwortet?«
»Ich sagte, ich wurde mein Moglichstes tun, um ihr zu helfen.«
»Und dann?«
»Dann verlie? sie mich.«
»Nachdem du das alles von ihr gehort hattest, lie?est du sie in die Abtei zuruckgehen?« fragte Eadulf unglaubig.
»Es war ihre Entscheidung«, verteidigte sich Aldhere. »Sie hatte auf der Stelle mit mir mitkommen konnen, und dann hatte ich sie auch beschutzt, aber ...« Er zuckte die Achseln.
»Wann hast du erfahren, da? sie tot war?« fragte Fidelma.