»Ich mu? wissen, wer mich verraten hat . und was ist mit Neaira? Wei?t du, was der Eirenarkes mit ihr gemacht hat?«

»Wenn du den Verrater suchst, dann uberlege doch einfach, vor wem du gro?sprecherisch mit deiner Geliebten geprahlt hast. Ich wei? es von Batis. Unser nubischer Freund ist nicht gerade verschwiegen, was diese Dinge angeht. Deine Neaira hat man aus der Stadt vertrieben. Orestes hat seinen Zorn an ihr ausgelassen. Man sagt, sie sei gegei?elt worden, und der Pobel habe sie vor die Tore der Stadt geprugelt. Wenn du sie wirklich geliebt hattest, dann warest du in jener Nacht nicht zu ihr gegangen. Du hast sie ins Ungluck gesturzt.«

»Wie kannst du so reden, du hartherziges Weib. Du wei?t doch nicht einmal, was Liebe ist, agyptische Hexe! Gegei?elt .«

Philippos schluchzte leise. Wie konnten sie das nur tun? Die Hetaire traf doch keine Schuld. Wenn er sich nur erinnern konnte, was in jener Nacht geschehen war? Warum hatte er sie verlassen? Wie war es zu dem Kampf gekommen? Mi?trauisch blickte der Arzt zu der Priesterin auf. Es war sehr wahrscheinlich, da? sie wu?te, wie es dazu gekommen war, da? der Konig sie fur die Mission in Tyros ausgewahlt hatte. »Batis hat dir also von meiner Liebe zu Neaira erzahlt?«

Samu nickte. »Mir und jedem anderen, der es horen wollte ...«

»Ich glaube nicht, da? es noch viele andere gab. Du sagst, man ha?t mich bei Hof. Mir fallt nur eine Person ein, die mich hassen konnte und kaltherzig genug ware, das Gluck Unschuldiger ihrer Rachsucht zu opfern. Das bist du, Samu.«

Die Priesterin funkelte ihn wutend an. »Du glaubst ...« Sie versetzte ihm eine schallende Ohrfeige.

Philippos bi? die Zahne zusammen. »Du schlagst Verletzte, Heilerin? Nun, wenn du schon nicht lieben kannst, dann bist du doch wohl wenigstens in der Lage, zu hassen.«

»Ich passe mich deinem Stil an, Grieche. Du verstehst es, in jedem Menschen das Schlechte zum Vorschein zu bringen. Glaube nicht, ich hatte mir gewunscht, dich auf dieser Reise als Begleitung zu haben.«

Wie ein riesiges steinernes Schiff erhob sich Tyros am Horizont aus dem Meer. Die Stadt war auf einem flachen Felsriff einige hundert Schritt vor der syrischen Kuste errichtet worden.

Die Mauer, die sie umgab, war hoher als die Masten der Galeeren, die Samu von Ferne im Hafen erkennen konnte. Dies also war die Stadt, die es dem gro?en Alexander verwehrt hatte, in ihren Toren den Tempel des Herakles zu besuchen und die viele Monate lang seiner Belagerung widerstanden hatte. Die Priesterin hatte viele Geschichten uber das prachtige Tyros gehort, und doch war sie ein wenig enttauscht, denn von der Stadt selbst war zumindest jetzt noch nichts zu sehen.

Sie verschwand hinter ihren gewaltigen Mauern, Turmen und Bastionen.

»Es tut gut, die Heimat wiederzusehen.« Abdoubast, der bartige Kapitan des Handelschiffes, war neben die Priesterin getreten und blickte zur Stadt am Horizont. »Es ist nur ein nackter Felsen im Meer, und es gibt dort nicht einmal Wasser, dennoch liebe ich keinen Ort so wie diesen. Niemals haben Piraten den Hafen von Tyros betreten. Dort zu ankern hei?t, den Schrecken des Meeres entkommen zu sein.«

»Den Schrecken des Meeres?« Samu drehte sich um und blickte den Kapitan an. Er war breitschultrig, und seine Haut war von Wind und Wetter gegerbt. Abdoubasts schwarzer Bart war von wei?en Strahnen durchsetzt, und sein langes, lockiges Haar war durch ein Lederband gebandigt, so da? es ihm nicht in den Nacken fiel. »Liebst du das Meer denn nicht?«

Der Kapitan schuttelte bedachtig den Kopf. »Kein Schiffer liebt die See. Er respektiert und achtet sie, so wie man einen ubermachtigen Feind respektiert und achtet. Jedesmal, wenn ich einen Hafen verlasse, wei? ich nicht, ob ich auf der Reise nicht Schiff und Leben verlieren werde. Ich habe mit angesehen, wie turmhohe Wellen Freunde von mir uber Bord gerissen haben, so als wollten die zornigen Gotter des Meeres mit einem Menschenopfer beschwichtigt werden . Kennst du die Geschichte des Odysseus, Agypterin?«

Samu nickte.

»Glaubst du, er hatte des Meer geliebt? Zehn Jahre ist er uber die See geirrt. Jeden Vers aus dem Epos Homers kenne ich auswendig. Nicht einer besingt die Schonheit der See. Es sind die sicheren Hafen, die der Seemann liebt.« Abdoubast schirmte mit der Hand die Augen gegen die Sonne ab und brummte etwas Unverstandliches. »Dieser makedonische Bastard, Alexander, hat uns einen unserer drei Hafen genommen. Die Seefahrt war ihm immer egal. Schiffe sind fur ihn nur Transportmittel gewesen.« Der Kapitan streckte die Hand aus und zeigte zur Insel hinuber. »Siehst du dort vorne hinter den Wellenbrechern die Mauer? An ihrem ostlichen Ende steht ein Turm, auf dem bei Nacht ein Leuchtfeuer brennt. Neben diesem Turm liegt die Einfahrt in den sidonischen Hafen. Noch weiter im Osten kannst du Palaetyros erkennen. Das ist der Teil von Tyros, der auf dem Festland liegt. Dort gibt es einen zweiten Hafen, der nach Ashto-reth, der Himmelkonigin, benannt ist. Doch den werden wir nicht anlaufen, denn unsere Fracht ist zu kostbar, um in die Lagerhauser auf dem Festland gebracht zu werden.« Der Kapitan strich sich lachelnd durch den Bart, und Samu war sicher, da? er an den Gewinn dachte, den ihm seine Waren einbringen wurde.

»Und der dritte Hafen?«

Das Gesicht des Seemanns verfinsterte sich. »Den dritten Hafen hat uns Alexander gestohlen. Er hat eine sechzig Schritt breite Rampe quer durch das Meer bis zur Insel gebaut, um seine Belagerungsmaschinen vor die Mauern der Stadt schieben zu konnen. Dadurch haben sich die Stromungen in der Bucht verandert. Der agyptische Hafen, wie er genannt wurde, lag auf der Sudseite der Insel und ist heute unter einer dicken Schicht aus Schlick und Sand begraben. Nur kleine Fischerboote konnen dort noch verkehren.«

»Und wenn man die Rampe einrei?en wurde?«

Der Tyrener schnaubte verachtlich. »Sag das den Handelsherren, die uber das Schicksal unserer Stadt bestimmen! Sie sind bequem geworden ... Du wei?t, es gibt kein Wasser auf der Insel. Jeder Schluck Wasser, der getrunken wird, jeder Eimer voll, den die Tuchfarber brauchen, um ihr Handwerk auszuuben, wird vom Festland herangebracht. Es macht sehr viel weniger Muhe, das Wasser in Karren uber den breiten Damm heranschaffen zu lassen. Man sagt sogar, da? die Romer ein Aquaeduct bauen wollen, das von den Bergen im Hinterland bis nach Tyros reichen soll. Viele Burger glauben, da? wir endgultig die Gunst des Baal Melkart verlieren werden, wenn sprudelndes Quellwasser auf den Felsen seiner Insel tropft. Der Gott hat nicht gewollt, da? es dort eine Quelle gibt! Er hat auch nicht gewollt, da? wir die Insel mit dem Festland verbinden lassen. Was ist aus dem machtigen Tyros geworden, seit Alexander den Damm gebaut hat?« Der Kapitan hieb wutend mit der Faust auf die Reling. »Einst waren wir die bedeutendste Hafenstadt der Welt. Unsere Schiffe fuhren bis zu den Saulen des Herakles und weiter noch in das schreckliche Nordmeer, wo schwimmende Inseln auf dem Wasser treiben. Unsere Ahnen haben Karthago gegrundet und etliche andere machtige Handelsstadte. All dies ist dahin, seit wir von Alexander heimgesucht wurden und er unsere Insel ans feste Land gefesselt hat. Wenn die Romer nun auch noch eine Quelle in ihr Aquaeduct umleiten und Wasser nach Tyros bringen, dann wird damit unser Untergang besiegelt sein! Baal Melkart wird seine Stadt verlassen, und schon bald wird es von Tyros nichts als ein paar Ruinen geben, durch die das Wasser sickert, das uns die Romer geschenkt haben. Aber vielleicht ...« Der Seemann blickte Samu an. »Was erzahle ich dir von den Romern und unserer Stadt, Priesterin! Du wirst doch sicher nur kurz zu Gast sein? Kommst du, um im Tempel des Melkart fur deinen Konig zu opfern?«

»So ist es«, antwortete Samu einsilbig. Da sie nicht wu?te, wer in dieser fremden Stadt ihr Feind sein wurde, hielt sie es fur kluger, die wahren Beweggrunde der Reise zu verschweigen.

»Ich soll auch Nachrichten aus Agypten fur den Pharao einholen. Es gibt einige Kaufleute, die dem Gottlichen als Spione dienen und die mir Bericht uber die Herrschaft Berenikes erstatten sollen.«

Abdoubast lachelte breit und entblo?te dabei seine makellosen, wei?en Zahne. »Nachrichten? Es gibt wohl kein Geschaft, das die Tyrener Kaufleute nicht betreiben wurden. Man sagt, Berenike hat viele Gaste aus den Konigreichen im Osten. Sie machten dem romischen Proconsul einigen Arger. Angeblich bemuht Berenike sich um ein Bundnis mit den Parthern. Mir ware es nur recht, wenn sie die Romer wieder aus dem Land werfen wurden. Wu?test du, da? eine Wolfin die beiden Stammvater des romischen Volkes gesaugt hat? Wie Wolfe verhalten sich die Romer auch heute noch! Sie rei?en alles an sich, mischen sich in jedes Geschaft ein und konnen kein Volk in Frieden leben lassen. Kein Tyrener wurde jemals einem Romer eine Trane nachweinen. Doch ich rede zu viel, Priesterin. Ich mu? mich um das Schiff kummern. Vor dem Hafen liegen ein paar gefahrliche Riffe.« Abdoubast wandte sich um und rief seinen Seeleuten einige Kommandos zu. Dann eilte er zum Heck des Lastseglers, um sich personlich an das lange Seitenruder zu stellen und das Handelsschiff sicher in

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