durcheinandergebracht. Schlie?lich hatte man ihn unter allerlei Fluchen von seiner Ruderbank vertrieben und ihm einen Platz nahe dem Mast zugewiesen, wo er niemanden storte.

Au?erhalb des Hafens hatten die Phonizier das kleine Segel gehi?t und waren vor dem Wind bis zu einem Riff gefahren, das nur zwei Stadien vom Hafen entfernt lag. Dort warfen sie zwei schwere Anker aus und holten das Segel nieder. Wahrend die anderen noch damit beschaftigt waren, das Segeltuch als Sonnenschutz uber das Deck zu spannen, trat Abimilku, der Kapitan des Bootes, an Philippos heran.

»Du wirst nun Gelegenheit haben, uns zu beweisen, ob du als Taucher geschickter bist als am Ruder. Besitzt du ein Messer?«

Philippos schuttelte den Kopf. »Ich besitze zwar eins, doch trage ich es nicht bei mir.«

»Wie ungewohnlich fur einen Soldner. Du kannst meines geliehen haben.« Abimilku zog eine breite und sehr dicke Klinge aus der Lederscheide an seinem Gurtel und druckte sie dem Arzt in die Hand. »Mit den langen Lederriemen am Griff bindest du dir das Messer am Handgelenk fest. So kannst du es im Wasser nicht verlieren, und es behindert dich nicht zu sehr beim Schwimmen. Du mu?t am Riff hinabtauchen und nach gro?en Muscheln Ausschau halten. Wir brauchen sie als Koder fur die Purpurschnecken, die wir spater fangen wollen. Du mu?t darauf achten, da? du die Muscheln vom Felsen lost, ohne sie zu zerbrechen. Sie mussen noch leben, sonst haben sie keinen Wert fur uns. Du wirst ein Netz mitbekommen, in dem du die Muscheln verstauen kannst. Und pa? auf, da? du nicht zu dicht bei den Klippen bist, wenn du auftauchst. Die Meeresdunung konnte dich gegen die scharfen Felskanten drucken.«

Philippos nickte. Mit mulmigem Gefuhl starrte er erst auf das Messer und dann auf das Meer. Es mochten mehr als zwanzig Jahre vergangen sein, seit er zum letzten Mal getaucht war.

Abimilku schien seine Gedanken erraten zu haben. Der Phonizier setzte ein schiefes Lacheln auf und blickte ihn mit seinen dunklen Augen triumphierend an. »Du mu?t dort nicht hinunter. Ein Wort von dir genugt ... Wir werden dich den Tag uber im Boot behalten und heute abend wieder im Hafen absetzen. Ich habe Simon gegenuber meine Schuldigkeit getan, und du ... Du wirst leben. Du wei?t doch wohl, wie gefahrlich es ist, in das dunkle Reich Poseidons hinabzusteigen.«

Philippos nahm dem Kapitan das Messer aus der Hand. »Ich wei?. Wann fangen wir an?« Kaum waren die Worte uber seine Lippen, da verfluchte der Arzt sich schon innerlich fur seinen Stolz. War er denn wahnsinnig? Der junge Mann hatte ihm ein Angebot gemacht, sich halbwegs glimpflich aus dieser Angelegenheit wieder herauszubringen, und was tat er? Es war nicht zu fassen! Welcher Daimon schlummerte nur in ihm, der ihn immer wieder in solche Schwierigkeiten brachte? War er denn von einem bosen Geist besessen, der ihn vernichten wollte?

Abimilku nickte. »Gut, du hast es so gewollt. Du wirst als dritter hinuntergehen. Tauche hier beim Boot hinab und schwimm dann zu den Klippen hinuber. In der Tiefe spurst du die Meeresdunung kaum noch. Sie kann dir unten am Fu? der Klippen nicht gefahrlich werden. Ich werde als zweiter tauchen. Du folgst mir, Grieche.«

Der Phonizier lie? seinen Gurtel zu Boden gleiten und streifte seine Tunica uber den Kopf. Philippos schluckte. Abimilku hatte einen Korper wie jene Athleten, nach denen die Bildhauer ihre Statuen fertigten. Einer der Manner reichte ihm ein neues Messer, das er an seinem Handgelenk befestigte. Dann begann der Kapitan, systematisch seine Lungen zu fullen und wieder zu leeren. Er atmete so tief ein, wie er nur konnte, und machte dabei pfeifende Gerausche wie ein Blasebalg neben der Esse eines Schmiedes. Philippos konnte beobachten, wie erstaunlich weit sich die Rippen des Phoniziers bei jedem seiner Atemzuge dehnten. Einer der anderen Purpurtaucher nahm einen der gro?en Steine auf, die im Boot lagen, und gab ihn Abimilku, der ihn mit beiden Handen gegen seine nackte Brust druckte. Dann lie? der Kapitan sich so plotzlich uber die niedrige Bordwand fallen, da? das kleine Segelboot heftig ins Schlingern geriet.

Mit einem mulmigen Gefuhl blickte Philippos ihm nach, wie er in den blauen Fluten versank. Jemand tippte ihm auf die Schultern. Ein bartiger Mann mit einer breiten Narbe uber der rechten Augenbraue grinste ihn an. »Du bist dran, Grieche.«

Mit steifen Fingern tastete der Arzt nach seiner Gurtelschnalle und loste sie. Dann knupfte er die Riemen seiner Sandalen auf und streifte sich die Tunica uber den Kopf. Zweifelnd blickte er an sich herab. Er war nicht gerade schwachlich gebaut.

Die Jahre in der Legion hatten seinen Korper gestahlt, doch im Vergleich zu den jungen Tauchern war er ein Nichts. Ein alter Narr, der auf dem Weg war, sich lacherlich zu machen oder - schlimmer noch - sich umzubringen.

Prustend und schnaufend tauchte Abimilku neben dem Boot auf. Seine Gefahrten zogen ihn uber die niedrige Bordwand und begannen, ihn mit groben Wolltuchern abzureiben. Im Netz, das am linken Handgelenk des Tauchers hing, waren drei gro?e gelbbraune Muscheln.

Der Kapitan schuttelte seine langen, nassen Haare. »Es ist schwierig, dort unten noch brauchbare Muscheln zu finden. Wir waren schon zu oft hier. Viel Gluck, Grieche.« Philippos schluckte. Alle Augen waren nun auf ihn gerichtet. Einer der Manner trat heruber und legte vor ihm einen Felsklotz hin.

»Willst nicht doch lieber aufgeben, alter Mann?«

Der Arzt band sich die Lederriemen des Messers am Handgelenk fest. »Ich werde vielleicht keine drei Muscheln finden, aber ich werde nicht mit leeren Handen zuruckkehren.« Er griff nach dem Netz und begann, rhythmisch ein- und auszuatmen. Ihm war ein wenig schwindelig, als er nach dem Felsblock vor seinen Fu?en griff und sich aufrichtete. Entschlossen setzte er den rechten Fu? auf die Reling und blickte auf das Meer. Jetzt gab es kein Zuruck mehr! Ein letztes Mal pumpte er seine Lungen voll Luft, dann lie? er sich fallen. Kalt umfingen ihn die Arme der See. Der Stein ri? ihn in die Tiefe hinab. Ein dumpfes Pochen hallte in seinen Ohren. Der Arzt blickte nach oben und versuchte, abzuschatzen, wie tief er schon gesunken war. Wie ein riesiger Fisch hing der Rumpf des Bootes uber ihm im Wasser. Gleich goldenen Speeren stach das Sonnenlicht durch die Fluten. Philippos lie? den Stein los. Das Riff lag rechts von ihm. Mit einigen kraftigen Sto?en gelangte er zu dem dunklen Felsen, der mit allerlei wunderlichen Meerespflanzen bedeckt war. Seltsame Blumen mit fadenformigen Blattern, die in den Blutenkelchen verschwanden, wenn man sich ihnen naherte. Daneben klammerten sich kleine rote oder wei?e Busche mit feinen Asten an das Riff. Silberne Fische tanzten mit der Stromung durch diesen Garten Poseidons, ohne auf den Eindringling zu achten.

Philippos spurte, wie der Druck in seiner Brust gro?er wurde.

Nervos sah er nach oben. Er war nicht sehr tief. Es blieb ihm noch etwas Zeit. Sein Blick glitt suchend uber das Dickicht aus Farben. Er entdeckte eine kleine Kolonie von grauschwarzen, unregelma?ig geformten Muscheln. Einen Moment lang uberlegte er, ob er nicht einige von ihnen nehmen sollte. Doch die Phonizier wurden ihn auslachen. Er hatte genau gesehen, was fur Muscheln man zum Purpurschneckenfang brauchte.

Mit zwei kurzen Sto?en glitt er hoher. Der Druck in seinen Lungen wurde immer unertraglicher. Verzweifelt huschten seine Blicke uber den Felsen. Da endlich entdeckte er eine der gro?en, gelbwei?en Muscheln. Er packte das Messer und schwamm dichter an den Felsen heran. Vor Anspannung zitterten ihm die Hande, als er versuchte, die Muschel vom Riff zu losen. Sie schien mit dem dunklen Felsgestein regelrecht verwachsen zu sein. Vor Anstrengung atmete er aus. Gro?e, glasige Blasen strichen uber sein Gesicht. Endlich loste sich das Tier. Ohne es naher anzusehen, steckte er es in das Netz. Er mu?te hier weg. Nach oben! Atmen!

Mit einem Sto? druckte er sich vom Felsen ab. Etwas schrammte schmerzhaft uber seine Fu?e. Der dunkle Bootsschatten schien ihm unendlich weit entfernt. Noch einmal atmete er aus.

Das Bedurfnis, Luft zu holen, war fast unertraglich. Die schimmernde Wasseroberflache schien so nah, und doch konnte er sie nicht erreichen. Verzweifelt stie? Philippos die Arme nach oben und paddelte mit den Fu?en. Er hatte verloren ... Hatte er nur auf Samu gehort! Er wurde sterben. Und alles nur, weil er zu stolz gewesen war, auf die Priesterin zu horen.

Das Gesicht Daphnes schimmerte zwischen den Lichtstrahlen, die durch das Wasser brachen. Er wurde jetzt einatmen . Seine Lungen mit brennendem Salzwasser fullen und sich sinken lassen. Der Kampf war verloren.

Der Kopf des Griechen scho? durch die Wellen. Keuchend hechelte er nach Luft. Bei den Gottern, er lebte! Ein heftiger Schlag lie? ihn pfeifend ausatmen. Er war zu dicht an den Klippen. Die Dunung warf ihn gegen den scharfkantigen Felsen.

Verzweifelt versuchte er, sich an dem muschelverkrusteten Riff festzuklammern. Die dunnen Schalen schnitten ihm in die Finger. Wieder schleuderte ihn eine Woge gegen den Felsen.

Aus dem Boot war lautes Rufen zu horen. Philippos’ Augen brannten vom Salzwasser. Er konnte kaum noch sehen.

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