Samu uberlegte, ob die Alte sie vielleicht belugen wollte, um sie an ihrem Stand zu halten, obwohl sie offenbar keine angemessenen Opfertiere hatte.
»Dem gro?en
Samu musterte die Alte mi?trauisch. Die Priesterin hatte noch nie von diesem Mythos gehort, doch wu?te sie auch nur sehr wenig uber die verschiedenen phonizischen Stadtgotter. »Wie teuer sollen deine Wachteln denn sein?«
»Nun, normalerweise uberlasse ich sie Fremden uberhaupt nicht. Es sind nicht irgendwelche Wachtern, die du bei mir kaufen kannst. Gehe ruhig zu den anderen Vogelhandlern und sieh dich um. Nirgends wirst du so fette Tiere bekommen wie bei mir. Funf silberne
»Funf
»Kindchen, reg dich nicht auf! Du hast meine Wachteln gesehen, du wei?t, wie gut sie sind. Funf
Samu zogerte einen Augenblick, doch dann offnete sie den Geldbeutel an ihrem Gurtel und nahm vier ephesische Silberstucke heraus. Die Alte begutachtete die Munzen kritisch.
Sie zeigten auf der Vorderseite die Front des
»Es ist das Haus, in dem die machtige Gottin Artemis wohnt.«
Die Alte grunzte etwas Unverstandliches, dann bi? sie in eine der Munzen und versuchte, sie zu biegen. Anschlie?end lie? sie jedes der Geldstucke vor sich auf den gepflasterten Boden des Marktplatzes fallen und lauschte dabei auf den Klang.
Endlich grinste sie zufrieden und lie? die Silberstucke in einer Falte ihres Gewandes verschwinden. »Ich kenne die Munzen zwar nicht, doch sie sind aus gutem Silber geschlagen. Welche der Wachteln mochtest du mitnehmen? Such dir eine aus, Priesterin!«
»Gib mir deine Schonste. Du kennst deine Vogel am besten, Alte, und bedenke dabei, was es dich kosten mag, eine agyptische Zauberpriesterin zu verargern.«
»Dienst du der
»Moge
Der Tempel des
Die Turrahmen waren von riesigen Vogeldamonen flankiert, die jeden Eindringling mit kalten, steinernen Augen musterten. Der Duft von Weihrauch und Myrrhe zog durch den Tempel, und irgendwo erklang das metallische Klappern von Gebetsrasseln. Schlie?lich trat Samu in einen Raum, an dessen Ende sich eine riesige, ganz mit Goldblech beschlagene Tur erhob. Zwei Saulen flankierten das Tor. Die eine schien ganz aus lauterem Gold zu bestehen, und ein Bildfries mit Schiffen zog sich in Spiralen um ihren schimmernden Leib. Die andere Saule war von tiefem Grun, als sei sie aus Smaragd geschnitten, und von ihrem Inneren ging ein unstetes Leuchten aus, ganz so, als habe man eine Flamme in ihr eingefangen.
Voll ehrfurchtigem Staunen betrachtete Samu die Smaragdsaule, als ein Priester an ihre Seite trat. Der Mann war von schwer zu schatzendem Alter. Sein Kopf war kahlgeschoren, und selbst die Augenbrauen hatte man ihm abrasiert.
Schwarze Lidstriche umrandeten seine Augen. Er trug ein langes, wei?es Gewand und daruber einen mit purpurnen Fransen geschmuckten Umhang. »Ich sehe, du bist gekommen, dem Gott zu opfern, Tochter. Welche Bitte soll ich dem Machtigen in deinem Namen vortragen?«
»Ich flehe den Lichtbringer an, da? er meinem Aufenthalt in dieser Stadt wohl gesonnen sein moge und da? er seine schutzende Hand uber mich halte. Moge er wie das Licht der Fackel den Schleier der Dunkelheit um jenes Geheimnis zerrei?en, das zu ergrunden mir bestimmt ist.« Samu reichte dem Priester die Wachtel, und er trat zu einem der Altare, die in den Nischen an den Seitenwanden des Heiligtums standen.
Einige Augenblicke vergingen, bis der Priester wieder zu ihr zuruckkehrte und ihr seine blutbefleckten Hande entgegenstreckte. »Der Himmelswanderer hat deine Bitten gunstig aufgenommen, Tochter. Er wird den Schatten des Geheimnisses vertreiben, doch wird dunkle Trauer uber deinem Herzen liegen, wenn du unsere Stadt verla?t.«
Samu verneigte sich vor dem Priester. »Ich danke dir fur deinen Dienst. Moge das Licht des
Nachdenklich verlie? sie den Tempel. Was mochte der eigentumliche Orakelspruch zu bedeuten haben? Woruber wurde sie trauern, wenn sie die Stadt verlie? und den Giftmischer aufgespurt hatte? Sie sollte Philippos warnen! Womoglich wurde ihm ein Ungluck widerfahren. Er durfte nicht mit den Muscheltauchern aufs Meer hinausfahren!
Samu machte sich auf den Weg zum Hafen.
11. KAPITEL
Der Arzt musterte die Phonizier in dem kleinen Segelboot voller Mi?trauen. Es waren ausnahmslos junge Kerle.
Simon hatte mit ihnen in der fremden Sprache der Syrer daruber debattiert, ob sie Philippos mit in ihr Boot nehmen wurden. Das Gesprach hatte lange gedauert und war alles andere als ruhig verlaufen. Endlich hatte der junge Mann, der das Kommando uber das Segelboot fuhrte, eingeschlagen und Philippos einen Wink gegeben, an Bord zu kommen. Wie Simon zu diesem Ergebnis gekommen war, blieb dem Griechen ein Ratsel. Ganz offenkundig war er allerdings nicht sonderlich willkommen auf dem Boot. Vermutlich hatte der Kapitan irgendeine alte Schuld damit beglichen, da? er ihn in seine Mannschaft aufnahm, mutma?te der Arzt.
Schon als sie aus dem Hafen ausliefen, hatte sich gezeigt, wie wenig Philippos zum Seemann taugte. Die hohen Mauern der Kais und ein ungunstiger Wind machten es notwendig, das schlanke, kleine Segelboot durch die enge Hafenausfahrt zu rudern. Wahrend die anderen Phonizier schnell in einen regelma?igen Takt fanden, hatte der Grieche alle Muhe gehabt, mit ihnen mitzuhalten, und immer wieder die Ruderer an der Steuerbordseite