»Es ist gut«, sagte er. »Ich fuhle mich noch einmal wie ein junger Mann. Meine Kraft ist in meinen Leib zuruckgekehrt, ja, mein Korper ist wie eine Lampe, die noch ein letztes Mal aufflackert, bevor sie erlischt. Sorge dich nicht und habe keine Furcht; ich werde einen guten Kampf liefern; der Wein und der Schlaf haben mir ein neues Herz gegeben.

Macumazahn, ich traumte einen Traum. Ich traumte, da? du und ich zusammen auf einem Stern standen; wir blickten herunter auf die Erde, und du warst ein Geist, Macumazahn, denn das Licht schien durch dein Fleisch. Ich konnte jedoch nicht sehen, ob mein eigener Korper auch schon ein Geist war. Unsere Stunde ist gekommen, alter Jager. So soll es denn geschehen: wir haben unser Leben gelebt und unsere Uhr ist abgelaufen; ich wunschte nur, ich hatte in meinem Leben mehr solcher Kampfe wie den gestrigen erlebt.

Man soll mich begraben nach dem Brauch meines Volkes, Macumazahn, mein Blick soll auf Zululand gerichtet sein.« Dann nahm er meine Hand, schuttelte sie ein letztes Mal und stellte sich dem heranruckenden Feind entgegen.

Im selben Moment kletterte zu meiner gro?en Uberraschung auch der Zu-Vendi-Offizier Kara uber unsere improvisierte Mauer. Er tat dies in seiner ruhigen, entschlossenen Art, ohne ein Wort daruber zu verlieren. Er bezog neben dem Zulu Stellung und zuckte sein Schwert.

»Was, kommst du auch?« rief der alte Krieger freu-dig uberrascht. »Willkommen - ein Willkommen fur dich, tapferes Herz! Ho! fur den Mann, der sterben kann wie ein Mann; ho! fur den Griff des Todes und das Klingen des Stahls. Ho! wir sind bereit. Wir wetzen die Schnabel wie Adler, und unsere Speere glanzen im Lichte der aufgehenden Sonne; wir schwingen unsere Waffen und sind hungrig zu kampfen. Wer kommt als erster, Inkosi- kaas zu begru?en? Wer will als erster ihren Ku? schmecken, dessen Frucht der Tod ist? Ich, der Specht, ich, der Schlachter, ich, der Schnellfu?ige! Ich, Umslopogaas, vom Stamme der Maquilisini, vom Volke der Amazulu, Hauptmann des Regiments der Nkomabakosi: Ich, Umslopogaas, Sohn des Indabazimbi, dem Sohne des Arpi dem Sohne des Mosilikaatze. Ich, Umslopogaas, vom koniglichen Geblute des T'Chaka, ich, aus dem Hause des Konigs, ich, der Trager des Ringes, ich, der Indu-na, ich fordere euch heraus! Ich erwarte euch! Ho! Wer wagt es als erster?«

Wahrend er so sprach, oder besser, sang, und sein grimmiger Kriegsruf schauerlich durch die Stille des Morgens hallte, sturmten die bewaffneten Verschworer, unter denen ich im Lichte der aufgehenden Sonne Nasta und Agon erkannte, mit erhobenen Speeren die Treppe hinauf. Ein riesiger Bursche nahm, allen voran, mit machtigen Satzen die letzten Stufen, schwang seinen schweren Speer und stie? mit aller Kraft nach dem riesigen Zulu. Umslopogaas wich mit einer schnellen Drehung des Oberkorpers zur Seite, wobei er nicht einmal seine Beine bewegte, der Sto? ging ins Leere, und im nachsten Augenblick krachte Inkosi-kaas wie ein stahlerner Blitz durch Helm, Haar und Schadeldecke, und der Korper des Angreifers polterte leblos die Stufen hinab. Wahrend er hintuberkippte, glitt ihm sein runder Schild aus Flu?pferdleder aus der Hand und fiel auf den Marmorboden. Der alte Zulu buckte sich blitzschnell und hob ihn auf, wobei er noch immer seinen wilden Kriegsgesang erschallen lie?.

Eine Sekunde spater hatte auch der standhafte, treue Kara mit einem machtigen Schwerthieb seinen ersten Angreifer zu Boden geschickt, und dann begann ein Schauspiel, wie ich es in meinem ganzen Leben noch nicht erlebt hatte.

In grimmiger Wut sprang ein Angreifer nach dem nachsten die Stufen hinauf; oft waren es zwei drei auf einmal. Doch so schnell sie auch herangeflogen kamen - die Axt fiel krachend herab, das Schwert blitzte, und schon rollten sie wieder die Treppe herunter, tot oder schwer verwundet. Und je dichter das Kampfgetummel wogte, desto scharfer schien das Auge des alten Zulu zu werden und desto starker sein Arm. Mit markerschutternder Stimme schrie er seine Kriegsrufe hinaus und zahlte all die Namen der Hauptlinge auf, die er getotet hatte, und seine Axt wutete grimmig unter den Verschworern; sie durchschlug und zerschmetterte alles, auf das sie traf. Vorbei war's mit der exakten Methode, die er immer so geliebt hatte; er pickte keine runden Locher mehr in die Schadel seiner Feinde; dazu hatte er keine Zeit in diesem seinem letzten unverge?lichen Kampfe. Er schlug mit voller Kraft zu, und mit jedem Hieb sank ein Angreifer zu Boden und polterte in seiner Rustung die Stufen hinunter.

Sie mochten noch so sehr mit Schwertern und Speeren nach ihm hauen und stechen und ihn an Dutzenden von Stellen verwunden, bis er blutuberstromt war - der Schild schutzte seinen Kopf und das Kettenhemd seinen Lebensnerv; die Zeit verrann, und immer noch stand er, tatkraftig unterstutzt von dem aufopferungsvoll kampfenden Zu-Vendi-Offizier, wie ein Fels in der Brandung und hielt die Treppe gegen den wutend anrennenden Feind.

Doch da zerbrach Karas Schwert; er schleuderte den Griff zu Boden und warf sich mit blo?en Fausten dem nachsten Angreifer entgegen. Miteinander ringend sturzten sie zu Boden und rollten ineinander verschlungen die Treppe hinunter; und sogleich wurde Kara buchstablich in Stucke gehackt. So starb er den Heldentod.

Nun stand Umslopogaas ganz allein der Ubermacht wild entschlossener Angreifer gegenuber, doch nicht ein einziges Mal wich er auch nur einen Fu?breit zuruck. Gellende Zulu-Schlachtrufe aussto?end lie? er seine furchterliche Axt wieder und wieder herabfahren und streckte einen Gegner nach dem anderen nieder, bis sie schlie?lich voller Grauen von den schlupfrigen, blutbesudelten Stufen zuruckwichen und ihn wie eine ubernaturliche Erscheinung entsetzt anstarrten.

Der Wall aus Marmorblocken war nun fast funf Fu? hoch, und mein Herz fullte sich mit neuer Hoffnung, wahrend ich hilflos wie ein Greis dastand, in ohnmachtiger Wut die Zahne zusammenbi? und dem glorreichen Kampf zuschaute. Ich hatte keine Moglichkeit, Umslopogaas beizustehen, denn meinen Revolver hatte ich in der Schlacht am Pa? verloren.

Und der alte Umslopogaas, er stand da, seine treue Axt schwingend, blutuberstromt und von zahllosen Wunden ermattet, und verhohnte und verspottete sie. Ganz alleine stand er da, der gro?artige alte Recke, vor einer erdruckenden Ubermacht, und schimpfte sie >alte Weiber< und >Hasenfu?e<. Und so sehr Nasta auch drohte und ihnen aufmunternd zurief, mehrere Minuten lang wagte keiner, einen neuen Angriff gegen dieses schier unbezwingbar scheinende Wesen aus einer anderen Welt zu unternehmen. Schlie?lich fa?te sich der alte Agon, der - das mu? der Gerechtigkeit halber gesagt werden - trotz all seiner Verschlagenheit und Tucke ein tapferer Mann war, ein Herz. Er sah, da? der Wall bald fertig sein wurde, und wu?te, da? das alle seine Plane vereiteln wurde. Er schwang seinen gro?en Speer und sturzte in rasender Wut die vom Blut rot gefarbten Stufen hinauf.

»Ah, ah!« schrie der Zulu, als er den wehenden wei?en Bart des Priesters erkannte. »Du bist es, alter Hexenmeister! Komm nur naher heran! Ich habe schon auf dich gewartet, wei?er Medizinmann! Komm nur! Komm nur! Ich habe geschworen, dich zu toten, und der alte Umslopogaas halt immer seinen Schwur.«

Und schon war der Alte heran, ihn beim Wort nehmend. Er stie? mit dem gro?en Speer mit solcher Wucht auf den Zulu ein, da? die Spitze den Schild glatt durchschlug und ihm in den Hals drang. Ums-lopogaas schleuderte den durchbohrten Schild fort, und dieser Augenblick sollte Agons letzter sein; noch bevor er erneut ausholen und zusto?en konnte, hatte der Zulu Inkosi-kaas mit beiden Handen gegriffen, schrie gellend: »Nimm dies, Regenmacher!«, wirbelte die Axt hoch in die Luft und spaltete mit einem furchterlichen Hieb den ehrwurdigen Schadel des Priesters bis zum Hals, so da? dieser todlich getroffen auf die Leichen seiner Spie?gesellen sank. Das war sein Ende und zugleich das seines schandlichen Komplotts. Und noch wahrend er fiel, erscholl vom Fu?e der Treppe her ein Ruf. Wir schauten hinaus durch die noch nicht vom Marmor geschlossene Luk-ke in der Toroffnung und sahen zu unserer gro?en Freude, wie Bewaffnete die Treppe heraufgerannt kamen und uns zu Hilfe eilten. Voller Freude antworteten wir auf ihren Ruf. Als die Verschworer, unter denen ich mehrere Priester sah, erkannten, da? ihr Spiel aus war, wandten sie sich hastig zur Flucht. Doch der Weg war ihnen abgeschnitten; es gab kein Entrinnen mehr. Einer nach dem anderen wurden sie niedergemacht. Ein Mann jedoch war oben geblieben; es war der machtige Furst Nasta, Nylephtas Freier, der Kopf der Verschworerbande. Einen Augenblick lang stand er da, auf sein Schwert gestutzt, den Kopf voller Verzweiflung gesenkt. Doch dann sturzte er sich mit einem gra?lichen Schrei der Wut und des Hasses auf den alten Zulu. In wilder Raserei hob er den blitzenden Stahl und versetzte ihm einen solch furchterlichen Hieb, da? die Schneide mit einem lauten Klirren durch das Kettenhemd schlug und tief in Umslopogaas' Seite fuhr. Der Zulu war fur einen Moment wie gelahmt; die Axt fiel ihm aus der Hand. Erneut holte Nasta aus und sprang einen Schritt vor, um dem Zulu den Rest zu geben. Aber da kannte er seinen Gegner schlecht. Der alte Zulu ri? sich mit einem Schutteln zusammen und sprang Nasta mit einem gellenden Wutschrei direkt an die Gurgel, wie ich es schon einmal bei einem verwundeten Lowen gesehen hatte. Er traf ihn mit voller Wucht, gerade als er seinen Fu? auf die oberste Stufe setzen wollte. Wie stahlerne Bander umschlossen seine langen Arme den Korper des Fursten, und dann rollten beide in wildem

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