Seufzerei auf und radebrechte mit lauter Stimme Zu-Vendi. Sir Henry stie? einen Pfiff aus und machte ein damliches Gesicht. Und die armen Madchen standen mit hochroten Kopfen da und wu?ten nicht, was sie sagen sollten.

Nylephta reckte sich, bis ihr Korper die der hochgewachsenen Gardisten zu uberragen schien; ihr Gesicht lief erst rot an, und dann wurde es bleich wie der Tod.

»Wachter«, sagte sie mit leiser, erstickter Stimme und zeigte auf die gelehrige, aber unfreiwillige Schulerin Sir Henrys, »totet diese Frau!«

Die Manner zogerten.

»Wollt ihr meinen Befehl ausfuhren«, sagte sie wieder mit derselben, muhsam beherrschten Stimme, »oder nicht?«

Sie gingen mit erhobenen Speeren auf das Madchen zu. Mittlerweile hatte Sir Henry sich wieder von dem Schrecken erholt. Er merkte, da? die Komodie dabei war, in eine Tragodie umzuschlagen.

»Zuruck!« rief er mit donnernder Stimme; gleichzeitig stellte er sich schutzend vor das zu Tode erschrockene Madchen. »Scham dich, Nylephta -scham dich! Du wirst sie nicht toten!«

»Zweifellos hast du allen Grund, sie in Schutz zu nehmen. Du konntest kaum etwas weniger Ehrenhaftes tun!« erwiderte die Konigin, bebend vor Wut.

»Aber sie soll sterben - ich will, da? sie stirbt!« Sie stampfte wutend mit dem Fu? auf.

»Wohlan denn!« gab er zur Antwort. »Dann werde ich mit ihr zusammen sterben! Ich bin dein Diener, o Konigin; mache mit mir, was du willst!« Und dann beugte er sich zu ihr herunter und schaute ihr mit seinen offenen, klaren Augen voller Verachtung ins Gesicht.

»Am liebsten wurde ich dich auch toten lassen«, antwortete sie; »denn du machst mich zum Gespott.« Und als sie spurte, da? sie besiegt war, und, wie ich vermute, nicht wu?te, was sie anderes hatte tun konnen, brach sie in ein solches Meer von Tranen aus und schaute dabei so koniglich reizend aus in ihrem leidenschaftlichen Kummer, da? ich, alt wie ich bin, Curtis um seine Aufgabe, sie zu trosten, zutiefst beneidete. Es war schon recht komisch, zu sehen, wie er sie in den Armen hielt, bedenkt man, was soeben noch vorgefallen war; dies schien auch ihr plotzlich bewu?t zu werden, denn sie wand sich aus seinem Arm und lie? uns mit unserer Betroffenheit allein.

Kurz darauf kam einer der Gardisten zuruck und uberbrachte den Madchen eine Botschaft, da? sie auf der Stelle, andernfalls sie mit dem Tode bestraft wurden, die Stadt verlassen mu?ten und sich wieder in ihre Heimat auf dem Lande zu begeben hatten; ansonsten wurde ihnen nichts weiter geschehen. Sie machten sich sogleich auf; eine von ihnen bemerkte noch, man konne eben nichts daran andern, und es sei sehr befriedigend, zu wissen, da? sie uns ein wenig nutzliches Zu-Vendi beigebracht hatten. Meine war ein au?erst nettes Madchen, und ich schenkte ihr zum Abschied meinen Lieblingsglucksbringer, ein Sixpence-Stuck mit einem Loch darin. Nach diesem Zwischenfall nahmen wieder unsere vorherigen Lehrer den Unterricht auf, zu meiner gro?en Erleichterung, wie ich wohl nicht extra zu betonen brauche.

An jenem Abend begaben wir uns etwas unbehaglich an die konigliche Tafel. Nylephta lie? sich entschuldigen; sie liege mit starken Kopfschmerzen zu Bett. Diese Kopfschmerzen hielten drei volle Tage an; am dritten Tag war sie jedoch wieder wie gewohnlich beim Abendessen zugegen, und mit dem anmutigsten und su?esten Lacheln der Welt bot sie Sir Henry ihre Hand, um sich an die Tafel geleiten zu lassen, und mit keinem Wort erwahnte sie den Zwischenfall. Damit war das Thema endgultig beendet. Nach dem Abendessen geruhte Nylephta, uns einer Prufung zu unterziehen, um zu sehen, was wir gelernt hatten; sie war mit dem Resultat sehr zufrieden. Sie lie? sich sogar dazu herab, uns - insbesondere Sir Henry - eine Privatstunde zu erteilen, und es war in der Tat eine sehr interessante.

Und die ganze Zeit uber, wahrend wir plauderten, oder vielmehr, uns bemuhten, zu plaudern, und lachten, sa? Sorais da in ihrem geschnitzten Elfenbeinstuhl, schaute uns zu und las in unseren Gesichtern wie in einem Buch. Nur dann und wann streute sie eine Bemerkung ein und lachelte dabei ihr fluchtiges, geheimnisvoll dunkles Lacheln, das mir erschien wie ein Blitz, der in einem Sommergewitter durch eine dunkle Wolke fahrt. Und in ihrer Nahe, so nahe, wie er sich eben heranwagte, sa? Good und schaute sie hingebungsvoll durch sein Monokel an. Er war auf dem besten Wege, sich ernsthaft in diese dunkle Schonheit zu verlieben, vor der ich personlich schreckliche Furcht empfand. Ich beobachtete sie sehr genau, und bald war mir klar, da? all ihre zur Schau getragene Gelassenheit nur dazu diente, die bittere Eifersucht, die sie Nylephta gegenuber empfand, zu verbergen. Und noch etwas bemerkte ich an ihr; eine Erkenntnis, die mich in Angst und Schrecken versetzte: auch sie war auf dem besten Wege, sich in Sir Henry Curtis zu verlieben! Ich war naturlich nicht sicher; es ist nicht leicht, einer so kuhlen, stolzen Frau die Gefuhle vom Gesicht abzulesen. Aber ich war doch ziemlich sicher, zwei oder drei Anzeichen bemerkt zu haben, und, wie Elefantenjager wissen: trockenes Gras zeigt am besten, woher der Wind weht.

Und so vergingen drei weitere Monate. Inzwischen hatten wir alle einen beachtlichen Stand im Zu-Vendi, einer im Grunde auch recht leicht zu erlernenden Sprache, erreicht. Mit der Zeit hatten wir eine riesige Beliebtheit bei der Bevolkerung, ja sogar bei den Adeligen des Hofes, erlangt. Wir standen in dem Ruf enormer Klugheit, und zwar in erster Linie deshalb, weil Sir Henry - ich glaube, ich erwahnte es bereits -in der Lage war, ihnen zu zeigen, wie Glas hergestellt wurde (womit in der Tat ein gro?er nationaler Mangel behoben werden konnte); aber auch deshalb, weil wir mit Hilfe eines aus England mitgebrachten Kalenders, der eine Ubersicht uber die kommenden zwanzig Jahre bot, Voraussagen uber diverse Himmels- und Gestirnskombinationen machen konnten, die die einheimischen Astronomen nicht vorausgesehen hatten. Es gelang uns sogar, vor einer Versammlung von Gelehrten, das Prinzip der Dampfmaschine zu demonstrieren; was die Herren mit gro?em Erstaunen erfullte. Und noch weitere derartige Dinge brachten wir ihnen bei. Und so kam es, da? das Volk an die Koniginnen appellierte, man durfte auf keinen Fall zulassen, da? wir au?er Landes gingen (was wir ohnehin, selbst, wenn wir es gewollt hatten, kaum hatten tun konnen). Wir wurden mit Ehrungen geradezu uberhauft: man ernannte uns sogar zu Offizieren der Leibwache Ihrer Majestaten, der Koniginnen. Man teilte uns feste Quartiere im Palast zu, und bei wichtigen politischen Fragen von nationaler Bedeutung wurde unser Rat eingeholt.

Und so ware alles eitel Sonnenschein fur uns gewesen, wenn sich nicht am Horizont drohend eine gro?e Wolke zusammengeballt hatte: Zwar war der Zwischenfall mit den verdammten Flu?pferden nie wieder erwahnt worden, aber das bedeutete beileibe nicht, da? unser Sakrileg vergeben und vergessen war, oder da? die wutende Feindschaft, die die Priesterschaft, angefuhrt von dem machtigen Hohepriester Agon, gegen uns hegte, besanftigt war. Im Gegenteil - sie loderte um so heller, je mehr sie aufgrund unserer allgemeinen offentlichen Beliebtheit unterdruckt werden mu?te, und was vielleicht aus purer Frommelei begonnen hatte, war mittlerweile zu tiefem, aus Neid genahrtem Ha? geworden. Bisher namlich waren die Priester immer die weisen Manner im Lande gewesen, und man hatte sie deshalb, und daruber hinaus noch aus Grunden des Aberglaubens, mit besonderer Ehrfurcht betrachtet. Unser Erscheinen jedoch hatte den jahrhundertealten Stand der Dinge erheblich aus dem Gleichgewicht gebracht; mit unserem fur die Bevolkerung fast ubernaturlich anmutenden Wissen, mit unseren fremdartigen Erfindungen und unseren Hinweisen auf bisher unvorstellbar gehaltene Dinge hatten wir, insbesondere bei den gebildeten Zu-Vendi, ein unerhortes Prestige erlangt und gleichzeitig die bornierte Priesterschaft in den Augen der Bevolkerung von ihrem Sockel des Hochmuts heruntergeholt. Was ihnen jedoch als noch viel gro?erer Affront erscheinen mu?te, waren die ungeheure Beliebtheit und die offiziellen Ehrungen, die wir genossen. All dies hatte bewirkt, da? wir der gesamten Priestersippschaft, und damit der machtigsten, weil am straffsten organisierten Interessengruppe innerhalb des Staatsgefuges, ein unertraglicher Dorn im Auge waren.

Einen anderen Herd standig drohender Gefahr stellte der wachsende Neid seitens einiger machtiger Adeliger, an ihrer Spitze Nasta, fur uns dar. Lange Zeit hatte ihre Abneigung uns gegenuber nur muhsam verschleiert im Verborgenen geschwelt, und nun drohte sie, in eine hell auflodernde Flamme offener Feindschaft umzuschlagen. Nasta war schon seit einigen Jahren ein aussichtsreicher Kandidat fur die Hand Nylephtas gewesen, und ich glaube, nach allem, was ich gehort und gesehen hatte, da? er zu dem Zeitpunkt, als wir auf der Bildflache erschienen, ungeachtet der Tatsache, da? es noch einige Hindernisse aus dem Weg zu raumen galt, seinem Ziel ein ganzes Stuck nahergekommen war. Aber mit einem Male war alles anders geworden: die scheue Nylephta lachelte plotzlich nicht mehr schuchtern in seine Richtung, sobald er irgendwo auftauchte, und er hatte sehr bald die Grunde dafur erraten. Enttauscht und au?er sich vor Zorn hatte er seine Aufmerksamkeit Sorais zugewandt und nur zu bald feststellen mus-sen, da? er ebensogut einer Wand den Hof hatte machen konnen. Das einzige, was er von der stolzen Konigin Sorais geerntet hatte, waren ein oder zwei bittere Scherze uber seinen Wankelmut, und damit war ihm auch diese Tur fur immer vor der Nase zugeschlagen worden. Also war ihm nichts

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