anderes ubriggeblieben, als sich der drei?igtausend grimmigen Schwertkampfer zu entsinnen, die auf sein Kommando uber die Passe der nordlichen Gebirgskette einfallen wurden, wenn er es wollte; und ich bin sicher, er hatte hoch und heilig geschworen, die Tore von Milo-sis mit unseren Kopfen zu zieren.
Wie wir jedoch bald erfahren sollten, hatte er zunachst einmal einen anderen Entschlu? gefa?t: und zwar hatte er die Absicht, einen erneuten Versuch zu machen und Nylephta um ihre Hand zu bitten. Dies sollte vor Augen des ganzen Hofes geschehen, sobald die alljahrlich stattfindende Zeremonie der Unterzeichnung der Gesetze, die im Laufe des Jahres von den Koniginnen proklamiert worden waren, vorbei war.
Auf diese verbluffende Neuigkeit reagierte Nyle-phta mit gespielter Gleichgultigkeit und Gelassenheit. Ihre Stimme zitterte jedoch ein wenig, als sie uns am Vorabend der gro?en Zeremonie der Gesetzesunterzeichnung die Nachricht brachte, wahrend wir wie gewohnlich gemeinsam beim Abendessen sa?en.
Sir Henry bi? sich auf die Lippen; er gab sich kaum die Muhe, seine Erregung, die ob dieser Nachricht von ihm Besitz ergriffen hatte, zu verbergen.
»Und welche Antwort gedenkt Ihre Majestat dem gro?en Fursten zu geben?« fragte ich, wobei ich mich um einen moglichst scherzhaft klingenden Ton bemuhte.
»Antworte selbst, Macumazahn« (wir waren namlich ubereingekommen, uns in Zu-Vendi mit unseren Zulunamen anreden zu lassen), erwiderte sie und hob anmutig ihre alabasterfarbenen Schultern. »Was bleibt einer armen Frau schon anderes ubrig, als zu gehorchen, wenn der Freier uber drei?igtausend Schwerter verfugt, mit denen er seinem Werben Nachdruck verleihen kann?« Und durch ihre langen Wimpern hindurch sah sie Curtis an.
Wir waren gerade im Begriff, in einen anderen Raum hinuberzugehen, als Curtis mich am Arm packte und beiseite nahm. »Quatermain, einen Augenblick - ich mochte dir etwas sagen. Ich habe zwar noch nie uber das Thema gesprochen, aber ich bin sicher, du hast schon erraten, worum es sich handelt: Ich liebe Nylephta. Was soll ich blo? tun?«
Glucklicherweise hatte ich das Problem schon mehr oder weniger in Betracht gezogen und war deshalb in der Lage, ihm die Antwort zu geben, die mir unter den gegebenen Umstanden die klugste zu sein schien.
»Du mu?t noch heute nacht mit Nylephta sprechen«, sagte ich ihm. »Jetzt mu? es geschehen - jetzt oder nie. Hor zu: Geh gleich im Salon ganz nah an sie heran und flustere ihr zu, da? du sie um Mitternacht an der Rademas-Statue am Ende der gro?en Halle treffen mochtest. Ich werde auch dort sein und aufpassen, da? niemand euch dort sieht. Und vergi? nicht: jetzt oder nie, Curtis!«
Wir schlenderten hinuber in den Salon. Nylephta hatte schon Platz genommen. Sie starrte auf ihre Hande hinab; ein trauriger, angstvoller Ausdruck lag in ihren Augen. Ein Stuck von ihr entfernt sa? Sorais und unterhielt sich mit Good; ich horte ihre ruhige, gemessene Stimme deutlich zu mir heruberschallen.
Die Zeit verrann. In einer Viertelstunde - das wu?te ich - wurden sich die Koniginnen wie gewohnlich in ihre Gemacher zuruckziehen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Sir Henry noch keine Gelegenheit gehabt, Nylephta fur einen Moment unter vier Augen zu sprechen; sooft wir die koniglichen Schwestern auch sahen, eine Gelegenheit, sie einmal allein zu sehen oder zu sprechen, gab es nur sehr selten. Ich zermarterte mir das Gehirn, und dann hatte ich plotzlich eine Idee.
»Wurde die Konigin die Gute haben«, sagte ich, wobei ich mich vor Sorais verbeugte, »ihren Dienern etwas vorzusingen? Unsere Herzen sind schwer in dieser Nacht; sing uns ein Lied, o Herrin.«
»Meine Lieder sind nicht von der Art, da? sie einem das Herz erleichtern konnten, Macumazahn, und doch; wenn es dir Freude bereitet, dann will ich gern singen«, war ihre Antwort. Und dann erhob sie sich und ging ein paar Schritte zu dem Tisch, auf dem ein Instrument lag, das einer Zither nicht unahnlich war. Gedankenverloren schlug sie leise ein paar Saiten an.
Und dann, ganz plotzlich und unvermittelt, erhob sie ihre weiche Stimme zu einem Lied; ihre Stimme klang so wild und su? wie der Gesang eines klagenden, aus voller Kehle jubilierenden Vogels - und doch war der Refrain so unheimlich und traurig, da? mir fast das Blut in den Adern gefror. Hoch, immer hoher, schwebten die Klange, weit in der Ferne schienen sie zu verhallen, um sich dann wieder zu voller Kraft aufzuschwingen und weiterzufliegen - beladen mit allem Kummer der Welt und mit all der Verzweiflung der Verlorenen ... Es war ein herrliches Lied, aber ich hatte nicht die Mu?e, mich seinem Klang gebuhrend zu widmen. Ich bekam jedoch spater die Gelegenheit, mir den genauen Text anzusehen. Hier ist eine Ubersetzung seines Leitmotivs, soweit eine solche uberhaupt moglich ist:
»Los, Curtis - jetzt!« flusterte ich, in dem Augenblick, als Sorais mit der zweiten Strophe anfing. Dann wandte ich ihm wieder den Rucken zu.
»Nylephta«, sagte er im Flusterton - ich war unter einer solch starken nervlichen Anspannung, da? ich jedes Wort verstehen konnte, obwohl sie sehr leise miteinander sprachen und trotz Sorais' gottlichem Gesang -, »Nylephta, ich mu? heute nacht mit dir sprechen - so wahr ich lebe, ich mu? es! Sag nicht nein; oh, bitte sag nicht nein!«
»Aber wie kann ich mit dir sprechen?« fragte sie, die Augen starr nach vorn gerichtet. »Koniginnen sind nicht wie andere Menschen. Ich bin standig von Wachen umgeben.«
»Hore, Nylephta, wie es geschehen soll: Ich werde um Mitternacht bei der Statue des Rademas in der gro?en Halle sein. Ich kenne das Losungswort und kann die Halle unbehelligt betreten. Macumazahn wird auch dort sein und uns warnen, wenn jemand naht. Bei ihm wird auch der Zulu sein. O komme, meine Konigin, weise mich nicht ab!«
»Es geziemt sich nicht«, sagte sie leise, »und morgen ... «
In diesem Augenblick verklangen die letzten klagenden Tone des Refrains, und Sorais drehte sich langsam um.
»Ich werde dort sein«, sagte Nylephta hastig; »sieh zu, da? wir uns nicht verpassen.«