Die Isispriesterin hatte nicht den geringsten Zweifel daran, da? Batis die junge Frau, ohne gro?es Aufheben zu machen, ermordet hatte, ware sie wach gewesen. War es das Richtige, was sie taten? Qualende Zweifel plagten Samu. Hatte sie den Krieger fortschicken sollen, als er zu ihr gekommen war und sie um Hilfe bat? Machte sie nicht alles nur noch schlimmer? Mi?mutig blickte sie zu dem blutigen Bundel am Boden. Batis konnte unmoglich noch mehr tragen. Es war nun an ihr, den Kopf des Mundschenks mitzunehmen. Wenigstens vertrieb der Sturmwind den Leichengeruch! Mit spitzen Fingern hob sie das Bundel auf und hielt es so weit wie nur moglich von sich gestreckt. Dann gab sie Batis ein Zeichen, ihr zu folgen.
Ein gewundener Weg fuhrte sie bis zur Mitte des Hugels hinter dem Tempel. Dort war an einer windgeschutzten Stelle, auf einem schmalen Plateau, das sich dicht an den Fels schmiegte, ein Scheiterhaufen errichtet worden.
Samu legte den Kopf des Mundschenks auf den Holzsto? und untersuchte den Scheiterhaufen im zitternden Licht der Ollampe. Er war sorgfaltig aus langen Bohlen geschichtet, zwischen die man Lagen aus Reisig und Stroh gebettet hatte. Der Scheiterhaufen wurde lange brennen, und wenn die Priesterinnen der
»Leg ihn ab!« kommandierte Samu barsch. Sie ware froh, wenn alles vorbei ware. Der Nubier gehorchte ihr stumm.
Gemeinsam drapierten sie das Gewand des Verstorbenen. Auf seiner letzten Reise sollte er so ordentlich aussehen, wie er es stets zu Lebzeiten gewesen war. Ein unauffalliger Hofling in gestarkten und gebleichten Leinengewandern. Sorgfaltig geschminkt und stets eine tadellos sitzende Perucke auf dem Kopf.
Der Kopf! Es kostete Samu einige Uberwindung, ihn aus den besudelten Leinentuchern zu wickeln. Die Perucke des Toten war halb von seinem glattrasierten Schadel gerutscht. Vorsichtig richtete Samu sie und strich dem Toten das strahnige Haar aus dem Gesicht. Was bei den Gottern mochte er nur getan haben, da? die Unsterblichen ihm ein so unwurdiges Ende beschert hatten?
Batis hatte inzwischen das Ol aus der Amphore, die er mitgebracht hatte, uber den Scheiterhaufen geschuttet. Ein Funken wurde jetzt ausreichen, das Holz wie eine pechgetrankte Fackel auflodern zu lassen.
»Glaubst du, er wird nicht mehr zuruckkehren?« flusterte Batis.
Samu zuckte mit den Schultern. »Wer wei??« Unschlussig blickte sie auf die kleine Flamme der Ollampe. Was wurde geschehen, wenn Buphagos der Weg in den
Samu blickte ein letztes Mal in das Gesicht des Toten, dann trat sie ein Stuck vom Scheiterhaufen zuruck und hielt mit ausgestrecktem Arm die Flamme der Lampe an einen der olgetrankten Balken. Langsam zungelte die kleine gelbe Flamme das Holz hinauf und tanzte unsicher auf dem grobbehauenen Balken, so als wolle sie zum Docht der Ollampe zuruckspringen. Erst als sie Reisig und Stroh erreichte, begann sie sich schneller auszubreiten und auch nach den Kleidern des Toten zu greifen.
Samu blickte zu Batis hinuber. Der Nubier war leise murmelnd in ein Gebet versunken. Er hatte den Kopf geneigt und wirkte plotzlich kleiner, als er ihr fruher erschienen war. Vom selbstbewu?ten, uberheblichen Krieger schien nichts mehr ubriggeblieben zu sein. Jedenfalls fur den Moment nicht. Sie streckte die Hand nach ihm aus und beruhrte ihn sanft am Oberarm. Erschrocken zuckte er hoch und blickte sie dann verstort mit seinen gro?en Augen an.
»Komm, la? uns gehen! Buphagos weilt jetzt nicht mehr in dieser Welt, und wir sollten besser nicht neben dem Scheiterhaufen gesehen werden.«
4. KAPITEL
Philippos schreckte aus dem Schlaf auf und tastete unruhig neben sich. Er war allein. Dunkel erinnerte er sich, wie er Neaira verlassen hatte und zum Tempel zuruckgekehrt war. Den ganzen Ruckweg uber hatte er das Gefuhl gehabt, verfolgt zu werden. Selbst im Traum hatte man ihn noch gejagt. Er war auf einem weiten Feld gewesen. Es war Nacht, und der Sturmwind fegte vom Meer heran. Auf dem Wind reitend waren Frauen mit Vogelschwingen und Adlerkrallen statt Fu?en gekommen.
Der Nachthimmel war von ihren schrecklichen, heiseren Schreien erfullt gewesen. Diese Schreie waren es, die ihn hatten aufwachen lassen. Unmenschlich und ...
Im hinteren Flugel der Villa ertonte ein langgezogenes Kreischen. Immer hoher und schriller wurde das Geschrei. Philippos pre?te sich die Hande auf die Ohren. Er traumte doch nicht mehr! Er war wach ... In Sicherheit, in seiner Kammer und im Bett. Er hatte hier keine
Das Geschrei war zu einem Wimmern geworden, das fast vollig vom Wuten des Sturms uberlagert wurde. Aus dem
Ein junger Sklave mit einer Fackel in der Hand trat ins Zimmer! »Schnell, Herr, der
Wieder erklang das unmenschliche Schreien. Es war wie auf den Schlachtfeldern, wo Manner mit abgebrochenen Speerschaften im Bauch jammerlich verreckten. Dutzende hatte er so sterben sehen. Man konnte ihnen nicht mehr helfen.
Manche schrien sich schier die Lunge aus dem Leib, bis sie schlie?lich in sich zusammensanken, andere wimmerten leise vor sich hin. So ein Tod konnte Stunden dauern. Es hing ganz davon ab, wie stark man war und wie verbissen man sich an sein Leben klammerte. Gewonnen hatte diesen Kampf jedoch nie jemand.
Das Kreischen verebbte erneut. Der Sklave trat unruhig von einem Fu? auf den anderen. »Herr, bitte . Der
»Was ist denn los?«
»Keiner wei? es! Der
Philippos fluchte leise. Was mochte dort unten vor sich gehen? Schon zweimal war er mitten in der Nacht aus dem Schlaf gerissen worden, damit er sich um Verletzungen kummerte, die sich Frauen zugezogen hatten, die an den wilden Orgien des Herrschers teilnahmen. Je geringer die Aussichten wurden, noch einmal nach Agypten zuruckzukehren, desto ausschweifender wurden die Feste des Konigs. Ptolemaios gab sich manchmal recht eigenartigen Gelusten hin. Aber solche Schreie wie heute ...
Wie zur Antwort auf seine Gedanken erklang erneut das unheimliche Kreischen. Was zum Henker mochte da vorgefallen sein?
»Bitte, Herr. Der
»Ja, ja!« Philippos schob die Wolldecke zur Seite, schlupfte hastig in eine