den Hafen zu bringen.

Nachdenklich musterte Samu den Kapitan. Er hatte die Stirn gerunzelt und beobachtete aufmerksam das Meer. So wie er sprach, mochte Abdoubast vielleicht selbst ein Verschworer sein. Sie sollte vorsichtig sein, wenn sie die Spur der Giftmorder aufnahm! Offenbar war Berenike hier wesentlich beliebter als Ptolemaios, den jeder als einen Freund der Romer kannte. 

9. KAPITEL

»Hier ist es!« Der kleine Junge, der sie vom Hafen in die Stadt gefuhrt hatte, wies auf eine grun gestrichene Tur. »Hier wohnt Simon der Judaer.« 

Samu dankte ihm und gab dem Jungen ein Kupferstuck, wahrend Philippos gegen die Tur klopfte. Die Seeluft war ihm gut bekommen. Sie hatte den dumpfen Schmerz aus seinem Kopf vertrieben und ihm neue Kraft gegeben.

Mi?mutig blickte sich der Arzt um. Das Haus des Juda-ers lag in einer engen Gasse unweit des Hafens. Die Hauser hier waren zwei oder drei Stockwerke hoch. Ihr wei?er Putz war von braunen Flecken ubersat.

Eine junge Frau offnete die Tur und blickte Philippos fragend an. Sie trug eine schmucklose blaue Tunica, und ein Mantel aus grober Wolle war um ihre Schultern geschlungen. Ihr Haar bedeckte ein langer, blauer Schleier, der mit einer roten Schmuckborte abgesetzt war.

»Wir kommen aus Ephesos und mochten Simon sprechen. Wir haben dringende Nachrichten fur ihn.«

Die Frau nickte kurz und trat dann zur Seite. »Seid willkommen im Haus meines Vaters. Der Herr ist in Geschaften unterwegs, doch wird er bald wieder zuruckkehren.«

Philippos trat ein und musterte den Innenhof. Anders als das Atrium bei romischen Hausern war dieser Hof nicht teilweise uberdacht, und es gab auch kein Impluvium. Die Wande zum Innenhof waren ordentlich verputzt und strahlten in so hellem Wei?, als seien sie erst vor wenigen Wochen frisch gekalkt worden.

Die junge Frau rief etwas in einer fremden Sprache zum Haus hinuber und blickte dann schuchtern zu Philippos und Samu.

»Erlaubt, da? ich Euren Lastentrager entlohne. Wenn ich um Euren Besuch gewu?t hatte, dann ware selbstverstandlich dafur gesorgt gewesen, da? Ihr am Hafen erwartet werdet.«

Die junge Frau tauschte ein paar Worte mit dem Phonizier, der sich im Hafen angeboten hatte, ihr Gepack zu tragen, und druckte ihm einige Kupfermunzen in die Hand. Inzwischen war eine Dienerin mit einer Wasserschale und einem Krug im Hof erschienen.

Nachdem der Lastentrager gegangen war, wandte sich die Frau erneut Philippos und Samu zu und bat sie, auf einer niedrigen Bank im Hof Platz zu nehmen. »Erlaubt, da? ich Euch die Fu?e und Hande wasche, verehrte Gaste. Ihr sollt wissen, da? Ihr im Haus und an der Tafel Simons willkommen seid und wir gerne unsere Guter mit Euch teilen. Mein Name ist Isebel.«

»Man nennt uns Samu und Philippos«, erwiderte die Priesterin einsilbig, wobei sie kurz zu dem Griechen hinubernickte.

»Du brauchst mir nicht die Fu?e zu waschen, Isebel.« Philippos lachelte der jungen Frau freundlich zu. »Das ist die Aufgabe einer Dienerin und kein Dienst, den eine Hausherrin verrichten sollte.«

»Wollt Ihr die Ehre meines Vaters kranken? Warum weist Ihr mich zuruck? Habe ich Euch in irgendeiner Weise beleidigt?«

»Nein, ich dachte nur ... Nun, ich bin es nicht gewohnt, auf diese Weise empfangen zu werden und ...«

Isebel war vor Philippos niedergekniet und blickte ihn mit ihren dunklen Augen fast flehend an. »Bitte, weist mich nicht zuruck. Es wurde gro?e Schande fur das Haus meines Vaters bedeuten, wenn Ihr die Euch gebuhrenden Ehren nicht annehmt.«

»La? sie machen«, flusterte Samu in lateinischer Sprache.

»Die Judaer sind ein seltsames Volk, und man hat sie schnell beleidigt. Wir werden Simon noch brauchen, wenn wir unsere Mission erfullen wollen. Er ist der einzige Mensch in der Stadt, dem wir uns anvertrauen konnen.«

»Es ist mir eine gro?e Ehre, mit solcher Freundlichkeit empfangen zu werden, und ich werde die Gastfreundschaft, die ich im Hause Simons erfahren habe, stets loben«, erklarte Philippos auf griechisch und nickte Isebel zu.

Die Frau lachelte den Arzt erleichtert an, dann loste sie die Riemen seiner Sandalen und wusch seine Fu?e mit kaltem Wasser, das sie aus dem Krug in die Schale go?. Anschlie?end benetzte sie seine Hande und trocknete sie mit einem Tuch aus wei?em Leinen, das ihr die Dienerin reichte.

Als sie auch Samu auf diese Weise geehrt hatte, bat Isebel sie beide, ihr in das Haus zu folgen. Sie fuhrte sie durch einen kleinen Flur in einen weitem Empfangsraum, der ein wenig an das Tablinum romischer Hauser erinnerte, jenes Gemach, in dem der Hausherr seine Gaste empfing. Auch hier waren die Wande wei? gekalkt, und der Boden war mit schmucklosen, grauen Steinplatten ausgelegt. In der Mitte des Zimmers stand ein kleiner Tisch, auf den man eine Schale mit Fladenbrot gestellt hatte. Isebel nahm einen der Fladen, brach zwei Stucke davon ab und reichte sie Philippos und Samu. Dann bot sie ihnen eine flache Schussel mit Salz an.

»Mogen Frieden und Wohlstand Euch so bestandig folgen wie der Schatten, der an Euren Fersen haftet.«

Die Judaerin schob sich ihr Stuck Brot in den Mund, und Philippos folgte ihrem Beispiel. Dann nahm er ein wenig von dem Salz und leckte es sich aus der Hand. Anschlie?end reichte Isebel ihm einen Becher mit frischem Brunnenwasser.

»Seid Ihr es gewohnt, gemeinsam in einem Zimmer zu ubernachten?« Die junge Frau lachelte scheu, so als sei ihr die Frage ein wenig peinlich.

»Wir teilen nicht das Lager miteinander«, antwortete Samu schnell.

Lieber wurde ich eine Schlange unter meine Decke einladen als dich, dachte Philippos und blickte kurz zur Priesterin hinuber.

Er war noch immer davon uberzeugt, da? sie ihm die Wachen auf den Hals gehetzt hatte. Sie ganz allein war Schuld daran, da? man Neaira aus der Stadt gejagt hatte! Der Grieche ballte seine Hande zu Fausten. Er war froh, mit ihr nicht im selben Zimmer ubernachten zu mussen. Lieber ware ihm sogar noch, wenn sie sich nicht einmal im gleichen Haus aufhalten wurden.

»So erlaubt nun, da? ich Euch zu Euren Gemachern begleite. Mein Herr und Vater halt immer drei kleine Kammern fur Gaste bereit. Dort mogt Ihr Euch von den Anstrengungen Eurer Reise erholen. Falls Ihr lieber ein warmes Bad nehmen wurdet oder es eine andere Art gibt, auf die ich Euch zu Diensten sein kann, so la?t es mich wissen.«

»Ein kleiner Krug mit Wein ware schon«, brummte Philippos.

Auf dem Schiff hatte er nichts au?er Wasser zu trinken bekommen. Vielleicht wurden ihm ein paar Becher Wein helfen, seinen Zorn auf Samu zu vergessen.

»Ich kann mir nicht vorstellen, da? Tyrener hinter dem Giftanschlag auf den Pharao stecken.« Simon kratzte sich nachdenklich an der Stirn und schuttelte dann den Kopf. »Wirklich nicht. Ich glaube nicht, da? irgend jemand so dumm gewesen ware, Ptolemaios das Gift mit einem Schiff aus Tyros zu schicken. Damit ware eine zu offensichtliche Spur gelegt.«

»Ware es denn nicht moglich, da? es einen Fremden in der Stadt gibt, der den Verdacht auf Tyros lenken will, um die Spur zu sich und seinen Auftraggebern zu verwischen«? fragte Samu.

Simon uberging den Einwurf der Priesterin. Er beugte sich ein Stuck vor, um noch eine Heuschrecke aus der Schale auf dem Tisch zu nehmen und mit der anderen Hand nach seinem tonernen Weinpokal zu greifen. Dann lehnte er sich auf sein Lager aus Kissen zuruck, blickte zum Himmel empor und seufzte. »Tyros ist eine unruhige Stadt. Die Phoenizier haben begriffen, da? die Zeit ihrer Gro?e vergangen ist und ihre Gotzen sie nicht mehr retten konnen. Dennoch gibt es viele, die sich gegen die neuen Herren auflehnen mochten. Sie glauben, sie wurden wieder so bedeutend wie einst. Den Legaten, den Pompei-us geschickt hat, Marcus Aemilius Scaurus, den hat er noch gemocht, der Demoz, der Oberste des Rates, und die

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