Im nachsten Moment scho? mir durch den Kopf, da? ich da etwas Schreckliches gesagt hatte, und ich blickte sie an, um zu sehen, welches Resultat ich damit heraufbeschworen hatte. Als ich sprach, hatte Sorais ihr Gesicht in den Handen verborgen, und als sie meine Worte gehort hatte, hob sie es langsam. Ich fuhr besturzt zuruck: es war leichenbla?, und ihre Augen loderten. Sie stand vom Bett auf, und ich horte, wie sie mehrmals schluckte. Das Schlimme bei der ganzen Sache war, da? sie vollig ruhig blieb. Dann wanderten ihre Augen zu einem kleinen Tisch, auf dem ein Dolch lag, und von dort ging ihr Blick wieder zuruck zu mir, als ringe sie mit dem Gedanken, mich zu toten; sie nahm jedoch den Dolch nicht vom Tisch. Zum Schlu? sagte sie etwas. Es war nur ein einziges Wort:

>Geh!<

Ich ging also. Ich war heilfroh, wieder aus ihrem Gemach heraus zu sein. So, und nun bin ich also wieder hier. Gib mir noch einen Becher Wein, sei so lieb, und dann sag mir blo?, was ich tun soll.«

Ich schuttelte den Kopf; denn die Sache war wirklich sehr ernst. Wie sagt doch der Dichter -

»Selbst die Holle hat nicht solch Feuer wie der Zorn eines verschmahten Weibes«

und ganz besonders, wenn das Weib eine Konigin ist und Sorais hei?t. Ich befurchtete in der Tat das Schlimmste, sogar unmittelbare Gefahr auch fur unser Leib und Leben.

»Wir mussen sofort Nylephta davon berichten«, schlug ich vor. »Und vielleicht ware es in diesem Falle besser, ich ginge zu ihr und erzahlte ihr alles;

deinen Bericht wurde sie wahrscheinlich mit Mi?trauen aufnehmen.

Wer ist heute diensthabender Offizier ihrer Garde?« fuhr ich fort.

»Good.«

»Ausgezeichnet! Dann besteht keine Gefahr fur sie. Schau mich nicht so erstaunt an. Ich glaube nicht, da? ihre Schwester davor zuruckschrecken wurde. Wir mussen wohl Good erzahlen, was passiert ist.«

»Ach, ich wei? nicht so recht«, erwiderte Sir Henry. »Es wurde ihn furchterlich treffen. Der arme Bursche! Du wei?t doch, wie sehr er sich fur Sorais interessiert.«

»Das ist wahr. Und au?erdem - vielleicht brauchen wir es ihm wirklich nicht zu erzahlen. Er wird die Wahrheit noch fruh genug erfahren. Und nun pa? gut auf, was ich dir sage; du wirst dich meiner Worte noch erinnern. Sorais wird sich mit Nasta zusammentun, der oben im Norden sitzt und schmollt; schlie?lich teilen beide nun das gleiche Los. Ich sage dir, es wird einen Burgerkrieg geben, wie Zu-Vendis ihn seit Jahrhunderten nicht mehr gesehen hat! Schau, dort!« Aus der Tur, die zu Sorais' Privatgemachern fuhrte, kamen in diesem Moment zwei Boten, die sich schnellen Schrittes entfernten. »Folge mir!« rief ich, nahm mein Fernglas und rannte so schnell es ging die Treppe hoch auf einen Aussichtsturm, der sich direkt uber unseren Gemachern befand. Von dem Turm aus konnte ich gut uber die Palastmauer schauen. Das erste, was ich sah, war einer der Boten, der in Richtung Tempel lief. Ohne Zweifel trug er eine Botschaft von Sorais an Agon, den Hohepriester, bei sich. Nach dem anderen Boten hielt ich zunachst vergeblich Aus-schau. Im selben Moment jedoch erspahte ich einen Reiter, der in vollem Galopp durch das nordliche Stadttor davonsprengte; es war der andere Bote.

»Aha!« rief ich. »Sorais ist eine Frau, die Mut und Geistesgegenwart besitzt; sie handelt schnell, und sie wird flugs und unbarmherzig zuschlagen! Du hast sie tief gekrankt, mein Sohn, und das Blut wird in Stromen flie?en, bis dieser Schandfleck wieder weggewaschen ist, und deines wird dabeisein, sollte es ihr gelingen, deiner habhaft zu werden. Ich laufe jetzt auf der Stelle zu Nylephta. Du bleibst, wo du bist, alter Knabe, und siehst zu, da? du deine Nerven wieder in Ordnung kriegst. Du wirst sie noch brauchen, das versichere ich dir. Wenn nicht, dann habe ich funfzig Jahre meines Lebens die menschliche Natur umsonst beobachtet und studiert.«

Ich hatte keine Schwierigkeiten, eine Audienz bei der Konigin zu bekommen. Sie erwartete Curtis und war nicht gerade daruber erbaut, statt dessen mein Gesicht im Turrahmen zu erblicken.

»Stimmt etwas nicht mit meinem Gebieter, Macu-mazahn? Warum macht nicht er mir seine Aufwartung? Sprich, ist er krank?«

Ich sagte ihr, es ginge ihm gut, und dann kam ich ohne Umschweife zum Thema und erzahlte ihr alles vom Anfang bis zum Ende. Sie hatten sehen sollen, wie wutend sie wurde! Sie sah in ihrem Zorn anmutiger denn je aus.

»Wie kannst du es wagen, mir mit einer solchen Geschichte zu kommen!« schrie sie wutentbrannt. »Es ist eine Luge, zu behaupten, mein Gebieter habe meiner Schwester Sorais seine Liebe zu ihr offenbart!«

»Verzeih, o Konigin«, erwiderte ich, »ich sagte, da? Sorais ihm ihre Liebe offenbarte!«

»Versuche Er nicht, mich mit Wortklauberei zu verwirren! Ist es nicht einerlei, wer wem seine Liebe offenbart hat? Der eine gibt, der andere nimmt; die Gabe jedoch bleibt dieselbe. Was tut es da zur Sache, wer der Schuldigere von beiden ist? Sorais! Oh, wie ich sie hasse! Sorais, meine Schwester, eine der Koniginnen von Zu- Vendis! Sie ware niemals so weit gegangen, hatte er sie nicht dazu ermuntert und ihr den Weg gewiesen! Oh, wie recht doch der Dichter hat, wenn er sagt, der Mann sei wie eine Schlange! Niemand kann ihn halten, und ihn zu beruhren ist Gift!«

»Eine treffende Bemerkung, o Konigin, doch mich deucht, du hast den Dichter nicht richtig gelesen. Nylephta«, fuhr ich fort, »du wei?t sehr wohl, da? deine Worte leer und toricht sind, und ebenso wei?t du auch, da? jetzt nicht die Zeit fur solcherlei Narretei ist.«

»Wie kannst du es wagen!« platzte sie heraus und stampfte mit dem Fu? auf. »Hat dein feiner Herr dich zu mir gesandt, damit du mich auch noch beleidigst? Wer bist du, Fremder, da? du dich erkuhnst, so mit der Konigin zu sprechen? Wie kannst du es wagen!«

»Nun, du siehst, ich wage es. Und nun hor mit gut zu! Die Zeit, die du mit deinem torichten Zorn vergeudest, kann dich sehr wohl deine Krone und uns alle unser Leben kosten. Schon sind Sorais' berittene Boten unterwegs, die Manner zu den Waffen zu rufen! In spatestens drei Tagen wird Nasta sich drohend erheben wie der Lowe am Abend, und sein Brullen wird durch den ganzen Norden hallen. Die >Herrin der Nacht< hat eine betorende Stimme, und sie wird nicht vergebens singen. Ihr Banner wird von Berg zu

Berg und von Tal zu Tal getragen werden, und uberall, wo es auftaucht, werden Krieger in hellen Scharen herbeistromen, wie der Staub im Gefolge des Wirbelsturmes. Die halbe Armee wird ihr begeistert zujubeln, und in jeder Stadt und in jedem Flecken dieses Landes werden die Priester ihre Stimme gegen die Fremdlinge erheben und Sorais' Sache zu einem heiligen Feldzug erklaren. Ich habe gesagt, was ich zu sagen hatte, o Konigin!«

Nylephta war ganz ruhig geworden; ihre eifersuchtige Wut war vollends verflogen. Und mit der fur sie charakteristischen Schnelligkeit und Vollstandigkeit wechselte sie von der Rolle der reizenden, dickkopfigen Dame in die der Konigin und entscheidungsfreudigen Frau. Die Wandlung vollzog sich plotzlich, aber sie war perfekt.

»Deine Worte sind weise, Macumazahn. Verzeih mir meine Dummheit. Oh, was fur eine Konigin ich sein konnte, wenn ich doch nur kein Herz besa?e! Herzlos zu sein - das bedeutet, alles zu unterwerfen. Die Leidenschaft ist wie ein Blitz; sie ist schon, und sie verbindet Himmel und Erde miteinander, aber leider macht sie blind!

Und du glaubst also, da? meine Schwester gegen mich Krieg anfangen will. Nun, so moge sie es tun. Doch soll sie nicht den Sieg uber mich davontragen. Auch ich habe Freunde und Gefolgsleute! Und ich sage dir, es sind viele, die laut >Nylephta!< rufen werden, wenn meine Fahne an Turmen und Zinnen hochgeht und wenn heute nacht das Licht meiner Signalfeuer von Felsspitze zu Felsspitze springt und die Botschaft meines Krieges ins Land hinaus tragt. Ich werde ihre Macht zerbrechen und ihre Armeen in alle Winde zerstreuen. Ewige Nacht soll das Los der >Her-rin der Nacht< sein. Gib mir jenes Pergament und die Tinte! So, und nun ruf den wachhabenden Offizier aus dem Vorzimmer! Er ist ein treuer und zuverlassiger Mann.«

Ich tat, wie mir gehei?en. Der Mann, ein Veteran und gutmutig aussehender Mann der Garde namens Kara, trat ein und machte eine tiefe Verbeugung.

»Nimm dieses Pergament!« befahl Nylephta. »Es ist deine Vollmacht. Bewache alle Ein- und Ausgange zu den Gemachern meiner Schwester Sorais, der >Herrin der Nacht< und Konigin von Zu-Vendis. Sorge dafur, da? niemand herein- oder herauskommt. Du burgst mir mit deinem Leben dafur!«

Der Mann schaute sie besturzt an. Er enthielt sich jedoch eines Kommentars und sagte lediglich: »Der Wille der Konigin geschehe.« Dann ging er hinaus. Als nachstes sandte Nylephta einen Boten zu Sir Henry, der auch kurz darauf in das Zimmer trat. Er sah ungewohnlich bedruckt aus. Ich war schon auf einen erneuten Wutausbruch von Nylephta gefa?t; aber wundersam sind doch die Wege der Frauen - sie verlor nicht ein Wort uber Sorais und seine vermeintliche Untreue, sondern begru?te ihn mit einem freundlichen Nicken und sagte ihm, sie benotige seinen Rat in einer Angelegenheit von hochster Wichtigkeit. Und dennoch - da war so ein seltsamer Blick in ihren Augen, und ihr Verhalten ihm gegenuber schien mir doch ein wenig von unterdruckter Energie gekennzeichnet zu sein. Ich

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