meines Wissens nach auch recht haufig in sudeuropaischen Landern findet. Ob der junge Mann dabei ernste Absichten verfolgt oder nicht, spielt dabei keine Rolle; jedenfalls werden solche Standchen nicht als Beleidigung aufgefa?t. Man hat halt seinen Spa? daran, und selbst Damen hochsten Ranges fassen das ganze Spektakel etwa so auf, wie ein englisches Madchen etwa ein freundliches Kompliment auffassen wurde.

Sich diesen Brauch zunutze machend, beschlo? der gute Good also, Sorais ein Standchen zu bringen. Ihre Privatgemacher lagen, gemeinsam mit denen ihrer Zofen, direkt den unsrigen gegenuber, das hei?t, auf der gegenuberliegenden Seite eines engen Hofes, der einen Teil des riesigen Palastes vom anderen trennte. Nachdem er sich mit einer der landesublichen Zithern bewaffnet hatte, auf der er in seiner Eigenschaft als passabler Gitarrenspieler recht schnell gelernt hatte, ein paar Akkorde zu zupfen, begab sich der Unglucksrabe zu mitternachtlicher Stunde - also genau der passenden Zeit fur derartiges Katzengejammer - vor das Fenster seiner Angebeteten, um sein Liebesgeschluchze ertonen zu lassen. Ich schlief schon fest, als sein Gegreine anfing, aber es machte mich auf der Stelle hellwach - denn Good besitzt eine gewaltige Stimme und hat daruber hinaus kein Zeitgefuhl. Ich sprang aus dem Bett und rannte ans Fenster, um zu sehen, was los war. Und unten, im vollen Mondlicht, stand Good. Er trug einen riesigen Kopfschmuck aus Strau?enfedern und ein flatterndes Seidengewand - wohl genau das Passende bei einer derartigen Gelegenheit - und gab mit grolender Stimme das abscheuliche Lied zum besten, das er und der alte Herr fabriziert hatten. Dazu klimperte er abgehackt auf der Zither herum. Es war wirklich ein ohrenbetaubender Alptraum. Aus der Richtung der Zofengemacher erklang ein leises Kichern; hinter den Fenstern von Sorais hingegen - die ich, sofern sie uberhaupt da war, wirklich aus tiefster Seele bedauerte -blieb alles totenstill. Als der entsetzliche Gesang mit seinem ewigen »Ich will dich kussen!« uberhaupt kein Ende nehmen wollte, hielten weder ich noch Sir Henry, den ich herbeigerufen hatte, damit auch er sich an dem Anblick ergotzen konnte, es langer aus; ich steckte den Kopf durch die Fensteroffnung nach drau?en und brullte: »In drei Teufels Namen! Red nicht soviel drumherum, sondern geh endlich zu ihr hoch und ku? sie, damit wir endlich schlafen konnen!« Das brachte ihn dann doch zum Schweigen, womit das Standchen beendet war.

Dieses mitternachtliche Ereignis war ein lustiger Zwischenfall in einer ansonsten doch recht tragischen Angelegenheit. Wir sollten wirklich dankbar dafur sein, da? selbst die ernstesten Dinge bisweilen ein bi?chen Spa? mit sich bringen, wenn auch die meisten Leute diesen haufig nicht erkennen konnen oder wollen.

Nun, je mehr Sir Henry sich jedenfalls zuruckhielt, desto forscher ging Sorais an ihn heran, wie das ja in solchen Fallen nicht ungewohnlich ist, bis dann schlie?lich alles verquer lief. Offensichtlich war Sorais in ihrer Zuneigung zu Sir Henry so verbohrt, da? sie uberhaupt kein Auge mehr fur den wahren Stand der Dinge hatte; und ich mu? gestehen, ich furchtete nichts mehr als den Augenblick ihres Erwachens.

Sorais war eine gefahrliche Frau, wenn man es mit ihr zu tun bekam; ob man nun willentlich oder unbeabsichtigt mit ihr aneinandergeriet, spielte dabei keine Rolle. Schlie?lich kam es, wie es kommen mu?te: Eines schonen Tages - Good war auf die Falkenjagd gegangen, und Sir Henry und ich sa?en gerade zusammen und besprachen die Situation - trat ein koniglicher Bote in den Raum und uberreichte Sir Henry einen Brief. Wir brauchten eine ganze Weile, ihn zu entziffern. Er lautete sinngema? folgenderma?en: »Konigin Sorais befiehlt dem Fursten Incubu, sich umgehend in ihren Privatgemachern einzufinden. Der Uberbringer des Briefes wird ihn dorthin geleiten.«

»Lieber Himmel«, stohnte Sir Henry. »Kannst du nicht fur mich gehen, alter Knabe?«

»Kein Bedarf«, erwiderte ich mit Nachdruck. »Lieber wurde ich einem verwundeten Elefanten mit einer Schrotflinte gegenubertreten. Das mu?t du schon selbst in die Hand nehmen, mein Junge. Wenn du schon eine solche Faszination auf die Damenwelt ausubst, dann mu?t du auch die Konsequenzen tragen. Ich wurde nicht fur ein Konigreich mit dir tauschen wollen.«

»Wenn ich dich so reden hore, dann fallt mir meine Schulzeit ein«, sagte er murrisch. »Wenn ich verprugelt werden sollte, haben mich meine Klassenkameraden auch immer so liebevoll getrostet wie du jetzt. Mit welchem Recht befiehlt mir diese Konigin eigentlich, in ihre Privatgemacher zu kommen? Das wurde ich doch gern einmal wissen. Ich werde nicht gehen!«

»Aber du mu?t! Du bist einer ihrer Offiziere, und damit bist du verpflichtet, ihr zu gehorchen. Das wei? sie naturlich genau. Und au?erdem - es ist ja bald voruber.«

»Das sagten meine Klassenkameraden auch immer! Ich will nur hoffen, da? sie mir keinen Dolch zwischen die Rippen steckt; das wurde ich ihr namlich ohne weiteres zutrauen.« Dann machte er sich seufzend mit weichen Knien auf den Weg zu ihr - wen wundert's?

Ich blieb sitzen und wartete. Nach ungefahr einer Dreiviertelstunde kam er zuruck. Er machte ein noch sorgenvolleres Gesicht als vorher.

»Gib mir was zu trinken«, sagte er mit heiserer Stimme.

Ich schenkte ihm einen Becher Wein ein und fragte, was geschehen sei.

»Was geschehen ist? Wenn wir jemals wirklichen Arger hatten, dann jetzt! Aber der Reihe nach: Also, der Bote fuhrte mich auf direktem Wege in Sorais' Privatgemach; ich sage dir, es ist wirklich ein wunderschoner Raum. Sie war allein. Sie sa? auf einem seidenbezogenen Bett am anderen Ende des Zimmers und spielte leise etwas auf ihrer Zither. Ich stellte mich vor sie und wartete. Eine Zeitlang nahm sie keinerlei Notiz von mir, sondern spielte weiter auf ihrer Zither und sang dazu. Es war wirklich eine sehr betorende Musik. Nach einer Weile blickte sie plotzlich auf und lachelte mich an.

>So bist du also gekommen<, sagte sie. >Ich dachte schon, du wurdest nur noch Konigin Nylephtas Angelegenheiten verrichten. Du verrichtest doch meistens ihre Angelegenheiten, nicht wahr? Und ich bezweifle nicht im geringsten, da? du ihr dabei stets ein guter und treuer Diener bist.<

Ich verzichtete darauf, eine Antwort zu geben, verbeugte mich vor ihr und sagte, ich ware gekommen, die Befehle der Konigin entgegenzunehmen.

>Ach, richtig, ich wollte ja mit dir sprechen. Aber setz dich doch erst einmal. Es strengt mich an, immerzu aufblicken zu mussen.< Mit diesen Worten ruckte sie zur Seite, um mir auf dem Bett Platz zum Hinsetzen zu machen. Sie lehnte sich mit dem Rucken an das Kopfende des Bettes, damit sie mir beim Reden in die Augen blicken konnte.

>Es geziemt sich nicht fur einen Soldaten Ihrer Majestat, sich auf eine Stufe mit der Konigin zu erheben<, erwiderte ich.

>Ich sagte: Setz dich!< war ihre Antwort. Also setzte ich mich auf die Kante des Bettes. Und dann begann sie, mich unverwandt aus ihren dunklen Augen anzuschauen. Sie sa? da wie eine Inkarnation der Schonheit und schaute mich unablassig an. Sie sprach nur sehr wenig, und wenn, dann tat sie es mit ganz leiser, suggestiver Stimme. Sie hatte eine wei?e Blume in ihr schwarzes Haar gesteckt, und ich versuchte, diese Blume zu fixieren und ihre Blatter zu zahlen; aber vergeblich. Nach einer Weile - ich wu?te nicht, ob es an ihrem Blick lag oder an dem verfuhrerischen Duft ihrer Haare oder wei? der Himmel woran - kam ich mir wie hypnotisiert vor. Schlie?lich - es kam mir vor, als hatten wir Stunden so dagesessen - erhob sie sich.

>Incubu<, sagte sie, >liebst du Macht?<

Ich antwortete, da? wohl alle Manner auf irgendeine Weise Macht lieben.

>Du sollst Macht haben<, lautete ihre Antwort. >Liebst du Reichtum?<

Ich sagte, da? ich Reichtum nicht in Bausch und Bogen verdamme.

>Du sollst auch Reichtum haben<, sagte sie orakelhaft. >Und liebst du Schonheit?<

Ich gab ihr zur Antwort, da? ich gro?en Gefallen fande an Meisterwerken der Bildhauerkunst und der Architektur. Daraufhin runzelte sie die Stirn, und dann verfiel sie wieder in Schweigen. Mittlerweile waren meine Nerven so gespannt, da? ich am ganzen Leibe zitterte. Ich wu?te, irgend etwas Schreckliches bahnte sich an, aber ich war irgendwie vollig hilflos -ich stand wie unter einem Bann.

>Incubu<, sagte sie schlie?lich, >wurdest du gern Konig sein? Hore, wurdest du gern Konig sein? Schau, Fremder, ich bin gewillt, dich zum Konig von ganz Zu-Vendis zu machen - und zum Gemahl von Sorais, der Herrin der Nacht. Nein, schweig und hor mir zu. Keinem Mann aus meinem Volke hatte ich so das Geheimnis meines Herzens offenbart, du aber bist ein Auslander, und daher spreche ich ohne Scham, da ich wei?, was alles ich dir anzubieten habe, und wie schwer es dir gefallen ware, mich zu fragen. Siehe, eine Krone liegt dir zu Fu?en, Incubu, und daruber hinaus eine Frau, die schon viele haben freien wollen. Und nun antworte, Auserwahlter, und sanft mogen deine Wort in meinen Ohren klingen.<

>O Sorais<, antwortete ich, >ich flehe dich an, sprich nicht solche Worte< - du mu?t wissen, mir blieb keine Zeit mehr, nach wohlgesetzten Worten zu suchen -; >denn dies kann nicht sein! Ich bin mit deiner Schwester Nylephta verlobt, und ich liebe sie und nur sie allein.<

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