dreinblicken sehen als Sir Henry in jenem Moment. Die Art und Weise in der Nylephta die Sache hin-stellte, war - so wahr und uberzeugend es auch klang - alles andere als angenehm fur ihn.

»Wie ich wei?«, stotterte Curtis, an Good gewandt, »wie ich wei? ... ah ... ich meine, wie ich gehort habe, warst du ... ich meine, bist du der Konigin Sorais ... ah ... sehr zugeneigt. Ich wei? nicht ... ah ... wie ... also ich meine ... ah ... ich will sagen, ich wei? nicht, welcher Art deine Gefuhle ihr gegenuber jetzt sind; aber wenn sie noch immer so sind wie fruher, dann finde ich ... also kurzum: ich meine, da ware eine schone und zufriedenstellende Losung fur dieses unangenehme Problem. Sie besitzt gro?e private Landereien, auf denen sie bestimmt - da bin ich ganz sicher - unbehelligt und in Freiheit leben konnte. Du hast doch auch nichts dagegen, nicht wahr, Nylephta? Es ist naturlich blo? ein Vorschlag.«

»Was mich betrifft«, sagte Good, wobei er heftig errotete, »so bin ich gewillt, das Geschehene zu vergessen; und wenn die Herrin der Nacht mich als wurdig erachtet, dann mochte ich sie gerne heiraten - morgen, oder wann immer es ihr recht ist, und versuchen, ihr ein guter Ehemann zu sein.«

Alle Augen waren jetzt auf Sorais gerichtet, auf deren Zugen wieder dasselbe hintergrundige Lacheln lag, das mir schon aufgefallen war, als ich sie zum erstenmal gesehen hatte. Sie schwieg eine ganze Weile. Schlie?lich rausperte sie sich und dann verbeugte sie sich dreimal tief, zuerst vor Nylephta, dann vor Curtis, und schlie?lich vor Good und hub an zu sprechen, diesmal in sehr zuruckhaltendem Ton.

»Ich danke dir, o huldvolle Konigin und Schwester, fur die Liebe und die Freundlichkeit, die du mir zukommen lie?est von Kindesbeinen an. Besonders danke ich dir fur die Gnade, die du mir erwiesest, indem du mein Leben und mein Schicksal in die Hand des Fursten Incubu legtest - des zukunftigen Konigs also. Mogen Gluck, Frieden und Wohlstand wie Blumen auf dem Pfade deines Lebens wachsen, gutige Schwester. Lange mogest du herrschen uber dieses Land, gro?e, erhabene Konigin, und die Liebe deines Gatten fest in deinen Handen halten. Mogen eurer Liebe viele Sohne und Tochter entspringen, die alle so schon sind wie du, o Konigin. Und auch dir will ich danken, Incubu, dir, dem zukunftigen Konig, tausendfach will ich dir danken, da? du so gutig warst, das Geschenk der Konigin anzunehmen, und da? du es weiterreichtest an deinen Gefahrten in der Schlacht und im Abenteuer, Furst Bougwan. Gewi? entspricht dieser Akt deiner Gro?e und deiner Erhabenheit, Furst Incubu. Und nun will ich auch dir danken, Furst Bougwan, der du dich dazu herablie?est, mich und meine arme Schonheit als Geschenk anzunehmen. Auch dir danke ich tausendfach, und ich will hinzufugen, da? du ein guter und ehrenhafter Mann bist, und ich lege die Hand auf mein Herz und schwore, da? ich wunschte, ich konnte >ja< sagen. Und nun, da ich euch allen meinen Dank ausgesprochen habe« - und wieder lag dieses hintergrundige Lacheln auf ihren Zugen - »la?t mich noch ein Wort hinzufugen.

Wie schlecht ihr mich kennen mu?t, du, Nylephta, und ihr, meine Herren, wenn ihr nicht wi?t, da? es fur mich keinen Mittelweg geben kann; wenn ihr nicht wi?t, da? ich euer Mitleid verachte und euch dafur hasse; da? ich eure Barmherzigkeit von mir schleudere wie einen raudigen Hund; hier stehe ich vor euch, verraten, verlassen, in den Staub getreten und allein, und doch triumphiere ich uber euch, verhohne und verspotte euch alle miteinander, und dies ist meine Antwort!« Und dann, blitzschnell, bevor auch nur einer von uns ahnen konnte, was sie vorhatte, stie? sie sich den kleinen silbernen Speer, den sie in der Hand hielt, mit solcher Wucht und Zielsicherheit in die Seite, da? die Spitze auf der anderen Seite aus ihrem Rucken herausragte, und dann sturzte sie vornuber auf den Boden.

Nylephta schrie auf, und der arme Good wurde von dem Anblick beinahe ohnmachtig, wahrend die restlichen Anwesenden zu ihr hinsturzten. Doch Sorais, die Herrin der Nacht, stutzte sich noch einmal auf ihren Arm und blickte in die Runde. Einen Moment lang hefteten sich ihre dunklen Augen auf Curtis' Gesicht, und es schien, als lage irgendeine Botschaft in ihrem Blick. Dann lie? sie ihren Kopf mit einem tiefen Seufzer fallen, und mit einem Schluchzen ging ihr dunkler und doch so prachtiger Geist von ihr.

Nun, man bestattete sie in koniglichen Ehren, und das war das Ende von Sorais, der Herrin der Nacht.

Einen Monat, nachdem der Vorhang uber dem letzten Akt von Sorais' Tragodie gefallen war, fand eine gro?e Zeremonie im Blumentempel statt, und Curtis wurde in aller Form zum Prinzgemahl von Zu-Vendis ernannt. Ich war zu krank, um der Feierlichkeit beiwohnen zu konnen; ich mu? jedoch auch gestehen, da? mir das nicht ganz ungelegen war; denn ich kann solcherlei Geprange auf den Tod nicht ausstehen; die frenetisch jubelnde Volksmasse, der Klang von Pauken und Trompeten und das prunkhafte Fahnengeschwenke - all dies ist mir zuwider. Good jedoch wohnte der Zeremonie bei - in seiner Galauniform, versteht sich. Tief beeindruckt kehrte er zuruck und erzahlte mir, wie reizend Nylephta ausgesehen hatte, und welch wahrhaft koniglichen Eindruck Curtis hinterlassen hatte. Man hatte ihn mit solch frenetischem Jubel begru?t, da? ein fur allemal jeder Zweifel an seiner au?erordentlichen Beliebtheit bei der Bevolkerung, falls uberhaupt jemals ein solcher bestanden hatte, ausgeloscht worden ware. Und als man Daylight an der Menge vorbeifuhrte, da hatte das Volk »Macumazahn, Macumazahn!« gebrullt, bis alle heiser gewesen waren. Die Leute hatten erst wieder zur Ruhe gebracht werden konnen, indem er, Good, sich in seinem Triumphwagen aufgerichtet und ihnen zugerufen habe, da? Macumazahn zu schwer verwundet sei, um an der Parade teilzunehmen.

Spater kam auch Sir Henry, oder besser, der Konig, zu mir. Er sah sehr mude aus und versicherte mir, sich niemals in seinem Leben so gelangweilt zu haben wie wahrend jener Feierlichkeiten; ich wage jedoch zu behaupten, da? das eine leichte Ubertreibung war. Es liegt einfach nicht in der Natur des Menschen, sich anla?lich eines solch au?ergewohnlichen Ereignisses vollig zu langweilen. Und ich machte ihm klar, da? es in der Tat schon fast an ein Wunder grenzte, da? ein Mann, der erst vor Jahresfrist ein gro?es Land als vollig unbekannter Fremder betreten hatte, im Verlaufe einer so kurzen Zeitspanne zum Gemahl der Konigin dieses Landes und unter dem Jubel der Offentlichkeit auf den Thron gehoben wurde. Ich ging sogar soweit, ihn zu gemahnen, sich in der Zu- kunft nicht vom Stolz und Pomp der unumschrankten Macht zu weit forttragen zu lassen, sondern immer daran zu denken, da? er in erster Linie ein got-tesfurchtiger Gentleman war, und in zweiter ein Diener des Gemeinwohls, den das Schicksal gerufen hatte, eine unerhorte Verantwortung zu tragen. Geduldig horte er meine mahnenden Worte an. Ja, er dankte mir sogar dafur.

Wenige Tage nach dieser Zeremonie veranla?te ich, da? man mich in das Haus trug, in dem ich jetzt liege und dies schreibe. Es ist ein sehr schoner Landsitz. Er ist ungefahr zwei Meilen von der finster blickenden Stadt entfernt, und wenn ich aus dem Fenster schaue, kann ich in der Ferne die goldene Kuppel des Blumentempels sehen. Seither sind funf Monate vergangen. Wahrend dieser Zeit habe ich, mittlerweile vollig ans Bett gefesselt, viele, viele Stunden damit zugebracht, diese Geschichte unserer Wanderungen und Abenteuer im Inneren Afrikas zu verfassen, wobei mir zum einen meine Tagebuchaufzeichnungen und zum anderen unsere gesammelten Erinnerungen eine gro?e Hilfe waren. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird niemand jemals diese Geschichte lesen, aber was macht das schon, ob sie gelesen wird oder nicht; jedenfalls hat mir das Niederschreiben unserer Erlebnisse soviel Kurzweil gebracht, da? mir viele Stunden furchterlicher Qualen erspart blieben. Wahrend der letzten Monate habe ich schreckliche Schmerzen ertragen mussen; doch Gott sei gedankt: das Ende meiner Qualen ruckt immer naher.

Seit ich dieses schrieb, ist wieder eine Woche ins Land gegangen, und nun will ich ein letztes Mal zur Feder greifen, denn ich fuhle, da? meine letzten Stunden gekommen sind. Meine Gedanken sind noch immer klar, und es gelingt mir noch immer, sie niederzuschreiben, wenn auch nur mit erheblicher Muhe. Die Schmerzen in meiner Lunge, die wahrend der letzten Tage schier unertraglich geworden waren, sind plotzlich vollig verschwunden; an ihre Stelle ist ein Gefuhl der Taubheit getreten, dessen Bedeutung mir absolut klar ist. Und in dem gleichen Ma?e, wie der Schmerz von mir gegangen ist, hat mich auch alle Furcht vor dem Ende verlassen. Ich habe nur noch das Gefuhl, als sanke ich immer tiefer in die Arme einer unbeschreiblichen Ruhe. Glucklich und zufrieden, und mit demselben Gefuhl der Geborgenheit, mit dem sich ein Kind zum Schlafen in die Arme der Mutter legt, lasse ich mich nun in die Arme des Todesengels sinken. All die Furcht, all die bedruckenden Angste und Sorgen, die mich mein ganzes Leben, das mir nun, da ich auf es zuruckblicke, sehr lang erscheint, begleitet haben, sind nun von mir gewichen; die Sturme sind voruber, und der Stern der ewigen Hoffnung erstrahlt nun hell und klar an jenem Horizont, der dem Menschen so unerreichbar weit entfernt erscheint, der mir jedoch in dieser Nacht schon so nahe ist.

Nun ist also das Ende gekommen - eine kurze Spanne der Muhe und der Sorge, ein paar ruhelose, fiebernde Jahre der Qual, und dann empfangen einen die Arme des Todesengels. Oftmals war ich ihnen schon sehr nahe, manch einen Gefahrten umschlangen sie, wahrend er an meiner Seite stand, und nun bin endlich ich an der Reihe, und es ist gut so. Noch vierundzwanzig Stunden, und die Erde wird von mir gegangen sein, mit all ihren Hoffnungen und all ihren Angsten. Luft wird die Stelle ausfullen, an der mein Leib war, und ich werde vom Erdboden verschwunden sein; der dustere Hauch der Verge?lichkeit der Welt wird zuerst das strahlend helle Licht der Erinnerung an mich wie ein Schatten verdunkeln, bevor er sie fur immer und ewig ausloschen wird; und dann

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