»Die leider von einer romischen Garnison besetzt ist. Au?erdem haben wir keine Soldaten. Nur mit ein paar aufgebrachten Burgern werden wir keine romischen Legionare vertreiben«, entgegnete Elagabal nuchtern. »Machen wir uns nichts vor, meine Freunde, wir allein werden uns der Romer nicht erwehren konnen.« Der Kaufmann wandte sich an Samu. »Du mu?t wissen, da? es eine Prophezeiung gibt, da? Melkart unsere Stadt verlassen wird und von Tyros nichts bleibt als ein Felsen voller Ruinen, wenn eines Tages sprudelndes Quellwasser auf der Insel entspringt. Genau das werden uns die Romer antun, wenn sie ihr Aquaeduct bauen. Zweimal haben wir Gesandtschaften zu Aulus Gabinius geschickt, doch der Proconsul war so sehr mit seinen Kriegen beschaftigt, da? er die Gesandten nicht einmal empfangen hat. Aber genug jetzt von der Politik. Erzahle uns vom Hof der Berenike. Wir alle sind gespannt darauf, Neuigkeiten aus Agypten zu horen.«

»Aber ich sagte doch schon, da? ich nicht mehr zum Hofstaat gehore. Vor zwei Jahren noch war ich die Lehrerin der Prinzessinnen Arsinoe und Kleopatra. Doch zur Zeit der Nilschwemme, noch vor der Flucht des Ptolemaios, bin ich in meinen Tempel zuruckgekehrt. Seitdem hore auch ich nur noch Geruchte uber das, was bei Hof geschieht.«

»Nur Geruchte ...«

Die Manner auf den Klinen blickten einander an, und Samu spurte ihr Herz wie rasend schlagen. Was hatten sie von ihr erwartet? Dachten sie etwa, sie sei eine Gesandte Berenikes? Oder hielten sie sie jetzt sogar tatsachlich fur das, was sie war? Ein Spitzel in Diensten des Ptolemaios!

»Was fuhrt dich denn in unsere Stadt, Priesterin? Du bist doch sicher nicht allein gekommen, um dir im Hafen Purpurschnecken anzusehen.« Der schlacksige Iubal hatte ihr diese Frage gestellt. Sein spitzes Gesicht erinnerte Samu jetzt ein wenig an eine Ratte.

»Ich bin im Dienste meines Tempels hier. Isis hat meiner Hohepriesterin eine Vision geschickt. Sie sah ein wei?es Schiff in euren Hafen fahren, an dessen Bug eine Frauengestalt aus Licht stand. Die Hohepriesterin war nicht sicher, ob die Gottin selbst auf dem Schiff stand oder eine Herrscherin, die unter dem Schutz der Zauberreichen steht. Wegen dieser Vision wurde ich beauftragt, in den Hafen eurer Stadt zu kommen und auf ein wei?es Schiff zu warten.« Samu hoffte, da? die Manner ihr die Geschichte glaubten und da? Isis ihr diese Luge nachsah.

»Ein wei?es Schiff, an dessen Bug eine Frauengestalt aus Licht steht!« Azemilkos wiederholte nachdenklich ihre Worte. »Was fur eine verhei?ungsvolle Vision! Vielleicht ist ihr Ashtoreth, die Konigin des Himmels, erschienen?«

»Ich furchte, dieses Ratsel wird nur die Zeit losen, mein werter Freund. La?t uns jetzt die Politik und die Omen vergessen. Wir sind gekommen, ein Fest zu feiern.« Elagabal klatschte laut in die Hande. »Musikantinnen, kommt naher zu uns und spielt uns auf. Schickt auch die Tanzerinnen herein und la?t den gebratenen Ochsen auftragen. Es soll in der Stadt nicht hei?en, da? dieses Haus ein Ort der Traurigkeit sei und der Hausherr mit den Kostlichkeiten geize, die die Gotter uns zum Genusse geschenkt haben.«

Erleichtert lie? Samu sich zurucksinken. Ihr war sogar egal, da? sie sich dabei an Elagabal anlehnte. Offenbar hatten die Manner ihr geglaubt, und die Gefahr, als ein Spitzel zu gelten, war gebannt. 

13. KAPITEL

Samu stieg aus der Sanfte aus und blickte die enge Gasse hinauf, an der das Gasthaus lag, in dem sie Quartier genommen hatte. Vom Hafen her trieb Nebel in die Stadt. 

Hier und dort tauchten Ollampen hinter Fenstern die wei?en Schleier in goldenes Licht. Irgendwo verhallten Schritte. Samu war fast sicher, da? ihr jemand gefolgt war.

»Ist etwas?« Die Trager hatten die Sanfte abgestellt, und einer der jungen Manner war an ihre Seite getreten. Samu schuttelte den Kopf. »Es ist gut. Ich dachte nur ...« Die Priesterin lachelte. »Ich danke euch fur euren Dienst. Es ist spat .«

Der Mann verneigte sich kurz und gab seinen Gefahrten dann ein Zeichen, die Sanfte wieder aufzunehmen. Samu sah ihnen nach, bis die Sanfte im Nebel verschwunden war. Sie dachte an den Ha?, den Elagabal und seine Freunde gegen die Romer hegten. Wie weit sie wohl gehen wurden? Und hatten sie ihr geglaubt, da? sie auf Seiten von Berenike stand?

Samu stie? die Tur zur Schenke auf. Der Gastraum war fast leer. Mit raschen Schritten durchquerte sie ihn, ohne auf die verlorenen Gestalten zu achten, die an den niedrigen Tischen kauerten. Immer zwei Stufen auf einmal nehmend, eilte sie die schmale Holztreppe hinauf, die zu den Gastezimmern uber dem Schankraum fuhrte. Oben angekommen, blickte sie noch einmal zur Tur der Schenke hinunter. Niemand war nach ihr eingetreten. Wahrscheinlich bildete sie sich alles nur ein. Sie war einfach zu vorsichtig!

Samu schob den Vorhang zur Seite, der ihr kleines Zimmer von der Galerie trennte. Eine Ture ware ihr lieber gewesen! Jemand hatte ihr eine kleine Ollampe auf den Tisch neben dem Bett gestellt. Der Docht der Lampe war so weit heruntergeschnitten, da? die Flamme kaum mehr als ein winziger Funke in der Finsternis war. Erschopft lie? sich die Priesterin auf ihrem Lager nieder. Sie spurte, wie ihr Herz so heftig schlug.

Sie mu?te ihre Angst besiegen! Es gab keinen Grund! Morgen schon wurde sie einen Soldner anmieten, der sie bewachte.

Sie loste die Bander, die ihr Haar zusammenhielten, und legte sie auf den Tisch. Langsam wurde sie ruhiger. Unten im Schankraum ertonte das Grohlen eines Betrunkenen. Samu erhob sich von der Bettstatt und offnete den kunstvollen Knoten, der ihr Gewand zusammenhielt. Dann trat sie an das Fenster und spahte in die Finsternis. Der Nebel war noch dichter geworden. Fast alle Lichter in den Hausern ringsherum waren verloschen, und die wenigen, die noch brannten, schienen so fern wie die Sterne am Himmelsgewolbe. Vom Hafen her horte man das sanfte Platschern der Wellen. Samu legte ihr Gewand auf den Tisch. Im Halbdunkel suchte sie nach einem Tuch, mit dem sie sich die Schminke aus dem Gesicht wischen konnte. Wahrscheinlich sah sie aus wie die Gorgo. Die Priesterin lachelte. Eitelkeit war ein neuer Zug an ihr. Ob sie das von Kleopatra hatte? Wie es der Kleinen jetzt wohl ging? Hoffentlich lie? Ptolemaios sie in Ruhe.

Samu warf das olgetrankte Tuch zur Seite und streckte sich auf das Bett. Die Decke war aus einem groben Wollstoff und kratzte furchterlich. Wenn sie sich ein wenig mehr auf das Werben Elagabals eingelassen hatte, dann wurde sie jetzt zwischen Decken aus feinem Leinen liegen. Vielleicht sollte sie ausloten, wie weit sie gehen konnte, ohne ihm in einer Art entgegenkommen zu mussen, die ihr nicht behagte. Er konnte ihr sicher ein besseres Quartier verschaffen.

Und wenn er der Giftmorder war? Sie dachte daran, wie freimutig er erzahlt hatte, da? sein Kapitan Oiagros erst vor kurzem in Ephesos war. Ob es wohl Aufzeichnungen daruber gab, was er auf seinem Schiff transportiert hatte? Auch das wurde sie leichter herausfinden, wenn sie dem Werben des Kaufmanns ein wenig entgegenkame. Wenn sie in einem der Gastezimmer in seinem Haus unterkam, dann wurde sie vielleicht auch unauffallig den einen oder anderen Schreiber des Handelskontors aushorchen konnen.

Samu horte, wie der Wirt unten den schweren holzernen Riegel vor die Tur legte. Offenbar war der letzte Gast gegangen.

Sie konnte nun beruhigt schlafen. Jedenfalls, so weit man das in einem Gemach tun konnte, das keine Tur besa?.

Samu war davon erwacht, da? sie plotzlich, fast krampfartig, zusammengezuckt war. Benommen blinzelte sie in die Finsternis. Drau?en war es noch immer dunkel. Sie wu?te nicht, ob sie nur wenige Augenblicke oder schon mehrere Stunden geschlafen hatte. Noch immer brannte die winzige Flamme auf dem gestutzten Docht der Lampe. Am anderen Ende der Kammer, dicht beim Fenster, knirschten die holzernen Bodendielen.

Jetzt wu?te Samu, was sie geweckt hatte. Sie war nicht mehr allein in der Kammer. Angestrengt spahte sie ins Dunkel. Jetzt war es wieder still. Spielten ihr ihre Sinne einen Streich? Vorsichtig tastete sie nach dem Dolch, den sie neben dem Bett auf den Tisch gelegt hatte.

Wieder knarrten die Bodenbretter. Ein Schatten loste sich aus der Finsternis neben dem Fenster.

»Du wirst dein Messer nicht brauchen, Samu«, erklang eine dunkle Mannerstimme.

Die Priesterin schluckte. Der Fremde kannte ihren Namen, und er sprach agyptisch! »Wer bist du? Und was willst du von mir?«

»Kennst du mich denn nicht mehr?« Die Gestalt trat jetzt dicht vor den Tisch. Der Mann war nur mittelgro?

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