hatte.
„Regentropfen!“ rief er.
Spater stellte sich heraus, da? er recht gehabt hatte; aber im Augenblick war diese Erkenntnis nicht viel wert. Der Autopilot versuchte einen geraden Kurs zu steuern, was sich aber als kaum moglich erwies, da der Bathyskaph immer wieder mit riesigen Tropfen mit einem Durchmesser von uber funfzehn Metern zusammenprallte.
Wenige Minuten spater ging das Schiff jedoch wieder in den freien Fall uber. Da der Bathyskaph aus einem sechzig Meter langen Hohlkorper bestand, der die kugelformige Steuerzentrale umschlo?, sank er so langsam, da? er vermutlich selbst durch eine harte Landung nicht beschadigt worden ware. Ein glucklicher Zufall wollte es jedoch, da? das Schiff im Wasser landete.
In einem wirklichen Meer: nicht in der Mischung aus Gasen und Flussigkeiten, mit der Tenebra nachts zum gro?ten Teil bedeckt war.
Der Bathyskaph landete auf dem Rucken, aber sein Schwerpunkt lag so tief, da? das Schiff sich selbsttatig aufrichtete. Die Beobachter sahen, da? der junge Drommianer sich vorsichtig aufrichtete, zu der Liege des Madchens hinuberging und es an der Schulter ruttelte. Easy bewegte sich und versuchte sich aufzusetzen.
„Ist bei euch alles in Ordnung?“ Beide Vater stellten diese Frage gleichzeitig. Aminadorneldo, der sich an den Befehl seines Vaters erinnerte, wartete geduldig darauf, da? Easy antwortete.
„Ja“, sagte sie schlie?lich. „Tut mir leid, da? ich vorher geheult habe, Dad; ich hatte plotzlich Angst.
Aber ich wollte ›Mina‹ bestimmt nicht erschrecken.“
„Ich bin dir deswegen nicht bose, Easy, und glaube nicht, da? dein Freund sich davon hat beeinflussen lassen. Wir mussen froh sein, da? ihr heil gelandet seid — wenn der Bathyskaph beschadigt ware, wurdet ihr wahrscheinlich nicht mehr leben.“
„Richtig“, stimmte Sakiiro zu.
„Ihr habt einiges aushalten mussen, aber das ist jetzt Gott sei Dank voruber. Solange ihr dort unten seid, konnt ihr euch ein bi?chen umsehen — schlie?lich seid ihr die ersten Lebewesen von anderen Planeten, die Tenebra mit eigenen Augen beobachten konnen. Wenn ihr damit fertig seid, sagt Mister Sakiiro euch, wie ihr wieder zuruckkommt. Einverstanden?“
„Naturlich, Dad.“ Easy fuhr sich mit dem Handrucken uber die Augen, bevor sie die Gurte loste und sich unsicher erhob.
„Wann hort eigentlich der Druck auf?“ erkundigte sie sich.
„Wenn ihr wieder hier oben seid“, antwortete ihr Vater.
„Ich wei?; das sollte nur ein Witz sein. Hmm. Dort drau?en scheint es Nacht zu sein; ich kann uberhaupt nichts erkennen.“
„Richtig“, bestatigte Raeker, „aber selbst wenn es heller Tag ware, wurden Sie nicht mehr sehen. Sogar Altair reicht nicht aus, um die dichte Atmosphare zu durchdringen. Sie mussen die Scheinwerfer einschalten.“
„Wird gemacht.“ Das Madchen sah zu den Lichtschaltern hinuber, lie? sich aber nochmals von Sakiiro bestatigen, da?
Als die Scheinwerfer aufflammten, gingen die Kinder an die Bullaugen hinuber. „Drau?en ist nicht viel zu sehen“, berichtete Easy. „Wir schwimmen anscheinend in einem riesigen See, dessen Oberflache nicht die kleinste Bewegung zeigt. Man konnte glauben, das Wasser sei eine feste Masse, wenn das Schiff nicht zur Halfte darin eingesunken ware. Uberall um uns herum sinken riesige Kugeln vom Himmel herab, aber sie alle losen sich auf, bevor sie die Wasseroberflache erreichen. Sonst ist nichts zu erkennen.“
„Es regnet“, erklarte Raeker ihr. „Der See besteht vermutlich aus verdunnter Schwefelsaure, die warmer als die Luft ist, so da? die Regentropfen uber ihr verdampfen. Das Wasser schlagt keine Wellen, weil kein Wind weht; innerhalb der Atmosphare von Tenebra gibt es kaum Luftbewegungen. Auf der Oberflache des Planeten geht es ruhiger als irgendwo sonst in einer Atmosphare zu.“
„Haben Sie nicht vorher von heftigen Erdbeben gesprochen, die auf Tenebra an der Tagesordnung sind?“ Aminadabarlee hatte sich soweit erholt, da? er von etwas anderem als seinem Lieblingsthema sprechen konnte — der abgrundtiefen Dummheit der menschlichen Rasse.
„Richtig“, antwortete Raeker, „ich mu? zugeben, da? Sie vielleicht doch einige Wellen sehen werden, Easy, falls Sie lange genug dort unten schwimmen.
Aber das bedeutet noch lange nicht, da? Sie dadurch an interessantere Ufer gelangen. Ich furchte, Sie haben bereits alles Sehenswerte beobachtet, junge Dame; jetzt kommen Sie lieber wieder herauf und lassen sich vorschriftsma?ig retten.“
„Gern. Aber ich mochte noch zwei Fragen beantwortet haben. Wie funktioniert der Bathyskaph eigentlich? Ist der Aufstieg so anstrengend wie die Landung?“
„Keine Angst, diesmal geht alles viel langsamer und gleichma?iger vor sich — wie in einem Ballon. Die erste Frage ist nicht so leicht zu beantworten, aber ich werde mich so einfach wie moglich fassen. Die Hulle ist in einzelne Zellen aufgeteilt die selbst wieder von einer Membran halbiert werden. Im Augenblick druckt die Atmosphare diese Membranen noch gegen die Wandungen der Zellen. Wenn Sie die Elektrolyse in Gang gebracht haben, entsteht Sauerstoff, der ins Freie gepumpt wird. Der zuruckbleibende Wasserstoff wird in die andere Halfte der Zelle geleitet, wodurch sich die Membran ausdehnt und Luft verdrangt. Die fruher gebrauchlichen Bathyskaphen funktionierten nach dem gleichen Prinzip, aber ohne die Membranen innerhalb der Zellen.“
„Ja, das verstehe ich. Wie lange dauert es, bis wir zu schweben beginnen?“
„Das kann ich nicht sagen; die Leitfahigkeit der Atmosphare ist noch nie gemessen worden. Aber uber den Schaltern fur die einzelnen Zellen sind Amperemeter angebracht; wenn Sie mir nach dem Einschalten die Me?werte durchgeben, kann ich die benotigte Zeit ungefahr berechnen.“
„Wird gemacht. Wo sind die … oh, hier druben; die Beschriftung ist deutlich genug. Rechts oben — zwolf Kippschalter auf einer Leiste und ein Hauptschalter?“
„Richtig. Die Amperemeter befinden sich unmittelbar daruber. Legen Sie den Schalter um, betatigen Sie die Kippschalter und geben Sie uns die Werte durch.“
„Augenblick.“ Das Madchen streckte den Arm aus; die Manner horten die Schalter einrasten. Easy lie? ihren Korper in den Sitz zurucksinken, sah von einem Me?instrument zum anderen und sagte: „Die Zeiger bleiben alle auf Null stehen. Was soll ich jetzt tun?“
6
Nick hatte sein Feuer in Ufernahe entzundet, so da? ihm das Steigen des Wasserspiegels fruher als den anderen auffiel. In dem Dorf war ihnen das Wasser nie gefahrlich geworden, weil es ablaufen konnte. Er wu?te aus Fagins Unterricht, da? diese Wassermassen irgendwann in ein Meer oder einen See flossen; aber nicht einmal Fagin hatte sich jemals Gedanken daruber gemacht, was dann geschah. Das war ganz naturlich denn auf der Erde bestand nie die Gefahr, da? die Meere anstiegen, wenn es einmal heftig geregnet hatte.
Aber auf Tenebra lagen die Dinge etwas anders.
Dort gab es keine riesigen Ozeane, sondern nur verhaltnisma?ig kleine Binnenmeere. Welche Folgen sich aus dieser Tatsache ergaben, hatte im voraus berechnet werden konnen — aber nicht von Nick oder den Angehorigen seiner Gruppe.
Zunachst schien kein Grund zur Besorgnis gegeben. Die gro?en Regentropfen schwebten langsam herab und verdampften hoch uber den Feuern. Nick sa? zufrieden neben dem Holzsto? und legte nur ab und zu einige Stocke nach. Dabei sah er zufallig zu der schmalen Landzunge hinuber, die sich zwischen dem Festland und der Halbinsel erstreckte — aber die Landzunge war verschwunden. Nick uberlegte, da? das Land kaum so rasch sinken konnte — also stieg das Wasser; er beobachtete den Wasserspiegel und fand seinen Verdacht bestatigt. Er rief den anderen zu, was er beobachtet hatte, und wenige Minuten spater waren sie sich alle daruber einig, da? das Wasser tatsachlich stieg.
„Wie hoch, Nick?“ Betseys Stimme klang begreiflicherweise angstlich.