und griff nach der Ledertasche mit seinen chirurgischen Instrumenten und dem Verbandszeug.

Der Sklave fuhrte den Arzt durch das Atrium in den hinteren Teil der gro?en Villa. Vor den Gemachern des Konigs drangten sich einige Sklaven und Hoflinge. Auch Samu war dort. Die Priesterin hatte tiefe Rander unter den Augen und war so bleich wie eine Toga candida. Allem Anschein nach hatte sie diese Nacht nicht allein in Morpheus Armen verbracht.

Der Sklave klopfte energisch gegen die rot gestrichene Tur, hinter der jetzt leises Schluchzen erklang. »Gottlicher Pharao, ich bringe den Arzt!«

Die Tur offnete sich einen Spalt, und das Gesicht von Potheinos erschien. »Schick ihn rein!« Der Blick des Eunuchen fiel auf Samu, und er zeigte mit ausgestrecktem Arm auf die Priesterin. »Du kommst am besten auch gleich!«

Philippos schob sich durch die Tur und achtete instinktiv darauf, da? er den Spalt mit seinem Korper so weit ausfullte, da? die Hoflinge nicht hineinschauen konnten. Was auch immer in den Gemachern des Konigs geschehen sein mochte, es war offensichtlich, da? der Hofstaat davon zumindest zunachst nichts wissen sollte.

Potheinos fuhrte sie beide durch den kleinen Raum, in dem sie sich erst am vorigen Abend mit dem Herrscher beraten hatten, und ging weiter bis in das Schlafgemach des Konigs. Ptolemaios sa? bleich und zitternd auf einem Lager aus Kissen und Decken. Mit beiden Handen hielt er eine Flote umklammert, so als wolle er sich an dem zierlichen Instrument festhalten.

Er war fast vollig nackt. Ein Kranz aus Weinlaub hing schief in seinem strahnigen Haar, und sein Gesicht war auf seltsame Art geschminkt. Vor ihm auf dem Boden lag Thais. Sie krummte sich vor Schmerzen und hielt die Hande auf ihr Gesicht gepre?t. Einen Augenblick lang war Philippos versucht, den Herrscher zu fragen, was bei den Gottern er mit der Hetaire gemacht hatte, doch der Arzt beherrschte sich. Es stand ihm nicht zu, einen Konig und Gott nach seinen Vorlieben im Liebesspiel zu fragen.

Samu kniete schon an der Seite der Frau. Sie versuchte, die Arme der Hetaire zur Seite zu drucken, um ihr ins Gesicht zu sehen. Philippos kam ihr zur Hilfe. Er legte seine lederne Tasche in Griffweite und flusterte leise. »Es wird wieder gut. Wir werden dir helfen, Thais. Du ...« Die Worte blieben dem Arzt im Hals stecken. Erst jetzt erkannte er, wie die Hetaire gekleidet war. Sie trug den kurzen Chiton einer Artemispriesterin und dazu flache Sandalen. Sie hatte sogar deren Art, sich zu schminken und die Haare zu frisieren, nachgeahmt.

Wenn man sie nicht kannte, mochte man sie durchaus fur eine Priesterin des Heiligtums halten.

Erschrocken blickte der Arzt zu Samu. »Hast du gesehen, wie .«

»Ja.« Die Isispriesterin nickte knapp. »Wir haben jetzt anderes zu tun.« Sie hatte diese Worte geflustert, doch jetzt hob sie ihre Stimme. »Sieh dir ihr Gesicht an!« So wie Buphagos liefen auch der Hetaire blutige Tranen aus den Augen.

»Was ist . mit mir?« Thais Stimme war kaum mehr als ein Hauch.

Philippos beugte sich zu ihr hinab und strich ihr sanft uber die Stirn. »Die Priesterin meint nur, da? deine Schminke verlaufen ist. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Wir werden dir helfen und dir .«

»Es tut . so weh .«

»Ich werde dir etwas geben, das die Schmerzen vertreibt.« Philippos griff nach seiner Tasche und holte ein kleines Gefa? aus Alabaster hervor.

»Was willst du ihr geben?«

Der Arzt warf der Isispriesterin einen zornigen Blick zu. Sie sollte endlich aufhoren, sich in seine Therapien einzumischen.

»Mondtranen. Ein Kugelchen, so gro? wie eine Erbse. Es wird ihre Schmerzen vertreiben. Sie wird einschlafen.«

»Du wei?t .« Ausnahmsweise lag kein Vorwurf in der Stimme der Priesterin. Sie klang traurig und mude.

»Ja.« Philippos wu?te sehr gut, da? Thais wahrscheinlich nicht mehr erwachen wurde. Im Schlaf wurde ihr Thanatos begegnen und sie mit sanftem Flugelschlag in den Hades hinabgeleiten. Die Maekonos-Pflanze, deren milchigwei?en Saft man die Tranen des Mondes nannte, war dem Todesgott geweiht. Er wurde Thais freundlich empfangen.

Mit einem Schrei baumte sich die Hetaire auf und ri? sich los.

Wieder pre?te sie beide Hande auf die Augen. In Krampfen zuckend wand sie sich hin und her.

»Hilf uns und halt sie fest!« herrschte Samu Potheinos an, der untatig neben ihnen stand. Die Priesterin versuchte, Thais zu fassen zu bekommen.

Philippos hatte inzwischen aus dem geronnenen und mit Honig versetzten Maekonos- Saft, den er in dem AlabasterTiegel verwahrte, ein kleines Kugelchen gedreht.

Potheinos und Samu war es gelungen, die Hetaire wieder zu Boden zu drucken. Vorsichtig offnete der Arzt dem Madchen den Mund und schob ihr die Kugel unter die Zunge. Schwarzrote Tranen aus Blut und Augenschminke rannen ihr zwischen den Fingern hindurch.

»Es tut so . weh .«

»Gleich wirst du schlafen. Isis, die Zauberreiche, wird den Schmerz von dir nehmen und dir schone Traume schenken.«

Samus Stimme klang sanft und vertrauenerweckend, so als sei jedes Wort wahr, das sie sprach. Ein wenig beneidete Philippos sie darum. Ihm fehlte die Gabe, Sterbenden mit schonen Lugen ihren letzten Weg zu erleichtern. Aber vielleicht glaubte die Priesterin ja wirklich, was sie sagte?

Ein Zittern durchlief den Korper der Hetaire. Ihre Hande glitten ihr vom Gesicht. »Es ist ... so kalt ...« Philippos nahm ihre Rechte und rieb den Handrucken. Die Finger des Madchens waren tatsachlich kalt. Das Rot unter ihren Nageln hatte sich dunkel verfarbt. Es wurde nicht mehr lange dauern .

»Ich will . noch nicht . sterben . Bitte . jagt sie weg. Sie sollen nicht . naher kommen .«

Thais Finger verkrampften sich. Sie hatte die Augen jetzt weit aufgerissen und sah Philippos direkt ins Gesicht. Der Arzt konnte ihrem Blick nicht standhalten. Er hatte die uberhebliche Hetaire nie gemocht, doch ein solches Ende hatte sie nicht verdient.

Er war zu weich! Er hatte schon Hunderte Manner sterben sehen, und doch hatte er nie gelernt, den Tod hinzunehmen.

»Philip . pos . bitte . « Die Stimme des Madchens war kaum noch zu horen. Ihr Griff loste sich. Sie sank zuruck. Fassungslos starrte der Arzt in ihr blasses Gesicht. Was hatte sie getan? War es, weil sie ein Priesterinnenge-wand angelegt hatte, um ihren Konig zu erfreuen? War das Grund genug fur Artemis gewesen, sie mit ihren unsichtbaren Pfeilen niederzustrecken? Thais war jung und dumm gewesen. Kannte die Gottin denn keine Gnade?

»Anubis hat sich jetzt ihrer angenommen. Du kannst ihr nicht mehr helfen.« Samu loste sanft die Hand der Toten aus seinem Griff.

Philippos schluckte. Er wollte etwas sagen, doch brachte er kein Wort uber die Lippen.

Samu war uberrascht, wie betroffen der Grieche vom Tod der Hetaire war. Es herrschte bedruckende Stille in dem Raum. Schlie?lich war Ptolemaios der erste, der die Sprache wiederfand. »Woran ist Thais gestorben, Priesterin?«

»An Eurem Hochmut, gottliche Majestat. Sie hat Artemis herausgefordert, um Euch zu gefallen. Seht sie Euch an! So wie Buphagos hat sie keine sichtbaren Wunden davongetragen. Die grausame Gottin von Ephesos hat Thais gerichtet, und ich .«

»Genug, Weib!« fiel ihr Potheinos ins Wort. »Wie kannst du es wagen, dem Pharao Vorhaltungen zu machen. Wir mussen nun besonnen vorgehen! Dieser Todesfall kann uns allen zum Verhangnis werden. Wir mussen um jeden Preis verhindern, da? bekannt wird, wie Thais gestorben ist und welche Kleider sie dabei getragen hat. Zieh sie aus, Philippos! Und du, Samu, wasch ihr das Gesicht! Sie soll aussehen, als wurde sie schlafen.«

Ptolemaios rausperte sich leise. »Es ist nicht notig, da? du an unserer Stelle eine aufsassige Priesterin ma?regelst, Potheinos. Und was dich angeht, Samu, so befehlen wir dir, bis zur Mittagsstunde einen Weg zu ersinnen, wie wir den Tod dieser Hetaire erklaren konnen. Schaffst du dies nicht, so werden wir dich noch heute vom Hof verbannen und nach Agypten zuruckschicken. Wir werden dafur sorgen, da? du nie wieder auch nur in die Nahe unserer Tochter Kleopatra gelangst. Wir wissen sehr gut, wieviel sie dir

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