neigen, sinkt er, dann glanzen die oberen Flachen in der Sonne. Er kommt um den Signalmast herum und wendet, gleichgultig gegen den Larm der Begru?ung, geradeaus dorthin, von wo er gekommen ist, um nur schnell wieder klein und einsam zu werden.

Er fuhrt funf solche Runden aus, fliegt 50 Km. in 49' 24' und gewinnt damit den gro?en Preis von Brescia, L. 30.000. Es ist eine vollkommene Leistung, aber vollkommene Leistungen konnen nicht gewurdigt werden, vollkommener Leistungen halt sich am Ende jeder fur fahig, zu vollkommenen Leistungen scheint kein Mut notig. Und wahrend Curtiss allein dort uber den Waldern arbeitet, wahrend seine allen bekannte Frau um ihn sich sorgt, hat die Menge fast an ihn vergessen. Uberall wird nur daruber geklagt, da? Calderara nicht fliegen wird (sein Apparat ist zerbrochen), da? Rougier schon zwei Tage lang an seinem Voisinflieger herumhantiert, ohne ihn loszulassen, da? Zodiac, der italienische Lenkballon, noch immer nicht gekommen ist. Uber Calderaras Ungluck laufen so ruhmliche Geruchte um, da? man glauben will, die Liebe der Nation sollte ihn sicherer in die Luft heben, als sein Wrightflieger.

Noch hat Curtiss seinen Flug nicht beendet, und schon fangen wie vor Begeisterung in drei Hangars die Motors zu arbeiten an. Wind und Staub schlagt aus entgegengesetzten Richtungen zusammen. Zwei Augen genugen nicht. Man dreht sich auf seinem Sessel, schwankt, halt sich an irgendjemandem fest, bittet um Verzeihung, irgend jemand schwankt, rei?t einen mit, man bekommt Dank. Der fruhe Abend des italienischen Herbstes beginnt, auf dem Felde ist nicht mehr alles deutlich zu sehen.

Gerade als Curtiss nach seinem Siegesflug voruberkommt, ohne herzuschauen ein bi?chen lachelnd die Mutze abnimmt, fangt Bleriot einen kleinen Kreisflug an, den ihm alle schon vorher zutrauen! Man wei? nicht, ob man Curtiss applaudiert oder Bleriot oder schon Rougier, dessen gro?er schwerer Apparat sich jetzt in die Luft wirft. Rougier sitzt an seinen Hebeln wie ein Herr an einem Schreibtisch, zu dem man hinter seinem Rucken auf einer kleinen Leiter kommen kann. Er steigt in kleinen Runden, uberfliegt Bleriot, macht ihn zum Zuschauer und hort nicht auf zu steigen.

Wenn wir noch einen Wagen bekommen wollen, ist es hochste Zeit wegzugehen; viele Leute drangen schon an uns voruber. Man wei? ja, dieser Flug ist nur ein Experiment, da es schon gegen 7 Uhr geht, wird er nicht mehr offiziell registriert. In dem Vorhof des Aerodroms stehen die Chauffeure und Diener auf ihren Sitzen und zeigen auf Rougier; vor dem Aerodrom stehen die Kutscher auf den verstreuten vielen Wagen und zeigen auf Rougier; drei Zuge voll bis zum letzten Puffer ruhren sich nicht wegen Rougiers. Wir bekommen glucklich einen Wagen, der Kutscher hockt sich vor uns nieder (einen Kutschbock gibt es nicht), und endlich wieder selbstandige Existenzen geworden fahren wir los. Max macht die sehr richtige Bemerkung, da? man etwas ahnliches wie hier auch in Prag veranstalten konnte und sollte. Es mu?te ja kein Wettfliegen sein, meint er, trotzdem auch das sich lohnen wurde, aber einen Aviatiker einladen, das ware doch sicher eine Leichtigkeit und kein Beteiligter wurde es zu bereuen haben. Die Sache ware ja so einfach; jetzt fliegt Wright in Berlin, nachstens wird Bleriot in Wien fliegen, Latham in Berlin. Man mu?te also die Leute nur zu dem kleinen Umweg uberreden. Wir zwei andern antworten nichts, da wir erstens mude sind und zweitens auch sonst nichts einzuwenden hatten. Der Weg dreht sich und Rougier erscheint so hoch, da? man glaubt, seine Lage konne bald nur nach den Sternen bestimmt werden, die sich gleich auf dem Himmel zeigen werden, der sich schon dunkel verfarbt. Wir horen nicht auf, uns umzudrehen; gerade steigt noch Rougier, mit uns aber geht es endgultig tiefer in die Campagna.

Ein Roman der Jugend

Felix Sternheim: Die Geschichte des jungen Oswald. Hyperionverlag Hans von Weber, Munchen 1910.

Ob es will, oder nicht, es ist ein Buch um junge Leute glucklich zu machen.

Vielleicht mu? der Leser, wahrend er diesen Roman in Briefform zu lesen beginnt, aus Not ein wenig einfaltig werden, denn ein Leser kann nicht gedeihen, beugt man seinen Kopf sogleich mit dem ersten Ruck uber den unveranderlichen Strom eines Gefuhls. Und vielleicht ist diese Einfalt des Lesers die Ursache, da? ihm die Schwachen des Autors hier im Anfang geradezu morgendlich klar erscheinen: Eine beschrankte Terminologie von Werthers Schatten umkreist, schmerzlich den Ohren mit immer „su?“ und immer „hold“. Ein bestandig wieder kehrendes Entzucken, dessen Fulle niemals aufgegeben wird, das aber, oft nur noch gerade an den Worten hangend, tot durch die Seiten geht.

Wird dann aber der Leser vertrauter, bekommt er einen geschutzten Platz, dessen Boden schon gemeinsam mit dem Boden der Geschichte zittert, dann ist die Einsicht nicht mehr schwierig, da? die Briefform des Romans den Autor fast mehr braucht, als er sie. Die Briefform gestattet, einen raschen Wechsel aus einem dauernden Zustand herauszuschildern, ohne da? der rasche Wechsel um seine Raschheit kommt; sie gestattet, einen dauernden Zustand durch einen Aufschrei bekannt zu machen und die Dauer bleibt daneben bestehn. Sie erlaubt ohne Schaden die Entwicklung aufzuhalten, denn wahrend der Mann, dessen berechtigte Hitze uns erregt, seine Briefe schreibt, schonen ihn alle Machte, die Vorhange sind herabgelassen und bei Ruhigsein des ganzen Korpers schiebt er gleichma?ig seine Hand uber das Briefpapier. Es wird des Nachts im Halbschlaf geschrieben; je gro?er die Augen hiebei sind, desto fruher fallen sie zu. Es werden zwei Briefe hinter einander an verschiedene Adressaten geschrieben und der zweite mit einem Kopf, der nur an den ersten denkt. Es werden Briefe abends, in der Nacht und am Morgen geschrieben, und das Gesicht am Morgen schaut uber das schon unkenntliche Nachtgesicht hinweg, dem Gesicht vom Abend noch mit Verstandnis in die Augen. Die Worte „Liebstes, liebstes Gretchen!“ kommen verdeckt zwischen zwei gro?en Satzen hervor, sto?en durch die Uberraschung beide zuruck und bekommen alle Freiheit.

Und wir verlassen alles, den Ruhm, die Dichtkunst, die Musik und verlieren uns, wie wir sind, in jenes sommerliche Land, wo die Felder und Wiesen „ahnlich wie im Hollandischen, von schmalen, dunklen Wasserarmen durchzogen sind“, wo im Kreise erwachsener Madchen, kleiner Kinder und einer klugen Frau Oswald in das Gretchen beim Tiktak kleiner gesprochener Satze sich verliebt. Dieses Gretchen lebt in der tiefsten Stelle des Romans; von allen Seiten, immer wieder, sturzen wir ihm zu. Selbst Oswald verlieren wir hie und da aus den Augen, sie nicht, selbst durch das lauteste Lachen ihrer kleinen Gesellschaft sehn wir sie wie durch ein Gebusch. Jedoch kaum sehn wir sie, ihre einfache Gestalt, schon sind wir ihr so nahe, da? wir sie nicht mehr sehen konnen, kaum fuhlen wir sie nahe, sind wir ihr schon entrissen und sehn sie klein in der Ferne. „Sie lehnte ihr Kopfchen an das Birkengelander, so da? der Mond zur Halfte ihr Gesicht beschien.“

Die Bewunderung fur diesen Sommer im Herzen - wer wagte zu sagen oder besser wer wagte die leichte Beweisfuhrung, da? sich von da ab das Buch zugleich mit dem Helden, mit der Liebe, der Treue, zugleich mit allen guten Dingen geradewegs totschlagt, wahrend blo? die Dichtkunst des Helden siegt, eine Angelegenheit, die nur infolge ihrer Gleichgultigkeit nicht fraglich ist? So geschieht es, da? der Leser, je mehr es gegen Ende geht, desto starker zu jenem anfanglichen Sommer sich zuruckwunscht und schlie?lich, statt dem Helden auf den Selbstmordfelsen zu folgen, glucklich zu jenem Sommer zuruckkehrt und fur immer sich dort festhalten mochte.

Eine entschlafene Zeitschrift

Die Zeitschrift „Hyperion“ hat ihre Arbeit halb gezwungen, halb freiwillig beendet und ihre zwolf wie Steinplatten gro?en, wei?en Hefte sollen jetzt abgeschlossen sein. Unmittelbar erinnern an sie nur noch die Hyperionalmanache 1910 und 1911, um die sich das Publikum wie um die unterhaltenden Reliquien eines unbequemen Toten rei?t. Der wesentliche Herausgeber war Franz Blei, dieser bewundernswerte Mann, den die Mannigfaltigkeit seiner Talente in die dichteste Literatur hineintreibt, wo er sich aber nicht befreien und halten kann, sondern mit verwandelter Energie zu Zeitschriftengrundungen entlauft. Der Verleger war Hans von Weber, dessen Verlag zuerst vom „Hyperion“ ganz uberdeckt war, heute aber, ohne sich in einer Seitengasse der Literatur zu verstecken, ohne aber auch mit allgemeinen Programmen zu strahlen, einer der zielbewu?testen gro?en deutschen Verlage geworden ist.

Die Absicht der Grunder des „Hyperion“ war, mit ihm in jene Lucke des literarischen Zeitschriftenwesens zu treten, die zuerst der „Pan“ erkannt, nach ihm die „Insel“ auszufullen versucht hatte, und die seitdem scheinbar

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