unwirklich bin, komisch auf dem grunen Pflaster stehend? Aber doch ist es schon lange her, da? du wirklich warst, du Himmel, und du Ringplatz bist niemals wirklich gewesen.“

„Es ist ja wahr, noch immer seid Ihr mir uberlegen, aber doch nur dann, wenn ich Euch in Ruhe lasse.“

„Gott sei Dank, Mond, du bist nicht mehr Mond, aber vielleicht ist es nachlassig von mir, da? ich dich Mondbenannten noch immer Mond nenne. Warum bist du nicht mehr so ubermutig, wenn ich dich nenne ,Verges- sene Papierlaterne in merkwurdiger Farbe‘. Und warum ziehst du dich fast zuruck, wenn ich dich ,Mariensaule‘ nenne und ich erkenne deine drohende Haltung nicht mehr Mariensaule, wenn ich dich nenne ,Mond, der gelbes Licht wirft‘.“

„Es scheint nun wirklich, da? es Euch nicht gut tut, wenn man uber Euch nachdenkt; Ihr nehmt ab an Mut und Gesundheit.“

„Gott, wie zutraglich mu? es erst sein, wenn Nachdenkender vom Betrunkenen lernt! “

„Warum ist alles still geworden. Ich glaube es ist kein Wind mehr. Und die Hauschen, die oft wie auf kleinen Radern uber den Platz rollen, sind ganz festgestampft - still - still - man sieht gar nicht den dunnen, schwarzen Strich, der sie sonst vom Boden trennt.“

Und ich setzte mich in Lauf. Ich lief ohne Hindernis dreimal um den gro?en Platz herum und da ich keinen Betrunkenen traf, lief ich ohne die Schnelligkeit zu unterbrechen und ohne Anstrengung zu verspuren gegen die Karlsgasse. Mein Schatten lief oft kleiner als ich neben mir an der Wand, wie in einem Hohlweg zwischen Mauer und Stra?engrund.

Als ich bei dem Hause der Feuerwehr voruberkam, horte ich vom kleinen Ring her Larm und als ich dort einbog, sah ich einen Betrunkenen am Gitterwerk des Brunnens stehn, die Arme wagrecht haltend und mit den Fu?en, die in Holzpantoffeln staken, auf die Erde stampfend.

Ich blieb zuerst stehn, um meine Atmung ruhig werden zu lassen, dann ging ich zu ihm, nahm meinen Zylinder vom Kopfe und stellte mich vor:

„Guten Abend, zarter Edelmann, ich bin dreiundzwanzig Jahre alt, aber ich habe noch keinen Namen. Sie aber kommen sicher mit erstaunlichen, ja mit singbaren Namen aus dieser gro?en Stadt Paris. Der ganz unnaturliche Geruch des ausgleitenden Hofes von Frankreich umgibt Sie.“

„Sicher haben Sie mit Ihren gefarbten Augen jene gro?en Damen gesehn, die schon auf der hohen und lichten Terasse stehn, sich in schmaler Taille ironisch umwendend, wahrend das Ende ihrer auch auf der Treppe ausgebreiteten bemalten Schleppe noch uber dem Sand des Gartens liegt. - Nicht wahr, auf langen Stangen, uberall verteilt, steigen Diener in grauen frechgeschnittenen Fracken und wei?en Hosen, die Beine um die Stange gelegt, den Oberkorper aber oft nach hinten und zur Seite gebogen, denn sie mussen an Stricken riesige graue Leinwandtucher von der Erde heben und in der Hohe spannen, weil die gro?e Dame einen nebligen Morgen wunscht.“ Da er sich rulpste, sagte ich fast erschrocken: „Wirklich, ist es wahr, Sie kommen Herr aus unserem Paris, aus dem sturmischen Paris, ach, aus diesem schwarmerischen Hagelwetter?“ Als er sich wieder rulpste, sagte ich verlegen: „Ich wei?, es widerfahrt mir eine gro?e Ehre.“

Und ich knopfte mit raschen Fingern meinen Uberzieher zu, dann redete ich inbrunstig und schuchtern:

„Ich wei?, Sie halten mich einer Antwort nicht fur wurdig, aber ich mu?te ein verweintes Leben fuhren, wenn ich Sie heute nicht fragte.“

„Ich bitte Sie, so geschmuckter Herr, ist das wahr, was man mir erzahlt hat. Gibt es in Paris Menschen, die nur aus verzierten Kleidern bestehn und gibt es dort Hauser, die blo? Portale haben und ist es wahr, da? an Sommertagen der Himmel uber der Stadt fliehend blau ist, nur verschont durch angepre?te wei?e Wolkchen, die alle die Form von Herzen haben? Und gibt es dort ein Panoptikum mit gro?em Zulauf, in dem blo? Baume stehn mit den Namen der beruhmtesten Helden, Verbrecher und Verliebten auf kleinen angehangten Tafeln.“

„Und dann noch diese Nachricht! Diese offenbar lugnerische Nachricht!“

„Nicht wahr, diese Stra?en von Paris sind plotzlich verzweigt; sie sind unruhig, nicht wahr? Es ist nicht immer alles in Ordnung, wie konnte es auch sein! Es geschieht einmal ein Unfall, Leute sammeln sich, aus den Nebenstra?en kommend mit dem gro?stadtischen Schritt, der das Pflaster nur wenig beruhrt; alle sind zwar in Neugierde, aber auch in Furcht vor Enttauschung; sie atmen schnell und strecken ihre kleinen Kopfe vor. Wenn sie aber einander beruhren, so verbeugen sie sich tief und bitten um Verzeihung: ,Es tut mir sehr leid, - es geschah ohne Absicht - das Gedrange ist gro?, verzeihen Sie, ich bitte - es war sehr ungeschickt von mir - ich gebe das zu. Mein Name ist - mein Name ist Jerome Faroche, Gewurzkramer bin ich in der rue du Cabotin - gestatten Sie, da? ich Sie fur morgen zum Mittagessen einlade - auch meine Frau wurde so gro?e Freude haben.‘ So reden sie, wahrend doch die Gasse betaubt ist und der Rauch der Schornsteine zwischen die Hauser fallt. So ist es doch. Und ware es moglich, da? da einmal auf einem belebten Boulevard eines vornehmen Viertels zwei Wagen halten. Diener offnen ernst die Turen. Acht edle sibirische Wolfshunde tanzeln hinunter und jagen bellend uber die Fahrbahn in Sprungen. Und da sagt man, da? es verkleidete junge Pariser Stutzer sind.“

Er hatte die Augen fast geschlossen. Als ich schwieg, steckte er beide Hande in den Mund und ri? am Unterkiefer. Sein Kleid war ganz beschmutzt. Man hatte ihn vielleicht aus einer Weinstube hinausgeworfen und er war daruber noch nicht im Klaren.

Es war vielleicht diese kleine, ganz ruhige Pause zwischen Tag und Nacht, wo uns der Kopf, ohne da? wir es erwarten, im Genicke hangt und wo alles, ohne da? wir es merken, still steht, da wir es nicht betrachten, und dann verschwindet. Wahrend wir mit gebogenem Leib allein bleiben, uns dann umschaun, aber nichts mehr sehn, auch keinen Widerstand der Luft mehr fuhlen, aber innerlich uns an der Erinnerung halten, da? in gewissem Abstand von uns Hauser stehn mit Dachern und glucklicherweise eckigen Schornsteinen, durch die das Dunkel in die Hauser flie?t, durch die Dachkammern in die verschiedenartigen Zimmer. Und es ist ein Gluck, da? morgen ein Tag sein wird, an dem, so unglaublich es ist, man alles wird sehen konnen.

Da ri? der Betrunkene seine Augenbrauen hoch, so da? zwischen ihnen und den Augen ein Glanz entstand und erklarte in Absatzen: „Das ist so namlich - ich bin namlich schlafrig, daher werde ich schlafen gehn. - Ich habe namlich einen Schwager am Wenzelsplatz - dorthin geh ich, denn dort wohne ich, denn dort habe ich mein Bett. - Ich geh jetzt. - Ich wei? namlich nur nicht, wie er hei?t und wo er wohnt - mir scheint, das habe ich vergessen - aber das macht nichts, denn ich wei? ja nicht einmal, ob ich uberhaupt einen Schwager habe. - Jetzt gehe ich namlich. - Glauben Sie, da? ich ihn finden werde?“

Darauf sagte ich ohne Bedenken: „Das ist sicher. Aber Sie kommen aus der Fremde und Ihre Dienerschaft ist zufallig nicht bei Ihnen. Gestatten Sie, da? ich Sie fuhre.“

Er antwortete nicht. Da reichte ich ihm meinen Arm, damit er sich einhange.

Die Aeroplane in Brescia

Wir sind angekommen. Vor dem Aerodrom liegt noch ein gro?er Platz mit verdachtigen Holzhauschen, fur die wir andere Aufschriften erwartet hatten, als: Garage, Grand Bufett International und so weiter. Ungeheure in ihren Wagelchen fettgewordene Bettler strecken uns ihre Arme in den Weg, man ist in der Eile versucht, uber sie zu springen. Wir uberholen viele Leute und werden von vielen uberholt. Wir schauen in die Luft, um die es sich hier ja handelt. Gott sei Dank, noch fliegt keiner! Wir weichen nicht aus und werden doch nicht uberfahren. Zwischen und hinter den Tausend Fuhrwerken und ihnen entgegen hupft italienische Kavallerie. Ordnung und Unglucksfalle scheinen gleich unmoglich.

Einmal in Brescia spat am Abend wollten wir rasch in eine bestimmte Gasse kommen, die unserer Meinung nach ziemlich weit entfernt war. Ein Kutscher verlangt 3 Lire, wir bieten zwei. Der Kutscher verzichtet auf die Fahrt und nur aus Freundschaft beschreibt er uns die geradezu entsetzliche Entfernung dieser Gasse. Wir fangen an, uns unseres Anbotes zu schamen. Gut, 3 Lire.

Wir steigen ein, drei Drehungen des Wagens durch kurze Gassen, wir sind dort, wohin wir wollten. Otto, energischer als wir zwei andern, erklart, es falle ihm naturlich nicht im geringsten ein, fur die Fahrt, die eine Minute gedauert hat, 3 Lire zu geben. Ein Lire sei mehr als genug. Da sei ein Lire. Es ist schon Nacht, das Ga?chen ist leer, der Kutscher ist stark. Er kommt gleich in einen Eifer, als dauere der Streit schon eine Stunde: Was? - Das sei Betrug. - Was man sich denn denke. - 3 Lire seien vereinbart, 3 Lire mussen gezahlt werden, 3 Lire her oder wir wurden staunen. Otto: „Den Tarif oder die Wache!“ Tarif? Da sei kein Tarif. - Wo gabe es dafur einen Tarif! - Es sei eine Vereinbarung uber eine Nachtfahrt gewesen, wenn wir ihm aber 2 Lire geben, so lasse er uns laufen. Otto zum Angst bekommen: „Den Tarif oder die Wache!“ Noch einiges Geschrei und Suchen, dann wird ein Tarif

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