Aufzeichnungen…«

»Ich wei?, und ich gebe mir bestimmt Muhe«, unterbrach Lackland ihn, »aber das alles ist den Eingeborenen nicht klarzumachen. Barlennan fehlt die notige Ausbildung, deshalb konnen wir nicht erwarten, da? er unsere Argumente versteht. Achten Sie weiter auf Schonwetterperioden, damit er zu mir kommen und die Bilder ansehen kann.«

»Haben Sie schon einmal daran gedacht, ihm eine Art Unterschlupf an der Rampe zu bauen? Dann ware er vor schlechtem Wetter sicher und brauchte nicht immer wieder zu seinem Schiff zuruck.«

»Das habe ich ihm bereits vorgeschlagen«, antwortete Lackland, »aber er will Schiff und Besatzung wahrend dieser Zeit nicht im Stich lassen. Im Grunde genommen hat er sogar recht damit.«

»Hmmm.« Dr. Rosten runzelte die Stirn. »Schon, tun Sie, was Sie konnen – Sie wissen selbst, was auf dem Spiel steht. Diese Aufzeichnungen der Me?instrumente bedeuten vielleicht den gro?ten Fortschritt auf naturwissenschaf tlichem Gebiet seit Einstein.« Rosten brach die Verbindung ab, und Lackland machte sich an die Arbeit.

Die Forschungsrakete, die am Sudpol gelandet war und dort nicht mehr hatte starten konnen, nachdem alle Messungen durchgefuhrt waren, hatte Telemetriesender an Bord gehabt, schwieriger war es jedoch, vom Winterliegeplatz der Bree aus eine Route uber Land und Meer zu bestimmen, die zum Sudpol fuhrte. Die Seereise war nicht uberma?ig kompliziert: etwa funfundsechzigtausend Kilometer an der Kuste entlang, die den Eingeborenen zum gro?ten Teil von fruher her vertraut war. Am Ende dieser Fahrt wurde die Bergungsmannschaft so nahe an das Wrack herangekommen sein, wie es in dieser einen Meereskette uberhaupt moglich war.

Unglucklicherweise befand sie sich dort noch fast sechstausend Kilometer von der Rakete entfernt, und die Kuste wies hier keine gro?eren Flusse auf, deren Lauf die Bree hat te folgen konnen, um die Reise uber Land abzukurzen.

Es gab allerdings einen Flu?, der beide Voraussetzungen erfullte: Er war gro? genug fur die Bree und fuhrte bis auf achtzig Kilometer an das Wrack heran – aber er mundete in einen Ozean, der keine sichtbare Verbindung mit den Meeren hatte, auf denen die Schiffe der Meskliniten segelten. Diese Meereskette erstreckte sich von einem Punkt nordlich des Aquators uber den Sudpol hinweg bis zum Aquator auf der gegenuberliegenden Seite des Planeten. Das andere Meer, in das der Flu? mundete, der fast an der Rakete vorbeifuhrte, begann etwa am sudlichsten Punkt der Meereskette und erstreckte sich von dort aus bis in die Nahe des Nordpols.

Es lag im Osten der Meereskette und schien durch einen Landstreifen von ihr getrennt zu sein, der unter Berucksichtigung der hiesigen Verhaltnisse ziemlich schmal war – Lackland stellte auf den Fotos fest, da? der Isthmus jedenfalls an keiner Stelle breiter als zehntausend Kilometer war.

»Was wir brauchen konnten, Barl, ist eine Passage von einem Meer zum anderen«, sagte Lackland eines Tages. Der Mesklinit, der vor dem Fenster der Kuppel ausgestreckt lag, machte eine zustimmende Bewegung. Der Winter ging allmahlich zu Ende, und die gro?ere Sonne war merklich dunkler, als sie jetzt uber den Himmel zog. »Wei?t du b estimmt, da? es keine gibt? Schlie?lich sind die meisten Fotos im Herbst aufgenommen worden, und du hast selbst gesagt, da? die Meere ihren hochsten Stand im Fruhjahr erreichen.«

»Wir kennen keinen Weg von unserem Meer zu diesem anderen«, versicherte der Kommandant ihm. »Wir wissen zwar, da? es diesen Ozean gibt, aber keines unserer Schiffe hat ihn je befahren.

Sollte tatsachlich eine Passage existieren, mu?te sie hier am Rand der Welt zu finden sein, wo das Land bisher kaum erforscht ist. Unsere Karte, die wir gemeinsam herstellen, zeigt einfach noch nicht genug. Vielleicht zieht sich diese Kuste bis zum anderen Meer hinuber; wir sind ihr einige tausend Kilometer weit nach Osten gefolgt und wissen nicht, wie lang sie wirklich ist.«

»Soviel ich mich erinnere, biegt sie spater wieder nach Norden ab, Barl – aber ich habe sie im Herbst gesehen und kann nicht beurteilen, wo sie im Fruhjahr verlauft. Die Sache mit der Karte ist vor allem deshalb so schwierig, weil sich der Verlauf der Kusten standig andert. Ich hatte gute Lust, bis zum nachsten Herbst zu warten, damit wir wenigstens die Karte benutzen konnten, die wir bereits haben, aber dann mu?te ich vier Erdjahre warten. So lange halte ich es hier unten nicht aus.«

»Du konntest in d eine Heimat zuruckkehren und dich dort erholen«, schlug Barlennan vor.

»Das ware eine ziemlich lange Reise, furchte ich, Barl.«

»Wie lang?«

»Hmmm… unsere Langenma?e helfen nicht viel – aber ich wei? etwas anderes. Ein Lichtstrahl wurde Mesklins ›Rand‹ in – ah – acht Zehntelsekunden umkreisen.« Er zeigte Barlennan eine Sekunde auf seiner Uhr, und der Kommandant starrte die Zeiger neugierig an. »Der gleiche Lichtstrahl wurde etwa elf meiner Jahre oder fast zweieinviertel deiner Jahre brauchen, um von hier aus meinen Heimatplaneten zu erreichen.«

»Dann ist deine Welt also so weit entfernt, da? man sie nicht sehen kann? Das hast du mir noch nicht erklart.«

»Ich war mir nicht daruber im klaren, ob wir das Sprachproblem ausreichend gelost hatten. Nein, mein Planet ist von hier aus nicht zu sehen, aber ich zeige dir spater meine Sonne, wenn der Winter voruber ist und wir uns auf der richtigen Seite von Mesklin befinden.« Der letzte Satz uberstieg Barlennans Vorstellungsvermogen, aber er au?erte sich nicht dazu. Er k annte nur zwei Sonnen: Beine, die Tag und Nacht verursachte, und Esstes, die in diesem Augenblick am Nachthimmel sichtbar war. In etwa einem halben Jahr wurden beide gemeinsam am Himmel erscheinen, so da? die schwacher leuchtende kaum zu sehen war; aber Barlennan hatte nie daruber nachgedacht, weshalb das so war.

Lackland nahm ein anderes Foto zur Hand und sah nachdenklich auf die funfzig oder sechzig Fotos hinab, die den Boden der Kuppel bedeckten.

Der gro?te Teil der Region, die Barlennan kannte, lag bereits als Karte vor, aber Lackland wu?te, da? es noch lange dauern wurde, bis auch dieser Punkt, an dem er sich jetzt befand, auf der Karte erschien.

Die gro?te Schwierigkeit bestand darin, da? er die Fotos nicht einfach aneinander reihen konnte, nachdem er die Projektion korrigiert hatte, denn Mesklin war nicht einmal annahernd kugelformig wie die Erde oder der Mars.

Die Herstellung der Karte wurde auch dadurch erschwert, da? die Oberflache des Planeten verhaltnisma?ig gleichformig war und kaum markante topographische Merkmale aufwies. Aber selbst Aufnahmen, die Taler oder Berge zeigten, waren verwirrend, weil die Schatten auf jedem Foto in andere Richtungen zeigten. Da die hellere Sonne in knapp neun Minuten von einem Horizont zum anderen eilte, veranderten sich die Schatten ebenso schnell; aufeinanderfolgende Bilder der gleichen Serie wurden oft aus verschiedenen Richtungen beleuchtet.

»Auf diese Weise schaffen wir es nie, Barl«, stellte Lackland entmutigt fest. »Ich habe auf eine Abkurzung gehofft, aber du sagst selbst, da? es keine gibt. Du bist Kommandant eines Schiffes, nicht Karawanenfuhrer, und diese sechstausend Kilometer uber Land sind unuberwindlich.« Er schuttelte den Kopf. »Unter der dort herrschenden Schwerkraft wurde der Marsch jahrelang dauern.«

»Ihr konnt also fliegen, obwohl ihr nicht wi?t, wie man die Schwerkraft aufhebt?« erkundigte Barlennan sich.

»Nein, wir konnen sie nicht aufheben.« Lackland zuckte mit den Schultern. »Aber die Instrumente an Bord der Rakete haben Messungen aufgezeichnet, die vielleicht der Schlussel des Geheimnisses sind.

Deswegen haben wir die Rakete dort landen lassen, Barlennan, denn an den Polen eurer Welt herrscht die hochste Schwerkraft aller uns bisher bekannten Planeten. Der Wert der Me?instrumente an Bord der Rakete la?t sich nicht in Zahlen ausdrucken, die du von mir gelernt hast, und als die Rakete nicht wieder startete, wurde sofort ein Bergungsprogramm entworfen. Wir mussen diese Me?werte haben – und wenn wir einen Kanal graben, damit die Bree das andere Meer erreicht.«

»Welche Instrumente befinden sich an Bord der Rakete?« fragte Barlennan. Er bedauerte diese Frage im gleichen Augenblick, denn Lackland konnte mi?trauisch werden und erraten, was der Komma ndant wirklich im Sinn hatte. Der Flieger lachelte jedoch nur.

»Tut mir leid, aber das kann ich dir nicht erklaren, Barl. Dir fehlt einfach das technische Wissen, das in diesem Fall Voraussetzung ware.« Obwohl der Flieger nicht mi?trauisch zu sein schien, gab Barlennan sich mit dieser Auskunft zufrieden.

»Ware es nicht besser«, sagte er nach einer kurzen Pause, »jetzt Bilder zu suchen, die das Gebiet ostlich von hier zeigen?«

Lackland nickte zustimmend, sortierte den Stapel vor sich und zog ein Foto heraus, das die Bucht zeigte, in der die Bree lag. Dann legte er weitere Aufnahmen daneben, und der Mesklinit sah gespannt zu, wie eine Karte des Landes entstand, das er noch nie gesehen hatte. Aber Lacklands Erwartungen wurden bald enttauscht, denn die Kuste bog schon achthundert Kilometer weiter nordostlich wieder nach Westen ab. An diesem Punkt mundete ein gewaltiger Strom ins Meer, und Lackland verfolgte seinen Lauf in der Hoffnung, hier eine Passage entdeckt zu haben. Dreihundert Kilometer flu?aufwarts zeigten sich jedoch unzahlige Stromschnellen – der Traum von einer Meeresstra?e war also ausgetraumt, bevor er recht begonnen hatte.

Der gro?e Strom hatte uber funfzig Nebenflusse und sein Einzugsgebiet erstreckte sich vor allem in sudostlicher Richtung. Lackland folgte ihm weiter und stellte fest, da? er am Fu? einer Gebirgskette entsprang. Er schuttelte trubselig den Kopf, denn nun schien festzustehen, da? auch hier kein Ubergang in den anderen Ozean moglich war. Barlennan war entschieden hartnackiger.

»Du darfst nicht einfach aufgeben!« drangte er.

»In meiner Heimat gibt es einen ahnlichen Hohenzug, von dessen beiden Seiten Flusse ins Meer stromen.« Lackland hielt nicht viel von diesem Vorschlag, denn er erinnerte sich deutlich genug an Sudamerika, legte aber weiter Fotos aneinander.

Das Gebirge verlief entlang eines schmalen Streifens von Ostnordost nach Westsudwest, und Lackland sah zu seiner Uberraschung, da? die unzahligen kleinen Flusse der anderen Seite bald zu einem beachtlichen Strom zusammenflossen. Der Hohepunkt war erreicht, als dieser Strom achthundert Kilometer weiter in den ostlichen Ozean mundete.

Lackland arbeitete fieberhaft weiter und stellte eine neue Karte

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