Pferde. Das war nicht weiter verwunderlich, zieht man in Betracht, da? wir nach Belieben uber die koniglichen Stallungen verfugen durften. Zusatzlich hatte uns Nylephta noch vier herrliche Reitpferde uberlassen.

Manchmal vergnugten wir uns auch auf der Falkenjagd, die eine au?erst beliebte Freizeitbeschaftigung bei den Zu-Vendi darstellt. Sie richten ihre Vogel gewohnlich auf eine Rebhuhngattung ab, die sich durch die gro?e Schnelligkeit und die bemerkenswerte Ausdauer ihres Fluges auszeichnet. Wenn dieses Rebhuhn von dem Falken angegriffen wird, verliert es anscheinend den Kopf und fliegt, statt einen sicheren Schutz zu suchen, in schwindelnde Hohen hinauf und bietet damit naturlich dem Falken ein hervorragendes Angriffsziel. Einmal wurde ich Zeuge, wie ein Rebhuhn, das von einem Falken verfolgt wurde, so hoch aufstieg, da? ich es beinahe aus dem Blick verloren hatte. Ein noch besseres Opfer fur den Falken bietet eine Spielart der Einsiedlerschnepfe, die fast die Gro?e einer kleinen Waldschnepfe erreicht und in diesem Lande sehr haufig vorkommt. Man jagt sie mit einem sehr kleinen, beweglichen, hervorragend abgerichteten Falken, der einen fast roten Schwanz besitzt. Der Zickzacklauf der gro?en Schnepfe und der pfeilschnelle Flug und die blitzartigen Bewegungen des rotschwanzigen Falken machen diesen Zeitvertreib zu einem hochst erbaulichen Vergnugen. Eine andere Variante dieses Sports ist die Jagd auf eine sehr kleine Antilopenart mit abgerichteten Adlern; und es ist wirklich ein grandioses Erlebnis, den gro?en Vogel zu beobachten, wie er in den Ather steigt, bis man ihn nur noch als winzigen schwarzen Fleck im Sonnenlicht erkennen kann, und dann, ganz plotzlich, kommt er heruntergeschossen wie eine Kanonenkugel und sturzt sich auf den Bock, der, vor allem verborgen au?er dem alles durchbohrenden Blick des Adlers, irgendwo im Gras kauert. Das ganze Schauspiel ist noch schoner, wenn der Adler die Antilope in vollem Lauf schlagt.

An manchen Tagen fuhren wir hinaus auf die Landsitze einiger hoher Adeliger und besichtigten ihre wunderschonen Festungen mit den hinter ihre Mauern geschmiegten Dorfern. Wir sahen Weingarten, Kornfelder und gepflegte parkahnliche Anlagen mit herrlichen Baumen, bei deren Anblick mir oftmals das Herz hoher schlug; denn ich liebe schone Baume uber alles. Kraftig und standhaft stehen sie da, so stark und doch voller Schonheit, eine wahre Verkorperung edlen Mannestums. Wie stolz ein edler Baum sein bares Haupt gegen den winterlichen Sturm erhebt, und mit welch freudig vollem Herzen er frohlockt, wenn der Fruhling zuruckgekehrt ist! Und wie erhaben seine Stimme erklingt, wenn er mit dem Winde spricht: Selbst der Klang von tausend Aeols-harfen kommt nicht dem wunderbaren Seufzen des Windes gleich, wenn er durch einen Baum in voller Blatterpracht rauscht. Am Tage ist er auf die Sonne gerichtet, und des Nachts auf die Sterne, und so uberdauert er leidenschaftslos, und zugleich doch so voll mit Leben, die Jahrhunderte, ob es sturmt, oder ob die Sonne scheint, und er saugt seinen Lebenssaft aus dem kuhlen Busen der Mutter Natur, und wahrend die Jahre langsam dahingehen, erfahrt er das Geheimnis des Wachstums und des Verfalls. Und ganze Generationen uberdauert er, er uberlebt Personen, Reiche, Dynastien - alles, bis auf die Erde, die er schmuckt und Mutter Natur selbst - bis zu jenem Tage, an dem der Wind in dem langen Kampfe den Sieg davontragt und sich des wieder errungenen Platzes erfreuen kann, oder bis der Verfall zu seinem letzten, zerstorerischen Schlag ausholt und den schon vom Tode gezeichneten Baum niederstreckt.

Das Abendessen pflegten Sir Henry, Good und ich gemeinsam mit den koniglichen Majestaten einzunehmen - zwar nicht immer, aber wohl drei oder vier Mal die Woche, wann immer es ihnen an Gesellschaft ermangelte, oder die Staatsgeschafte ihnen dazu Zeit lie?en. Und ich mu? sagen, da? diese gemeinsamen Mahlzeiten die reizendsten ihrer Art waren, die ich je erlebt hatte. Ich glaube wirklich, da? der ungeheure Liebreiz, den Nylephta ausstrahlt, in erster Linie in ihrer reizenden Schlichtheit und Unkompliziertheit begrundet ist und in ihrem nicht gespielten, freundlichen Interesse, das sie selbst kleinen, unwichtig erscheinenden Dingen gegenuber an den Tag legt. Sie ist die einfachste Frau, die je kennenzulernen mir vergonnt war, und sie ist, sofern ihre Leidenschaften nicht beruhrt werden, auch die bezauberndste von allen Frauen, die ich je sah; aber wann immer es erforderlich erscheint, dann kann sie auch wahrhaft koniglich und wurdig auftreten und so heftig und ungestum sein wie eine echte Wilde.

So werde ich zum Beispiel niemals jene Situation vergessen, in der mir zum erstenmal klar wurde, da? sie verliebt war in Curtis. Die ganze Sache wurde ins Rollen gebracht durch Goods bekannte Schwache fur weibliche Gesellschaft. Nachdem wir etwa drei Monate lang eifrig jeden Tag Zu-Vendi gelernt hatten, war Master Good der ehrwurdigen alten Herren, die so freundlich gewesen waren, uns mit gutem Erfolg in die Geheimnisse des Zu- Vendi einzufuhren, uberdrussig. Und ohne auch nur ein Sterbenswortchen einem von uns gegenuber daruber zu verlieren, gab er ihnen zu verstehen, da? er der Ansicht sei, man konne nur dann tiefer in die Feinheiten einer Fremdsprache eindringen, wenn man von Damen unterrichtet wurde - jungen Damen, wie er nicht ausdrucklich hinzuzufugen verga?. Au?erdem sei das ein wissenschaftlich erwiesenes Faktum. In seinem eigenen Lande, so erklarte er ihnen im Brustton der Uberzeugung, sei es gang und gabe, da? man die bestausse-henden und reizvollsten Madchen aussuche, die man finden konne, wolle man Fremden, die der Zufall ins Land verschlagen habe, die Sprache beibringen.

Die alten Herren standen mit offenem Mund da. Es ware, so gaben sie zu, etwas Wahres in seinen Worten, fuhre doch die Betrachtung des Schonen, wie ihre Philosophie lehrte, zu einer gewissen Durchlassigkeit des Geistes, ahnlich der, die der heilsame Einflu? von Sonne und Luft beim physischen Korper hervorrufe. Folglich ware die Wahrscheinlichkeit hoch, da? wir die Sprache der Zu-Vendi ein wenig schneller absorbieren konnten, wenn man passende Lehrkrafte fur uns finde. Ein weiterer Vorteil ware darin zu sehen, da? wir, da ja das weibliche Geschlecht bekanntlich etwas geschwatzig ware, hervorragende Praxis im Viva-voce- Bereich unserer Sprachstudien erlangen wurden.

Diesen Ausfuhrungen pflichtete Good eifrig bei, und alsbald entschwanden die Herren mit der festen Zusicherung, ihre Anweisungen wurden voll und ganz unseren Wunschen entsprechen, und man wurde sich bemuhen, unserem Geschmack so gut wie moglich gerecht zu werden.

Sie konnen sich daher, verehrter Leser, vorstellen, wie uberrascht und gleichzeitig argerlich ich war -und ich bin sicher, Sir Henry teilte in diesem Punkt voll und ganz meinen Standpunkt -, als wir am darauffolgenden Morgen beim Betreten des Raumes, in dem wir wie gewohnlich unsere Studien fortsetzen wollten, anstelle der ehrwurdigen alten Herren drei der bestaussehenden jungen Damen vorfanden, die Milosis aufbieten konnte - und das will schon etwas hei?en! Als wir eintraten, erroteten sie heftig, machten schuchtern lachelnd einen Knicks und gaben uns zu verstehen, da? sie gekommen waren, unsere Anweisungen auszufuhren. Und wahrend wir noch dastanden und uns verblufft anstarrten, hielt Good die Zeit fur gekommen, uns zu sagen, da? die alten Herren ihn am Abend zuvor unterrichtet hatten, sie hielten es fur absolut notwendig, da? unsere weitere sprachliche Unterweisung von Mitgliedern des anderen Geschlechts durchgefuhrt werde. Ich fuhlte mich von der Situation vollig uberrumpelt und wandte mich an Sir Henry mit der Bitte um einen Rat in einer derartigen Krise.

»Hm«, sagte er, wobei er sich rausperte, »wie ihr seht, sind die Damen nun einmal hier, nicht wahr? Wenn wir sie nun wieder fortschicken, glaubt ihr nicht, da? wir damit ihre Gefuhle verletzen? Wir wollen doch nicht unhoflich und grob sein, oder? Und au?erdem - sehen sie nicht bezaubernd aus?«

Mittlerweile hatte Good schon seine Lektion mit der hubschesten von den dreien begonnen; zu andern war ohnehin nichts mehr an der Situation. Also seufzte ich einmal tief und ergab mich in mein Schicksal. An jenem Tag verlief alles bestens: die jungen Damen waren wirklich sehr klug, und sie lachelten auch nur dann, wenn einer von uns einen Schnitzer machte. Good war so eifrig bei der Sache wie nie zuvor, und sogar Sir Henry paukte Zu-Vendi mit ganz neuem Elan. Je nun, dachte ich, ob das wohl lange so anhalt?

Tags darauf waren wir schon weit lebendiger als am Vortage: Unsere Studien waren angenehm aufgelockert mit Fragen, die unser Heimatland betrafen: z.B. wie die Frauen in England waren etc. Wir beantworteten alle Fragen so gut wir konnten auf Zu-Vendi, und ich horte, wie Good seiner Lehrerin versicherte, ihr Liebreiz sei im Vergleich mit den Schonheiten Europas wie der der Sonne im Vergleich zum Mond, worauf sie neckisch den Kopf zuruckwarf und erwiderte, sie sei nichts weiter als eine schlichte, unscheinbare Lehrerin, und es ware nicht nett, ein armes Madchen so in Verlegenheit zu bringen. Danach sangen sie uns ein Lied vor; es war wirklich ganz reizend, so naturlich und unaffektiert. Die Liebeslieder der Zu-Vendi sind sehr schon und ergreifend.

Am dritten Tag waren wir schon ganz vertraut miteinander; Good erzahlte seiner hubschen Lehrerin seine letzten Liebesaffaren, was sie so sehr ruhrte, da? sich ihre Seufzer mit den seinigen vermengten. Ich plauderte mit der meinigen, einem aufgeweckten, blauaugigen Geschopf, uber die Kunst der Zu-Vendi, wahrend hinten in der Ecke Sir Henry mit seiner Erzieherin allem Anschein nach gerade dabei war, eine anschauliche Lektion durchzunehmen. Die Dame wiederholte mit sanft vibrierender Stimme das Zu-Vendi-Wort fur >Hand<, woraufhin er die ihrige zartlich ergriff; sie sagte das Wort fur >Augen<, und er schaute tief in ihre rehbraunen Pupillen; dann sagte sie das Wort fur >Lippen<, und - aber just in dem Moment offnete sich die Tur und, begleitet von nur zwei Wachtern, spazierte Nylephta herein! Good horte auf der Stelle mit seiner

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