seine alte Furcht in sich aufsteigen; er b eherrschte sich jedoch und sah der Rakete nach, bis der winzige Lichtpunkt erloschen war.

Lackland hatte den Start offenbar ebenfalls beobachtet, aber als es jetzt wieder hell wurde, legte er die letzte Strecke mit hochster Fahrt zuruck. Er hielt hundert Meter von der Bree entfernt an, aber die Besatzung erkannte deutlich, da? ihr Kommandant hoch oben auf dem Schlepper hockte. Hatte Lackland Barlennans Kopf auf einer Stange vor sich hergetragen, ware die Besatzung vermutlich weniger entsetzt gewesen.

Selbst Dondragmer, der intelligenteste und vernunftigste Mesklinit an Bord – den Captain nicht ausgenommen –, war einige Zeit wie gelahmt. Als er endlich wieder klar denken konnte, galt sein erster Blick den Flammstaubbehaltern auf den a u?eren Flo?en. Barlennan mu?te sich glucklich schatzen, da? der Wind nicht landeinwarts stand, denn der Maat hatte dem Schlepper sonst eine Flammenwolke entgegengeschickt, ohne daran zu denken, da? der Kommandant vielleicht noch lebte.

Aber auch Lackland hatte ausgesprochen Gluck, da? die Besatzung daran gewohnt war, sich nur langsam kriechend fortzubewegen, anstatt die hundert Meter mit einem einzigen Sprung zu uberwinden, den der Schwachste von ihnen unter diesen Verhaltnissen leicht geschafft hatte. Lackland sah sie herankriechen, bildete sich aber ein, sie wollten nur ihren Captain empfangen, und beeilte sich deshalb nicht sonderlich, Barlennan neben den Funkgeraten abzusetzen. Die Besatzung erkannte jetzt, da? ihr Kommandant noch lebte, und zogerte unentschlossen, weil niemand wu?te, was er davon halten sollte, da? Barlennan dieses schreckliche Erlebnis heil uberstanden hatte. Lackland horte Dutzende von verschiedenen Stimmen, die in allen Tonlagen gleichzeitig sprachen. Er verstand kein Wort davon, aber das war vielleicht nur gut fur seinen Seelenfrieden, denn er hatte schon vor einiger Zeit festgestellt, da? selbst das Material seines schweren Druckanzugs kein ernsthaftes Hindernis fur die Zangen eines Meskliniten war.

Barlennan brachte seine Besatzung mit einem Brullen zur Ruhe, das Lackland vermutlich selbst durch den Anzug hindurch gehort hatte, wenn die Wiedergabe durch die Kopfhorer ihn nicht bereits fast taub gemacht hatte. Der Kommandant konnte sich nur allzu gut vorstellen, was in den Kopfen seiner Leute vorging, und hatte nicht den Wunsch, Lacklands Knochen am Strand verstreut liegen zu sehen.

»Ruhe!« brullte er deshalb streng, obwohl er sich daruber freute, da? die Besatzung so entschlossen reagiert hatte, als er scheinbar in Gefahr schwebte.

»Ihr wi?t alle, da? man hier fast nichts wiegt – deshalb war alles ganz harmlos!«

»Aber du hast befohlen, wir…«

»Wir dachten schon, du…«

»Du warst so hoch und…«

Barlennan achtete kaum auf diese Einwande, sondern fuhr ruhiger fort: »Ich wei?, da? ich Kunststucke dieser Art streng verboten habe, und ihr kennt meine Grunde dafur. Aber der Flieger ahnt nicht einmal, was richtiges Gewicht bewirken kann, denn sonst hatte er midi nicht einfach aufgehoben und eben vor euren Augen wieder abgesetzt. In seiner Heimat herrscht praktisch Schwerelosigkeit, und er hat nie die Erfahrung machen konnen, wie gefahrlich ein Fall aus gro?erer Hohe ist. Das beweist schon die Tatsache, da? er fliegt – wer an unsere Verhaltnisse gewohnt ist, wurde sich nicht einmal in die Nahe seiner Maschine wagen.«

Die Besatzung hatte vermutlich kaum verstanden, was der Kommandant damit ausdrucken wollte, aber immerhin befand Lackland sich jetzt nicht mehr in Lebensgefahr, weil die Zuhorer abgelenkt worden waren. Als sie diese erstaunliche Neuigkeit untereinander diskutierten, schien ihr Zorn einer allgemeinen Verbluffung gewichen zu sein. Nur Dondragmer, der etwas von den anderen entfernt stand, schwieg weiterhin nachdenklich, und Barlennan war sich daruber im klaren, da? er seinem Maat eine ausfuhrlichere Erklarung schuldig war.

Aber das hatte Zeit bis spater; zunachst mu?te die Besatzung nutzlich beschaftigt werden.

»Sind die Jager bereit zum Aufbruch?« Barlennans Frage brachte die Leute wieder zum Schweigen.

»Wir haben noch nicht gegessen«, antwortete Merkoos bedachtig, »aber die Waffen liegen bereit.«

»Ist das Essen fertig?«

»Es dauert nicht mehr lange.« Karondrasee, der Schiffskoch, machte sich ohne weitere Befehle auf den Weg zu seiner Kombuse.

»Don, Merkoos, ihr nehmt beide eine dieser Maschinen. Ihr habt gesehen, wie ich mein Funkgerat benutze – man braucht nur irgendwo in seiner Nahe zu sprechen. Mit seiner Hilfe sind wirklich gro?e Zangenbewegungen moglich, weil die Fuhrer einander nicht zu sehen brauchen.«

Barlennan zogerte und fuhr dann fort: »Don, ich bleibe wahrscheinlich nicht an Bord, wie ich es ursprunglich vorhatte. Ich habe festgestellt, da? man von der Fahrmaschine des Fliegers aus einen guten Blick uber weite Entfernungen hat; wenn er zustimmt, fahre ich mit ihm in euer Jagdgebiet.«

»Aber… aber…« Dondragmer war sichtlich erschuttert. »Vertreibt das Ding nicht alles Wild?

Man hort es schon aus hundert Meter Entfernung, und ich wei? nicht, wie weit es sichtbar ist. Au?erdem…« Er schwieg, weil er nicht wu?te, wie er den wichtigsten Einwand vorbringen sollte. Barlennan sprach fur ihn weiter.

»Au?erdem konnte sich niemand auf die Jagd konzentrieren, solange ich dort oben sitze – ist das der Grund?« Die Zangen des Maats bewegten sich zustimmend, und der gro?te Teil der Besatzung machte die gleiche Bewegung.

Der Kommandant wollte schon an ihre Vernunft appellieren, aber dann fiel ihm ein, wie zwecklos dieser Versuch ware. Er wu?te nicht mehr bestimmt, wie er selbst auf einen Plan dieser Art reagiert hatte, aber ihm war jedenfalls klar, da? er sich ebenso wenig von ›vernunftigen‹ Argumenten hatte uberzeugen lassen.

»Einverstanden, Don, ich bestehe nicht darauf – du hast vermutlich recht. Ich bleibe in Funkverbindung mit dir, aber immer au?er Sichtweite.«

»Willst du wirklich auf diesem Ding fahren? Was ist plotzlich mit dir los? Ich wei?, da? hier am Rand der Welt ein kleiner Fall harmlos ist, aber ich wurde es nie uber mich bringen, diesen Fall geradezu herauszufordern, und ich kann n icht einsehen, was andere dazu bewegen konnte. Ich mag mir nicht einmal vorstellen, wie man sich dort oben fuhlt.«

»Wenn ich mich recht erinnere, hast du dich erst neulich an einem Mast aufgerichtet«, antwortete Barlennan trocken. »Oder war das ein anderer, der die Rahen uberprufen wollte, ohne den Mast umzulegen?«

»Das war etwas anderes – ich hatte schlie?lich sechs Fu?e an Deck«, erwiderte Dondragmer kleinlaut.

»Dein Kopf ware trotzdem tief gefallen. Ich habe ahnliche Kunststucke bei anderen beobachtet. Du erinnerst dich vielleicht noch an meinen Befehl, diese Scherze zu unterlassen.«

»Ist der Befehl noch in Kraft, seitdem du…« Der Maat zogerte, aber Barlennan wu?te genau, was er hatte sagen wollen.

»Der Befehl wird hiermit aufgehoben«, sagte der Kommandant langsam. »Der Grund besteht nach wie vor, aber wenn einer von euch nach der Ruckkehr Schwierigkeiten hat, ist er selbst dafur verantwortlich. In Zukunft mu? jeder selbst wissen, was er tut. Will jemand mitfahren?«

Entsetzte Ablehnung von allen Seiten.

»Macht euch fur die Jagd fertig. Ich hore euch zu.« Mit diesen Worten entlie? der Kommandant die Besatzung, die gehorsam zur Bree zuruckstromte. Barlennan wandte sich an Lackland und teilte ihm mit, was der Flieger seiner Meinung nach erfahren durfte. Der Kommandant war dabei etwas geistesabwesend, denn wahrend der Unterhaltung war er auf einige brandneue Ideen gekommen. Aber damit konnte er sich noch beschaftigen, wenn er wieder mehr Zeit hatte. Im Augenblick hatte er nur den Wunsch, nochmals auf dem Dach des Raupenschleppers mitfahren zu durfen.

4

Die Bucht, an deren Sudufer die Bree uberwinterte, war etwa zwanzig Kilometer lang und an der Mundung kaum zwei Kilometer breit. Sie begann am Sudufer eines gro?eren Golfs mit etwa dreihundertfunfzig Kilometer Lange und ahnlicher Form, der seinerseits nur eine Fortsetzung des offenen Meeres war, das sich unbestimmbar weit uber die nordliche Hemisphare erstreckte, wo es allmahlich ins Eis des Polargebiets uberging. Bucht, Golf und Meer verliefen ziemlich genau von Osten nach Westen, wobei zwischen Bucht und Golf, aber auch zwischen Golf und Meer schmale Halbinseln Schutz vor Wind und Sturmen boten. Die Position der Bree war besser gewahlt, als Barlennan ahnte, denn die Halbinseln schutzten sie an ihrem Liegeplatz vor Sturmen aus dem Norden. Drei?ig Kilometer westlicher war dieser Schutz jedoch nicht mehr wirksam, und Barlennan und Lackland konnten sich vorstellen, was aus der Bree geworden ware, wenn ihr Kommandant nicht instinktiv den besten Liegeplatz gewahlt hatte.

Hier war der Strand uberall mit bewegungslosen dunklen Massen bedeckt, die der letzte Sturm an Land geworfen hatte. Zum Teil handelte es sich dabei um gro?e Klumpen Seetang – Lackland fuhlte sich wenigstens daran erinnert –, aber sie sahen auch Meerestiere in verschiedenen Gro?en und Formen. Lackland wunderte sich nicht so sehr uber die Ausma?e dieser Tiere, sondern vor allem uber die Tatsache, da? ihre Kadaver so weit landeinwarts lagen. Ein geradezu gigantisches Tier lag fast einen Kilometer vom Strand entfernt, und Lackland sah zum erstenmal mit eigenen Augen, was die Sturme von Mesklin anrichten konnten, wenn sie hundert Kilometer offenes Meer vor sich hatten, dessen Wogen sie aufpeitschen konnten.

»Was ware aus deinem Schiff geworden, Barlennan, wenn es solchen Brechern ausgesetzt gewesen ware?«

»Auf dem Meer hatten wir nichts zu befurchten, denn die Bree wurde daruber hinweggleiten; ware sie jedoch wie jetzt am Strand vertaut, hatten die Wellen alles kurz und klein geschlagen. Ich hatte nie gedacht, da? es hier am Rand so hohe Wellen gibt – aber wahrscheinlich sind selbst die gro?ten harmlos, weil sie nicht viel wiegen.«

»Das Gewicht spielt in diesem Fall kaum eine Rolle, furchte ich; dein erster Eindruck war vermutlich richtig.«

»Daran habe ich auch gedacht, als wir nach einem Liegeplatz suchten. Aber ich mu? zugeben, da? mich die Gro?e der Wellen uberrascht hat. Kein Wunder, da? hier am Rand der Welt ofters Schiffe spurlos verschwinden.«

»Dabei kann es hier nicht sehr schlimm gewesen sein. Wenn ich mich recht erinnere, liegt dort druben noch eine zweite Landzunge, deren Hohenzuge auf unseren Bildern deutlich zu sehen waren. Dadurch wird der Wind etwas

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