Stunden nach Sonnenuntergang losgeritten. Als sie den Schauplatz des blutigen Gemetzels verlie?en, befanden sich die versprengten Uberreste von Sorais' Armee in vollem Ruckzug in Richtung M'Arstuna, verfolgt von unserer gesamten noch kampffahigen Kavallerie.

Sir Henry schlug mit den Resten seiner erschopften Truppen an der Stelle das Lager fur die Nacht auf, wo noch in der Nacht zuvor Sorais' Truppen gelagert hatten (so schnell kann sich das Kriegsgluck wenden) und war drauf und dran, am nachsten Morgen auf M'Arstuna zu marschieren. Als ich diese Nachricht gehort hatte, fiel mir ein Stein vom Herzen; nun konnte ich beruhigt sterben. Und in dem Moment wurde alles schwarz um mich herum.

Das erste, was ich sah, als ich erwachte, war ein riesiges Monokel dicht uber mir. Hinter dem Monokel befand sich Good.

»Na, wie geht's, alter Knabe?« sagte eine Stimme, die von irgendwo aus der Nahe des Monokels zu kommen schien.

»Was machst du denn hier?« fragte ich matt. »Wieso bist du nicht in M'Arstuna - bist du weggelaufen, oder was?«

»M'Arstuna!« rief er frohlich. »M'Arstuna ist schon vor einer Woche gefallen. Du warst vierzehn Tage lang bewu?tlos, mein Freund. Ich kann dir sagen, da war vielleicht etwas los; sie gingen mit fliegenden Fahnen, mit Pauken und Trompeten unter, gerade so, als waren sie es gewesen, die den Krieg gewonnen haben; aber trotz alledem; froh waren sie nicht, als sie sich ergeben mu?ten. Ich kann dir sagen, so etwas habe ich noch nie in meinem Leben gesehen.«

»Und Sorais?« fragte ich.

»Sorais - oh, Sorais ist gefangengenommen worden; sie lie?en sie im Stich, diese Schufte«, fugte er mit veranderter Stimme hinzu, »sie opferten die Konigin, um ihre Haut zu retten. Man bringt sie gerade hierher; ich habe keine Ahnung, was aus ihr werden wird - armes Kind!« Er seufzte.

»Wo ist Curtis?«

»Er ist bei Nylephta. Sie ritt heute hinaus, um uns zu begru?en. Das gab vielleicht ein Hallo, kann ich dir sagen. Er wird dich morgen besuchen kommen; die Arzte (es gab in Zu-Vendis eine medizinische >Fa-kultat< wie anderswo auch) hielten es fur ratsam, da? er dich heute noch nicht besuchen sollte.«

Ich schwieg dazu; doch im stillen dachte ich mir, da? er - Arzte hin, Arzte her - wenigstens einen kurzen Blick hatte hereinwerfen konnen; aber so ist es nun einmal: wenn ein Mann frisch verheiratet ist und gerade einen gro?en Sieg errungen hat, dann neigt er eben sehr dazu, auf den Rat von Arzten zu horen.

Im selben Moment vernahm ich eine wohlbekannte Stimme, die mich daruber aufklarte, da? >Monsieur sisch 'inlegen mu?<. Ich schaute auf und sah Alphonses riesige schwarze Bartspitzen, die sich irgendwo in der Ferne krauselten.

»So sind Sie also auch wieder hier?« fragte ich.

»Mais oui Monsieur; der Krieg ist nun beendet, meine militarischen Geluste sind befriedigt, und isch kehre zuruck, um Monsieur zu pflegen.«

Ich lachelte, oder besser, versuchte zu lacheln; aber eines mu? ich sagen: Was auch immer seine Mangel als Krieger gewesen sein mogen (und ich befurchte, da? er in diesem Punkt seinem heroischen Gro?vater wohl kaum das Wasser reichen konnte, was wieder einmal ein trefflicher Beweis fur die Richtigkeit der alten Weisheit ist, die da besagt, da? es nicht gut sei, im Schatten eines gro?en Vorfahren stehen zu mussen), einen besseren und freundlicheren Krankenpfleger als ihn kann ich mir nacht vorstellen. Der arme Alphonse! Hoffentlich behalt er mich immer in so lieber Erinnerung wie ich ihn.

Am folgenden Tage sah ich Curtis, begleitet von Nylephta. Er erzahlte mir alles, was sich ereignet hatte, seit Umslopogaas und ich so wild vom Schlachtfeld davongesprengt waren, um das Leben der Konigin zu retten. Es schien mir, da? er die Sache gut hingekriegt hatte und da? er in hervorragender Manier seine Fahigkeiten als General unter Beweis gestellt hatte. Naturlich hatten auch wir gewaltige Verluste hinnehmen mussen - in der Tat, ich scheue mich zu sagen, wie viele Opfer die furchterliche Schlacht, die ich beschrieben habe, forderte, aber ich wei?, da? das Gemetzel die mannliche Bevolkerung des Landes betrachtlich dezimiert hatte. Er freute sich sehr, mich zu sehen, die gute Seele, und mit Tranen in den Augen dankte er mir fur das Wenige, das ich zum Sieg hatte beisteuern konnen. Ich merkte jedoch, wie er heftig erschrak, als sein Blick auf mein Gesicht fiel.

Und Nylephta - nun, sie strahlte vor Gluck, nun da ihr >geliebter Gemahl< heil aus der Schlacht zuruckgekehrt war, mit lediglich einer kleinen Schramme auf der Stirn. Ich glaube, da? fur sie diese Tatsache alles andere aufwog. Da? selbst all das grausame, schlimme Gemetzel nicht so schwer wog, um ihr Gluck uber die gesunde Heimkehr ihres Geliebten zu truben. Und ich kann es ihr nicht einmal verargen; es liegt nun einmal in der Natur einer liebenden Frau, alles durch die Brille ihrer Liebe zu betrachten, und was zahlt in einem solchen Moment schon das Elend der vielen, wenn nur fur das Gluck des einen gesorgt ist. So ist die menschliche Natur, von der die Positivi-sten sagen, sie sei lediglich Vollkommenheit; also hat dies zweifellos alles seine Richtigkeit.

»Und was hast du vor, mit Sorais zu machen?« fragte ich sie.

Sofort verdusterte sich ihr Gesicht.

»Sorais!« rief sie und stampfte mit dem Fu? auf. »Ah, Sorais!«

Sir Henry beeilte sich, das Gesprach wieder auf ein anderes Thema zu bringen.

»Du wirst bald wieder auf den Beinen sein, alter Knabe, und nach einer Weile bist du wieder ganz der Alte.«

Ich schuttelte den Kopf und lachte.

»Tauscht euch nur nicht«, erwiderte ich. »Vielleicht komme ich noch einmal ein bi?chen auf die Beine, aber der Alte, nein, der werde ich niemals mehr sein. Ich bin ein todgeweihter Mann, Curtis. Vielleicht dauert es noch eine Weile, bis es soweit ist, aber sterben mu? ich auf jeden Fall. Wei?t du, da? ich schon den ganzen Morgen Blut spucke? Ich sage dir, da bohrt sich ganz langsam etwas in meine Lunge; ich spure es ganz deutlich. Aber nicht doch; mach nicht so ein betrubtes Gesicht; meine Uhr ist abgelaufen, und ich bin bereit, abzutreten. Reich mir bitte den Spiegel, sei so freundlich. Ich mochte sehen, wie ich ausschaue.«

Er machte irgendwelche Ausfluchte, aber ich durchschaute es sofort und beharrte auf meinem Wunsch. Schlie?lich reichte er mir eine der Scheiben aus blankpoliertem Silber, die in einem holzernen Rahmen stecken und in Zu-Vendis als Spiegel dienen. Ich schaute hinein und lie? ihn sogleich wieder sinken.

»Aha«, sagte ich und versuchte, meiner Stimme einen moglichst ruhigen Klang zu geben, »ich dachte es mir doch; und du willst mir weismachen, ich ware bald wieder ganz der Alte!« Ich wollte nicht, da? sie merkten, wie erschreckt ich selbst uber mein Aussehen war. Mein graues, struppiges Haar war schneewei? geworden, und mein gelbes Gesicht war eingefallen wie das einer alten Frau. Um meine Augen lagen tiefe, purpurrote Ringe.

Nylephta fing an zu weinen, und Sir Henry wechselte erneut schnell das Thema. Er sagte mir, da? die Kunstler einen Abdruck vom Korper des toten Ums-lopogaas gemacht hatten, und da? sie eine gro?e Statue aus schwarzem Marmor errichten wollten, die ihn zeige, wie er gerade den heiligen Stein zerschmetterte. Ihr gegenuber sollte eine zweite Statue aus wei?em Marmor errichtet werden, die mich auf dem Pferd Daylight darstellte, und zwar in dem Moment, als es am Ende jenes wilden Rittes im Hofe des Palastes unter mir zusammenbricht. Ich habe diese Statuen noch mit eigenen Augen sehen konnen. Sie sind jetzt, da ich dies schreibe, das hei?t, sechs Monate nach der Schlacht, nahezu vollendet. Und ich mu? sagen, sie sind wirklich sehr schon geworden, besonders die von Umslopogaas; er ist wirklich genau getroffen. Meine eigene - nun, sie ist auch sehr gut geworden, aber fur meinen Geschmack haben sie mein ha?liches Gesicht ein wenig zu sehr idealisiert. Vielleicht mu? das so sein. Schlie?lich darf man nicht vergessen, da? im Laufe der kommenden Jahrhunderte Tausende von Menschen diese Statue betrachten werden; und es ist wirklich nicht besonders angenehm, ha?liche Dinge zu betrachten.

Dann erzahlten mir Nylephta und Sir Henry, da? man Umslopogaas' letztem Wunsche entsprochen und ihn, anstatt ihn zu verbrennen, wie man es mit mir nach dem landesublichen Brauch machen wird, mit angezogenen Knien nach dem Brauch der Zulu zusammengebunden hatte, um ihn, in eine dunne Folie aus Blattgold gehullt, in einem Loch beizusetzen, das man in das Mauerwerk der halbkreisformigen Plattform am oberen Ende der Treppe brach, die er so glorreich verteidigt hatte. Diese halbkreisformige Plattform weist mit ihrer Rundung, soweit wir das beurteilen konnen, in die Richtung, in der Zululand liegt. Da hockt er nun, und wird es wohl fur immer so tun, denn sie balsamierten seinen Leichnam ein und legten ihn in eine luftdichte steinerne Truhe, und schaut mit grimmigen Lacheln auf jene Stelle, die er allein gegen eine erdruckende Ubermacht verteidigte; und die Leute sagen, des Nachts stehe sein Geist aus dem Sarge auf und schuttle drohend Inkosi-kaas gegen unsichtbare Feinde.

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