sie nieder, als wir eine breite rote Furche durch die Masse ihrer Leiber zogen; sie schienen zu Hunderten wieder aufzustehen, hieben ihre furchterlichen Schwerter in die Leiber unserer Pferde oder zerschnitten ihre Knieflechsen, um sogleich ihre Reiter, die auf die Erde fielen, buchstablich in Stucke zu hak-ken. Auch mein Pferd sank, von Schwerthieben todlich verwundet, unter mir zusammen, aber zum Gluck hatte ich noch ein frisches, namlich mein eigenes Lieblingspferd, eine pechschwarze Stute, die Nylephta mir geschenkt hatte. Sie wurde in Reserve gehalten, und spater konnte ich sie besteigen. Vorerst jedoch mu?te ich sehen, wie ich ohne Pferd zurechtkam, denn meine Manner hatten mich in dem wusten Durcheinander vollig aus den Augen verloren. Und meine Stimme konnte man naturlich nicht horen; sie ging unter in dem Klirren des aufeinanderprallenden Stahls und wurde ubertont von den wutenden Kriegsschreien der Kampfenden und den Schmerzensschreien der Verwundeten und Sterbenden. Gleich darauf fand ich mich mitten im Gewimmel der Uberreste des zweiten Kampfblockes wieder. Die Manner hatten sich um ihren Befehlshaber Good geschart und kampften verzweifelt um ihr Leben. Ich stie? mit dem Fu? gegen jemand, und als ich herunterblickte, erkannte ich Goods Monokel. Er war gesturzt und war auf die Knie gefallen. Uber ihn gebeugt stand ein riesiger Bursche und holte zu einem Schwerthieb aus. Irgendwie gelang es mir, den Dolch von dem Masai, dem ich die Hand abgeschnitten hatte, in den Leib des Mannes zu rammen. Doch dabei schaffte er es noch, mir einen furchterlichen Schwerthieb in die linke Seite der Brust zu verpassen. Zwar rettete mir mein Kettenhemd das Leben, aber ich fuhlte, da? ich schwer getroffen war. Ich fiel auf die Hande und die Knie und lag so etwa eine Minute lang inmitten der Toten und Sterbenden. Mir wurde schwarz vor den Augen, und ich war einer Ohnmacht nahe. Als ich wieder einigerma?en zu mir kam, sah ich, da? Nastas Speertrager, oder besser das, was von ihnen noch ubriggeblieben war, sich uber den Flu? zuruckzogen. Neben mir kniete Good und lachelte.
»Das war verdammt knapp!« rief er. »Aber Ende gut, alles gut!«
Ich nickte, aber ich hatte das Gefuhl, da? es fur mich nicht gut geendet hatte. Ich war schwer verwundet.
Just in dem Moment sahen wir, wie die kleineren Kavallerietrupps, sie sich auf unseren au?ersten Flugeln befanden und die jetzt durch die dreitausend Reiter, die wir in Reserve bereitgehalten hatten, verstarkt worden waren, wie Pfeile aus ihren Stellungen hervorschossen und in die zerrissenen Flanken von Sorais' Armee fielen. Dieser Angriff sollte von entscheidender Bedeutung fur den weiteren Verlauf der Schlacht sein. Nur wenige Minuten spater zog sich der Feind in langsamer Ruckwartsbewegung, immer noch erbitterten Widerstand leistend, uber den kleinen Flu? zuruck, wo er sich noch einmal neu formierte. Noch einmal geriet die Schlacht ins Stocken, und wahrend dieser kurzen Kampfpause gelang es mir, mein zweites Pferd zu besteigen. Ich ritt sofort zu Sir Henry, der mir die Anweisung gab, noch einmal anzugreifen. Und mit einem wilden Schlachtruf aus tausend Kehlen, mit wehenden Bannern und blitzendem Stahl gingen die Uberreste unserer Armee in die Offensive und ruckten vor, langsam zwar, doch stetig und mit unwiderstehlicher Gewalt. Zum erstenmal ruckten wir aus den Stellungen, die wir den ganzen Tag uber so tapfer gehalten hatten, noch vorn.
Endlich waren wir es, die die Initiative ergriffen.
Wir stie?en weiter vor, Berge von Toten und Verwundeten uberquerend. Als wir gerade am Flu? angelangt waren, wurde meine Aufmerksamkeit auf eine au?ergewohnliche Szene gelenkt. In wildem Galopp, die Arme fest um den Hals des Pferdes geschlungen, die bleiche Wange an die Mahne des Tieres gepre?t, sprengte ein Reiter auf uns zu. Er trug die volle Uniform eines Zu-Vendi-Generals. Als er naherkam, erkannte ich, wer es war. Es war niemand anders als unser verschollener Alphonse. Selbst in dieser Verkleidung waren die hochgezwirbelten Spitzen seines Schnurrbartes unverkennbar. Eine Minute spater flog er in wildem Galopp durch unsere Linien; um Haaresbreite ware er niedergehauen worden. Schlie?lich fiel ihm jemand in die Zugel, und man brachte ihn zu mir, als unsere Vorwartsbewegung gerade zu einem Stillstand kam, der es uns erlaubte, die Uberreste unserer aufgeriebenen Kampfblocke wieder in Reih und Glied zu bringen.
»Ah, Monsieur«, keuchte er mit vor Angst bebender Stimme, »dem 'immel sei Dank, Sie sind's! Ah, was isch 'abe erdulden mussen! Aber Sie gewinnen, Monsieur, Sie gewinnen; sie fliehen, diese 'unde. Aber 'oren Sie, Monsieur - isch 'atte fast vergessen; etwas sehr Schlimmes! Die Konigin soll morgen fruh beim ersten Lischt des Tages im Palast von Milosis ermordet werden; ihre Gardisten werden sie verlassen, und die Priester werden sie toten. Ah! Wenn sie wu?ten! Aber isch war versteckt unter ein Banner und konnte alles horen.«
»Was?« rief ich entsetzt. »Was wollen Sie damit sagen?«
»Wie isch sage, Monsieur; dieser diable Nasta ist letzte Nacht verschwunden, um die Sache mit dem Erzbischof Agon zu besprechen. Die Garde wird das kleine Tor auflassen, das von der gro?en Treppe zu dem Palast fuhrt, und dann wird sie weglaufen. Und Nasta und Agons Priester werden 'ereinkommen und sie toten. Die Gardisten selbst 'aben sisch geweigert, das zu tun.«
»Kommen Sie mit!« rief ich. Ich rief dem nachstbesten Stabsoffizier zu, er solle fur mich das Kommando ubernehmen, griff die Zugel von Alphonses Pferd und galoppierte in irrwitzigem Tempo in Richtung der etwa eine halbe Meile entfernten Stelle, wo ich die konigliche Fahne im Winde flattern sah, und wo ich, wie ich wu?te, Curtis finden wurde, falls er noch unter den Lebenden weilte. Wir flogen nur so dahin, unsere Pferde sprangen in Riesensatzen uber Berge von Toten und Verwundeten, unter ihren trommelnden Hufen spritzte das Blut auf, das in gro?en Pfutzen die ganze Walstatt bedeckte; weiter ging es entlang der zerrissenen Linie von Speertragern, bis ich schlie?lich Sir Henrys machtige Gestalt aus dem Kampfgetummel herausragen sah. Er sa? auf dem wei?en Pferd, das Nylephta ihm zum Abschied geschenkt hatte, und uberragte wie ein Turm in der Schlacht die ihn umringenden Generale seines Stabes.
Gerade als wir ihn erreichten, begannen unsere Linien erneut, vorzurucken. Sir Henrys Kopf war mit einem blutigen Fetzen Tuch umwickelt, aber ich sah, da? sein Auge klar und scharf wie immer war. Neben ihm stand der alte Umslopogaas, die Axt rot vom Blut, aber auch er machte einen frischen und unversehrten Eindruck.
»Was ist passiert, Quatermain?« rief Sir Henry, als er meiner gewahr wurde.
»Etwas Entsetzliches! Es ist eine Verschworung im Gange, mit dem Ziel, Nylephta im Morgengrauen zu ermorden. Alphonse, dem es gelungen ist, Sorais zu entkommen, hat alles gehort.« Ich wiederholte atemlos, was mir der Franzose berichtet hatte.
Curtis' Gesicht wurde leichenbla?, und sein Unter-kiefer fiel herunter.
»Im Morgengrauen!« keuchte er. »Und jetzt ist Sonnenuntergang! Es wird vor vier Uhr hell werden, und wir sind fast hundert Meilen entfernt - neun Stunden von Milosis! Was sollen wir nur tun?«
Ein Gedanke scho? mir durch den Kopf. »Ist dein Pferd frisch?« fragte ich Curtis.
»Ja, ich habe es eben erst bestiegen - als mein letztes getotet wurde. Und Futter hat es auch eben erst bekommen.«
»Meines ebenfalls. Steig schnell ab und gib es Umslopogaas; er ist ein hervorragender Reiter. Wir werden noch vor Morgengrauen in Milosis sein -wenn nicht, nun, dann haben wir jedenfalls alles versucht, was in unserer Macht steht. Nein, nein; du kannst jetzt unmoglich hier fort. Man wurde dich erkennen, und die Schlacht wurde sich moglicherweise noch einmal wenden. Sie ist noch nicht halb gewonnen. Die Soldaten wurden glauben, du machst dich aus dem Staub. Nun rasch!«
Sofort stieg er von seinem Pferd, und auf mein Gehei? sprang Umslopogaas in den leeren Sattel.
»Und nun leb wohl«, sagte ich. »Sende tausend Reiter mit frischen Pferden hinter uns her; wenn moglich, etwa in einer Stunde. Bleibe du an Ort und Stelle, schicke einen General auf den linken Flugel, um das Kommando zu ubernehmen, und erklare den Mannern meine Abwesenheit.«
»Du wirst doch alles tun, um sie zu retten, nicht wahr, Quatermain?« fragte er voller Verzweiflung.
»Ja, das werde ich. Und nun mach, da? du wieder zu deinen Leuten kommst; du bist schon ein ganzes Stuck hinter ihnen.«
Er schaute uns noch einmal an, und dann sprang er, begleitet von seinem Stab, wieder zuruck zu seinen Linien, die sich schon wieder auf dem Vormarsch befanden. Mittlerweile hatten sie den kleinen Flu? erreicht, dessen Wasser jetzt rot vom Blute der Gefallenen war.
Und Umslopogaas und ich jagten von der schrecklichen Walstatt davon wie Pfeile, die von der Sehne des Bogens schnellen. Nach wenigen Minuten war das Schlachtgetummel schon au?er Sichtweite; nur der Geruch des Blutes lag noch schwach in der Luft, und das Klirren der Waffen und die Schreie der Kampfenden und der Sterbenden drangen zu uns heruber wie das weit entfernte Tosen der Brandung.
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