des Hohepriesters. Die anderen in der Runde starrten mit schreckensweiten Augen auf Samu.

Auch die Priesterin konnte sich nicht erklaren, was der alte Mann hatte. Sie hatte weder etwas Ungewohnliches gespurt noch einen Schutzzauber gegen ihn gewirkt. Spielte er womoglich nur mit ihr? Sein Atem ging keuchend, doch das konnte vorgetauscht sein. Sie sollte vor ihm auf der Hut sein!

»La? mich in Frieden, Elagabal. Mir fehlt nichts!« krachzte Azemilkos wutend, dann wandte er sich Samu zu. »Sag mir, woher kommst du, Priesterin!«

»Aus Agypten. Ich bin Priesterin im Tempel von .«

»Wie sahen die Ohren des hundekopfigen Mannes aus?« unterbrach sie Archelaos. »Welche Form hatten sie?«

»Was fallt dir ein, ihr ins Wort zu fallen«, giftete Aze-milkos ihn an. »Wozu ist das uberhaupt von Bedeutung?«

»Sag mir, wie die Ohren aussahen, und ich sage dir, was es damit fur eine Bewandtnis hat, alter Mann«, entgegnete der Priesterfurst arrogant.

Azemilkos runzelte die Stirn. Eine dicke Ader schwoll an seiner Schlafe an. »Seine Ohren waren in der Tat ungewohnlich. Sie waren nicht spitz, sondern eckig, so als hatte man sie abgeschnitten. Ich hoffe fur dich, da? du jetzt eine Geschichte zu erzahlen hast, die mich deine hochfahrende Rede vergessen la?t.«

Archelaos lachelte triumphierend. »Hatte der Gott, von dem du sprachst, spitze Ohren gehabt, so ware es Anubis gewesen. Er hat den Kopf eines Schakals und geleitet die Toten hinab in das Reich des Osiris. Die seltsamen Ohren aber, die du beschrieben hast, gehoren zu Seth, dem Gott der Zerstorung, dem Wachter in der Barke der Millionen Jahre und dem Morder des Osiris. Seth ist der Schutzherr Berenikes. Wenn du ihn in deiner Vision gesehen hast, dann erubrigen sich alle anderen Fragen an die Priesterin, Azemilkos. Sie steht auf seiten der neuen Herrscherin, und wir konnen ihr trauen.«

Verwundert blickte Samu zu dem jungen Priesterfursten. »Du kennst dich erstaunlich gut mit den Gottern meines Landes aus.«

Archelaos setzte ein uberhebliches Lacheln auf. »Sagen wir, ich habe vor einiger Zeit meine Leidenschaft fur Agypten entdeckt und .«

»Was haltst du eigentlich von den Romern, Priesterin?« Iubal, der schmachtige Kaufmann an der Seite des Priesterfursten, war Archelaos unvermittelt ins Wort gefallen, so als wolle er ihn daran hindern, weiterzureden.

»Bei Hof betrachtet man die Entwicklung in Rom mit gro?er Sorge. Wie ihr vielleicht wi?t, hat die Konigin Berenike vor einigen Monaten eine gro?e Gesandtschaft nach Italien geschickt, um vor dem Senat ihr Anrecht auf den Thron zu rechtfertigen. Doch die Romer haben geduldet, da? man die Gesandten ermordete. Man sagt, da? Pompeius und der geflohene Pharao Ptolemaios fur diese schandliche Bluttat verantwortlich seien. Pompeius war begierig darauf, mit seinen Legionen den Fluchtling auf den Thron zuruckzufuhren. Doch geht es ihm dabei nicht um Gerechtigkeit, sondern es ist allein das Gold Agyptens, das ihn lockt. Ganz ahnlich sieht es mit dem zweiten machtigen Mann aus, Crassus. Man sagt, da? er den Aulus Gabinius als Proconsul von Syrien ablosen soll.

Angeblich hat Crassus schon jetzt begonnen, neue Legionen auszuheben. Man munkelt, er plane einen Krieg gegen die Parther, doch vielleicht ist auch er versucht, sich zunachst einmal das Gold Agyptens anzueignen, um damit seine weiteren Feldzuge zu finanzieren.«

»Deine Einschatzung der Lage deckt sich exakt mit unserer Auffassung uber die Plane Roms, Samu.« Elagabal war ein wenig dichter an sie herangeruckt, so da? die Priesterin jetzt die Warme seines Korpers im Rucken spuren konnte. Als er nach einer der gerosteten Tauben griff, die eine Sklavin an Stelle der Datteln auf den Tisch gestellt hatte, schmiegte er sich eng an ihren Rucken, so da? sie seinen erigierten Phallos spuren konnte. »Wir beobachten diese Entwicklung mit gro?er Sorge, mu?t du wissen. Erst vor ein paar Tagen ist Oiagros mit einem meiner Schiffe aus Ephesos zuruckgekehrt. Er hat dort in Erfahrung gebracht, da? man am Hof des Ptolemaios offenbar guten Mutes ist, schon bald nach Agypten zuruckzukehren.«

Samu stockte der Atem. Der Kapitan Elagabals war also erst vor kurzem in Ephesos gewesen! War er etwa derjenige, der das Gift gebracht hatte? Und war dieser schwitzende junge Mann in ihrem Rucken der Morder, den sie suchte? Trieb Elagabal vielleicht nur ein Spiel mit ihr? Sie durfte sich jetzt nichts anmerken lassen!

»Du vergi?t, da? Aulus Gabinius im Moment mit den aufsassigen Judaern beschaftigt ist«, wandte Iubal ein. »Wer au?er ihm sollte dem Pharao zu seinem Thron verhelfen? Nach allem, was wir aus Italien wissen, hat Pompeius seine Legionen auflosen mussen, und die Truppen des Crassus sind noch nicht zum Kampf bereit.«

»Die Judaer werden Gabinius nicht lange aufhalten«, brummte Azemilkos. »Er hat sie schon einmal besiegt und wird es wieder tun. Man mu?te ihn dazu verleiten, die Parther anzugreifen. Das ware sein Untergang.«

»Unterschatze die Judaer nicht!« Archelaos warf einen Huhnerknochen hinter sich auf den Boden und wischte sich die Hande an einem der Leinentucher ab, die auf dem Tisch lagen. »Sie sind wie die Hydra, die Herakles einst bekampfte. Ihr wi?t ja, da? fur jedes Haupt, das er dem Ungeheuer abschlug, sofort zwei neue nachgewachsen sind. Mit den Judaern ist es ganz ahnlich. Hat Gabinius sie in einer Schlacht besiegt, dann erheben sie sich sofort an zwei anderen Orten aufs neue. Sie haben den Heldenmut, der uns verlorengegangen ist. Selbst wenn die Romer ihnen drei zu eins uberlegen sind, scheuen sie es nicht, den Kampf mit ihnen aufzunehmen. Ihr werdet sehen, da? sie zuletzt triumphieren werden!«

»Du kennst diesen Romer schlecht«, wandte Elagabal auf beiden Backen kauend ein. »Er wird das Problem so wie Herakles losen. Der Held hat die Stumpfe der Hydra mit Hilfe seines Wagenlenkers ausgebrannt, so da? keine Kopfe mehr nachwachsen konnten. Genauso wird es Gabinius machen. Er wird die Stadte der Judaer niederbrennen und selbst vor einer Belagerung Jerusalems nicht zuruckschrecken, wenn dies notwendig ist. Ihr Widerstand ist ihm doch nur willkommen. So hat er einen Vorwand, plundernd durch das Land zu ziehen und sich zu bereichern. Man kann diese Metapher sogar noch weiterfuhren. Sein Wagenlenker, in ubertragenem Sinne, ist der Reitergeneral Marcus Antonius. Nach allem, was man hort, ist er der fahigste Offizier in der Armee des Gabinius.«

»Und der gro?te Saufer und Hurenbock ist er auch«, meldete sich Oiagros, der Kapitan, zu Wort. »Ich habe im letzten Jahr in Ostia einige Seeleute uber ihn reden horen, die steif und fest behaupteten, sie seien mit diesem Kriegshelden im gleichen Bordell gewesen. Angeblich hat er dort ein gro?es Wetttrinken veranstaltet und es auch gewonnen.«

Samu dachte an ihre Begegnung mit Marcus Antonius. Kleopatra hatte fur ihr Dafurhalten zu viel Interesse an dem jungen Soldaten gezeigt, doch er hatte sich tadellos verhalten.

Wahrend ihrer gemeinsamen Reise nach Misenum hatte sie Antonius nicht ein einziges Mal betrunken erlebt.

»Vielleicht ist das gerade sein Geheimnis«, wandte Elagabal ein. »Er hurt und sauft wie ein gemeiner Soldat. Seine Krieger betrachten ihn als einen der ihren und nicht als irgendein Patriziersohnchen, das eine Weile Soldat spielen mu?, um in seiner politischen Karriere weiterzukommen.«

»Was hat das fur uns fur eine Bedeutung?« schnaubte Archelaos verachtlich. »Ein Soldat ist so gut wie der andere.«

»Ich glaube, du hast die Lage nicht ganz begriffen, mein junger Freund.« Azemilkos hatte sich ein wenig aufgerichtet und wandte sich zu dem Priesterfursten. »Mit einem anderen Mann hatte man vielleicht reden konnen, oder es ware moglich gewesen, ihn einzuschuchtern. Bei Marcus Antonius wird das nichts nutzen. Er wird kommen und seinen Befehl ausfuhren. Nichts wird ihn daran hindern, die Grundsteinlegung zu dem Aquaeduct vorzunehmen, notfalls wird er seinen Auftrag mit Waffengewalt durchfuhren.«

»Wir sind weit gekommen, wenn wir nicht einmal mehr selbst daruber bestimmen konnen, ob wir ein Aquaeduct in unserer Stadt haben wollen.«

»Das liegt daran, da? den Romern der rechte Glaube an die Gotter fehlt«, ereiferte sich der Blinde. »Sie lassen uns unsere Tempel und unsere Gotter, sie geben sich gro?zugig, doch im Zweifelsfall tun sie das, was sie fur richtig halten und ignorieren unsere Wunsche!«

»Und wenn ihr diesem Romer den Zugang zu eurer Stadt verwehrt«, fragte Archelaos. »Tyros ist doch eine fast uneinnehmbare Festung.«

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