besprechen«, fuhr Lackland schlie?lich fort. »Sobald sich das Wetter gebessert hat, bringen sie mir einen Raupenschlepper herunter. Vielleicht siehst du zu, wie die Rakete landet, und gewohnst dich dabei an die Idee des Fliegens.«
»Vielleicht«, antwortete Barlennan zogernd. »Ich wei? nicht recht, ob ich eure Rakete landen sehen will. Ich habe, schon eine Landung erlebt und… Nun, ich mochte vermeiden, da? die Besatzung dabei in der Nahe ist.«
»Warum? Hast du den Verdacht, da? sie vor lauter Angst davonlaufen wurde?«
»Nein«, antwortete der Kommandant offen, »ich will nur nicht, da? sie sieht, wie viel Angst ihr Captain dabei hat.«
»Das hatte ich von dir nicht erwartet, Barl«, sagte Lackland amusiert. »Ich habe jedoch Verstandnis fur deine Befurchtungen und kann dir schon jetzt versprechen, da? die Rakete nicht uber dich hinwegfliegt. Wenn du unmittelbar neben meiner Kuppel wartest, weise ich den Piloten an, sie nicht zu uberfliegen.«
»Aber wie nahe kommt die Rakete uberhaupt?«
»Der Landeplatz liegt ziemlich weit von meiner Kuppel entfernt, denn der Pilot mu? selbst hier am Aquator die Triebwerke mit voller Kraft arbeiten lassen. Ich bin selbst daran interessiert, da? er dabei nicht meine Kuppel trifft, das kannst du mir glauben.«
»Gut, ich komme«, versprach Barlennan. »Zwei oder drei zusatzliche Funkgerate waren eine gro?e Erleichterung. Was ist dieser ›Raupenschlepper‹, von dem du gesprochen hast?«
»Eine Maschine, die mich uber Land befordert, wie dein Schiff euch uber See tragt. Du wirst sie in einigen Tagen selbst sehen – eigentlich sogar schon in wenigen Stunden.«
Barlennan fragte nicht nach der Bedeutung des neuen Wortes, da er auch so verstand, was Lackland meinte. »Ich komme, um zu sehen«, stimmte er zu.
Die Freunde des Fliegers, die auf dem inneren Mond des Planeten einen Stutzpunkt eingerichtet hatten, erwiesen sich als gute Wetterpropheten. Der Kommandant hatte erst zehn Sonnenaufgange gezahlt, als die Wolkendecke aufri?, wahrend gleichzeitig der Wind nachlie?. Aus eigener Erfahrung war er der gleichen Meinung wie der Flieger, der behauptet hatte, das bessere Wetter werde mindestens hundert Tage anhalten.
Barlennan richtete sich auf dem Achterflo? auf, stie? einen durchdringenden Pfiff aus, von dem Lacklands Trommelfell geplatzt ware, wenn er derartig hohe Frequenzen hatte aufnehmen konnen, und erteilte seine Befehle. »Zwei Gruppen unter Dondragmers und Merkoos’ Fuhrung gehen auf die Jagd; jeder der beiden nimmt neun Jager seiner Wahl mit. Ich bleibe vorlaufig noch an Bord und suche dann den Flieger auf, der uns weitere Sprechmaschinen geben will. Die Maschinen und andere Dinge werden ihm von seinen Freunden von oben gebracht, deshalb bleibt die Besatzung bis zu meiner Ruckkehr in der Nahe des Schiffes. Etwa drei?ig Tage spater brechen wir auf.«
»Haltst du es fur richtig, das Schiff so fruh zu verlassen? Der Wind ist weiterhin ziemlich heftig.« Der Maat war so gut mit Barlennan befreundet, da? dieser seine Frage nicht als unverschamt ansah, obwohl andere Kommandanten in gleicher Lage jeden Zweifel an ihrer Urteilsfahigkeit schroff z uruckgewiesen hatten.
»Du hast recht, Don«, antwortete Barlennan. »Ich mochte jedoch Zeit sparen, und der Fliegerhugel ist kaum zwei Kilometer von hier entfernt.«
»Aber…«
»Au?erdem weht der Wind in die gleiche Richtung. Wir haben genugend Leinen an Bord; ich befestige zwei an meinem Geschirr, und zwei Leute – Terblannen und Hars unter deiner Leitung, Don – spulen die Leinen allmahlich ab. Wahrscheinlich verliere ich den Boden unter den Fu?en, aber wenn der Wind so stark ware, da? die Leinen brechen, lage die Bree jetzt schon kilometerweit landeinwarts.«
»Aber was passiert, wenn du in die Luft hochgehoben wirst und wieder…« Dondragmer schien ernstlich besorgt, und der Kommandant schrak im ersten Augenblick ebenfalls vor diesem Gedanken zuruck.
»Richtig, ich konnte fallen… Aber wir befinden uns hier nahe am Rand – auf dem Rand, hat der Flieger gesagt –, wo ein Fall nicht viel bedeutet, wie einige von euch selbst gemerkt haben.«
»Aber du hast doch befohlen, wir sollten uns wie bei normaler Schwerkraft verhalten, damit keine Gewohnheiten entstehen, die nach unserer Ruckkehr in bewohnbare Zonen gefahrlich werden konnten.«
»Ebenfalls richtig, aber in diesem Fall handelt es sich nicht um eine Gewohnheit. Mein Entschlu? steht fest. Du uberprufst die Leinen; Terblannen und Hars sind dir dabei behilflich, damit es nicht allzu lange dauert.«
Die Besatzung kehrte an ihre Arbeit zuruck, und Barlennan fragte sich im stillen, von welchem seiner Vorfahren er die Begabung geerbt haben konnte, sich kopfuber in Situationen zu sturzen, aus denen es keinen vernunftigen Ausweg zu geben schien. Die Idee mit den Leinen verdankte er einer plotzlichen Eingebung, aber er brauchte noch me hrere Tage, bevor er von seinen eigenen Argumenten uberzeugt war.
Zum Gluck stellte sich heraus, da? sein Plan einigerma?en leicht durchzufuhren war. Barlennan band zwei Leinen an seinem Geschirr fest, kroch uber Bord, sah sich noch einmal nach den beiden kraftigsten Besatzungsmitgliedern um und machte sich langsam auf den Weg. Sobald er die niedrigen Baume erreichte, an denen die Ankertaue der Bree festgemacht waren, konnte ihm der Wind nichts mehr anhaben. Er kam rascher voran und bewegte sich unter ihrem Schutz wie eine gro?e Raupe auf sechsunddrei?ig Beinen. Die Leinen verhedderten sich mehrmals in den untersten Zweigen, aber Barlennan war trotzdem recht zufrieden, denn er kam schneller als erwartet voran.
Der Strand stieg nach etwa zweihundert Metern verhaltnisma?ig steil an, und Barlennan befand sich bald zwei Meter uber dem Meeresspiegel. Von dieser Stelle aus war der Fliegerhugel in einem Kilometer Entfernung zu erkennen – selbst mit den Augen eines Lebewesens, das sich kaum funf Zentimeter uber dem Boden befand. Der Kommandant legte an dieser Stelle eine kurze Ruhepause ein, um Krafte fur das letzte Wegstuck zu sammeln.
Vor ihm lag eine weite Hochebene, die dichter als der Strand mit niedrigen Baumen bewachsen war.
Inmitten dieser Landschaft aus gelben Baumen und wei?em Schnee erhob sich der Riegerhugel, den Barlennan zu Anfang nicht als Gebaude angesehen hatte, weil er so riesig war. Die halbrunde Metallkugel mit sechs Meter Hohe und etwa zwolf Meter Durchmesser wies gro?e durchsichtige Flachen auf und hatte zwei schlauchformige Auswuchse mit Doppelturen. Der Flieger hatte Barlennan erklart, diese Turen seien so konstruiert, da? man die Kuppel verlassen konne, ohne Luft hinein- oder hinauszulassen. Zu einem der niedrigen Fenster fuhrte eine Rampe hinauf, die Barlennan benutzte, um ins Innere der Kuppel zu sehen.
Der Kommandant hatte anfangs viel Zeit auf dieser Rampe zugebracht, als er die Sprache des Fliegers verstehen und sprechen lernte; er hatte auch die vielen eigenartigen Maschinen im Innern der Kuppel gesehen und vergeblich zu erraten versucht, welchen Zweck sie erfullten. Der Flieger selbst schien ein Amphibium zu sein – jedenfalls lag er meistens auf dem Rucken in einem gro?en Tank, der bis zum Rand gefullt war. Angesichts seiner gigantischen Gro?e war dies nur logisch, denn Barlennan wu?te aus eigener Erfahrung, da? auf seinem Planeten alle gro?eren Tiere im Meer oder in den Seen lebten. Hatte er allerdings die hauchdunne Membran gesehen, die Lacklands Kleidung trockenhielt, ware ihm vermutlich klargeworden, da? die Menschen doch keine Amphibien waren.
Von seinem Platz aus sah er, da? die Rakete noch nicht gelandet war, und uberlegte, ob er nicht lieber hier warten sollte, bis sie aufsetzte. Aber an dieser Stelle lie? sich vielleicht nicht vermeiden, da? sie uber ihn hinwegflog, und Lackland konnte nichts dagegen unternehmen, da er nicht wu?te, wo Barlennan sich befand. Nur wenige Menschen waren vermutlich imstande, ein vierzig Zentimeter langes und funf Zentimeter breites Lebewesen, das horizontal durch dichtes Unterholz kroch, aus achthundert Meter Entfernung zu sehen. Der Kommandant beschlo? deshalb, die Kuppel aufzusuchen und dort zu warten.
Er kam gut voran, obwohl es unterwegs mehrmals Nacht wurde, und erreichte den Fliegerhugel bei einbrechender Dunkelheit. Bis er jedoch die Leinen an einem Baum festgemacht hatte und uber die Rampe nach oben gekrochen war, ging bereits links hinter ihm wieder die Sonne auf. Lackland befand sich nicht in dem Teil der Kuppel, den er uberblicken konnte, so da? Barlennan auf den Klingelknopf neben dem Fenster drucken mu?te. Die Stimme des Fliegers drang kurze Zeit spater aus dem Lautsprecher neben dem Knopf.
»Freut mich, da? du so schnell gekommen bist, Barl. Ich habe Made oben warten lassen, aber jetzt kann er landen und mu?te beim nachsten Sonnenaufgang eintreffen.«
»Wo ist er? Auf Toorey?«
»Nein, er wartet in der Tausend-KilometerKreisbahn. Inzwischen kann ich dir die Funkgerate hinausbringen, die ich dir versprochen habe.«
»Da ich allein bin, ware es vielleicht besser, diesmal nur ein Gerat zu bringen«, schlug Barlennan vor. »Die Dinger sind zwar nicht schwer, aber doch schlecht zu tragen.«
»Dann warten wir lieber auf den Schlepper«, erwiderte Lackland. »Ich lade das Zeug ein und bringe es an den Strand. Was haltst du davon?«
»Eine gute Idee. Willst du mir bis dahin wieder Englischunterricht geben oder kannst du mir weitere Bilder deines Planeten zeigen?«
»Ich habe noch einen Film. Bis ich ihn in den Projektor eingelegt habe, ist es drau?en wieder dunkel, so da? du gut sehen kannst. Augenblick – ich komme in den Vorraum.«
Der Lautsprecher verstummte, und Barlennan beobachtete die Tur, in der Lackland erscheinen wurde. Kurze Zeit spater trat der Flieger in den Vorraum hinaus und bewegte sich wie gewohnlich mit Hilfe der kunstlichen Gliedma?en, die er Krucken nannte. Er nickte Barlennan freundlich zu, legte den Film ein, lie? den Projektor anlaufen und streckte sich in seinem Tank aus. Die Filmspule mit funfzehn Minuten Laufzeit war noch nicht ganz zu Ende, als Lackland sich wieder erhob und Barlennan mitteilte, die Landung der Rakete stehe jetzt bevor.
»Willst du Mack beobachten oder lieber den Film zu Ende sehen?« fragte er. Der Kommandant uberlegte kurz. »Der Film ist mir eigentlich lieber«, gab er offen zu, »aber vielleicht ist es doch besser, wenn ich midi an fliegende Dinge gewonne. Aus welcher Richtung kommt er?«
»Aus Osten, nehme ich an. Made kennt die genaue Position der Kuppel und wei? vor allem, da? er sie nicht uberfliegen soll.«