Das liegt an den unterschiedlichen medizinischen Rangen. Die verschiedenen Dienstgrade sind an den Farbmarkierungen auf den Armbinden zu erkennen, die zumeist an den Extremitaten oder an sonstigen vorstehenden Korperteilen getragen werden. Ich gebe Ihnen diese Information schon jetzt, weil Sie auf diese Weise die Dauer der Betriebszugehorigkeit und den Rang der Mitarbeiter bestimmen konnen, denen Sie wahrend Ihrer Behandlung begegnen werden. Den Unterschied zwischen den Farbmarkierungen, die ich als Lernschwester trage, und denen einer Stationsschwester, eines Pflegers, Assistenzarztes, Chefarztes, Diagnostikers oder eines Mitarbeiters der psychologischen Abteilung werden Sie schon sehr bald selbst erkennen konnen.
Theoretisch hat das Personalmitglied mit der langeren Dienstzugehorigkeit Vorfahrt«, setzte die Schwester ihre Ausfuhrungen fort. »Dennoch halten es die meisten fur ziemlich toricht, sich durch eine strikte Auslegung dieser Regel blaue Flecken oder gar Quetschungen zuzuziehen, und wenn das ihnen entgegenkommende Wesen sehr viel kraftiger gebaut ist als sie selbst, dann gehen sie ihm schon aus reinem Selbsterhaltungstrieb und ganz unabhangig vom Dienstgrad lieber aus dem Weg. Deshalb weichen mir ubrigens auch fast alle anderen aus, obwohl ich nur eine Lernschwester bin. Unabhangig davon hat ein Patient, der wie Sie vermutlich einer dringenden Behandlung bedarf, immer Vorfahrt, und dabei spielt es uberhaupt keine Rolle, welchen Rang die Schwester bekleidet, die fur den Transport verantwortlich ist.«
Aufgrund dieser beruhigenden Worte traute sich Hewlitt nun, die Wesen etwas genauer unter die Lupe zu nehmen, anstatt sich andauernd zusammenzukauern und die Augen zu schlie?en.
»Was… was war denn das fur eine eklige Horrorgestalt, die da eben vorbeigekommen ist?«
Die Schwester antwortete nicht. Erst als sie an einer Kreuzung abgebogen waren und sich die Kreatur au?er Sichtweite befand, sagte sie: »Dieses Wesen gehort der physiologischen Klassifikation PVSJ an und ist ein illensanischer Chloratmer, der in einer sauerstoffreichen Atmosphare einen Schutzanzug tragen mu?. Die Illensaner haben ein sehr gutes Gehor. Zukunftig sollten Sie lieber daran denken.«
Hewlitt konnte sich nicht daran erinnern, auch nur irgend etwas Ahnliches wie ein Ohr, ein Auge, eine Nase oder einen Mund an dem Wesen entdeckt zu haben. Er hatte lediglich einen stacheligen, membranartigen Korper erkennen konnen, der in dem gelben Chlor des durchsichtigen Schutzanzugs wie eine wahllose Aufschichtung oliger, giftiger Pflanzen ausgesehen hatte.
»Wie auch immer meine zukunftige Behandlung aussehen wird, solch ein Monster will ich auf keinen Fall in meiner Nahe haben, Schwester!« stellte er mit Entschiedenheit klar.
Die Sprechmembran der Schwester vibrierte zwar leicht, aber aus dem Translator kam zunachst kein Ton, doch dann sagte sie: »In wenigen Minuten werden wir auf Station sieben eintreffen. Ich nehme an, da? man mir gestatten wird, bei Ihrer Krankenpflege zu assistieren, Patient Hewlitt, und falls ich Ihnen noch auf andere Art behilflich sein kann oder Sie nichtmedizinische Ratschlage oder Informationen benotigen, dann lassen Sie esmicheinfach…«
»Gibt es hier denn gar keine terrestrischen Arzte und Schwestern?« unterbrach Hewlitt die Hudlarerin aufgebracht. »Ich will von Angehorigen meiner eigenen Spezies behandelt werden!«
»Zwar gehoren zum medizinischen Personal auch viele terrestrische DBDGs, aber wahrscheinlich haben die gar keine Lust, Sie zu behandeln, Patient Hewlitt«, antworte die Schwester.
Fur einen Moment war er vor unglaubigem Staunen sprachlos, und erst als die Trage in einen schmaleren und weniger bevolkerten Korridor geschwenkt wurde, beschlo? die Schwester, die Frage zu beantworten, dieer vor lauter Wut nicht hatte stellen konnen.
»Sie vergessen, da? dies ein Krankenhaus fur die verschiedensten Lebensformen ist und in der ganzen galaktischen Konfoderation als das gro?te und unbestritten beste Hospital gilt«, klarte sie ihn auf. »Die Leute, die hier eingestellt werden oder auch nur zur Fortbildung im Orbit Hospital sind, werden aus der medizinischen Elite ihrer Heimatplaneten ausgewahlt, und sie kommen hierher, um die Heilverfahren und Operationstechniken fremder Spezies zu erlernen und zu praktizieren. Deshalb haben Sie sicherlich Verstandnis dafur, da? sich kein Terrestrier Ihres Falls freiwillig annehmen wird, es sei denn, aus medizinischen Grunden wird ausdrucklich etwas anderes angeordnet. Ein terrestrischer DBDG-Arzt hat nun einmal nicht den ganzen Weg hierher ins Orbit Hospital zuruckgelegt, nur um einen Angehorigen seiner eigenen Spezies zu behandeln, wenn es davon zig Millionen auf der Erde und auf erdverwandten Planeten gibt.
Ihre terrestrischen Arzte und Schwestern wollen lieber an den fur sie interessanteren Alien-Fallen arbeiten. Auch Sie werden diesen Umstand schon sehr bald zu schatzen wissen, weil einem au?erplanetarischen Wesen mehr Sorgfalt und Aufmerksamkeit sowie ein gro?eres Ma? an personlichem und professionellem Interesse entgegengebracht wird. Wenn ein Arzt einen Patienten seiner eigenen Spezies behandelt, kann es zu gewissen medizinischen Abkurzungsverfahren oder Irrtumern kommen, zumal wichtige Krankheitssymptome durch die Ubervertrautheit mit der Physiologie des Patienten ubersehen werden konnen. Zwar treten solche Falle nur au?erst selten auf, aber wenn ein speziesfremder Arzt die Behandlung durchfuhrt, dann betrachtet er nichts an seinem Patienten als selbstverstandlich, und er ist aufgrund der physiologischen Unterschiede zu au?erster Sorgfalt verpflichtet, so da? das Risiko einer Fehldiagnose oder eines arztlichen Kunstfehlers sehr viel geringer ist. Glauben Sie mir, Sie werden in sehr guten Handen sein… na ja, oder auch in entsprechenden anderen Extremitaten.
Und vergessen Sie eins nicht, Patient Hewlitt«, fugte die Schwester hinzu, wahrend die Trage erneut einen Schwenk vollzog und auf eine breite Tur zusteuerte, »fur mich sind Sie ein ganz normaler Terrestrier, in meinen Augen also ein Alien, mit allem, was dazugehort. Wir sind ubrigens da.«
Wie Hewlitt sehen konnte, war Station sieben ein gro?er, hell beleuchteter Raum, etwa funfmal langer als breit, und zwischen den beiden sich gegenuberstehenden Bettreihen war noch viel freier Platz. Trotz der absurden Formen und Gro?en der Gestelle und der ebenso merkwurdigen Geratschaften, die uber einigen hingen, war er sich ziemlich sicher, da? es sich dabei um Betten handelte, denn am hinteren Ende des Raums stand eins, das auch fur einen Terrestrier geeignet schien. Direkt am Eingang befanden sich zu seiner Linken ein Personalraum und eine Vorrichtung zur Essenszubereitung mit transparenten Wanden, aber seine Trage schwebte viel zu schnell daran vorbei, als da? Hewlitt hatte sehen konnen, wer dort drinnen gerade arbeitete.
Da diese Kombination aus Personalraum und Kuche ziemlich viel Platz beanspruchte, konnten auf der linken Seite nur acht Betten stehen, wahrend sich auf der gegenuberliegenden Seite immerhin zwolf befanden. Um einige Betten herum waren Sichtblenden angebracht, und ob es sich bei dem leisen Krachzen und Bellen fremdartiger Stimmen, das bis zu ihm heruberdrang, um eine arztliche Konsultation, um ein freundschaftlich gefuhrtes Gesprach oder gar um das Wehklagen eines extraterrestrischen Patienten handelte, konnte Hewlitt ohne einen Translator beim besten Willen nicht sagen.
Doch bevor es ihm gelang, sich danach zu erkundigen, hielt die Trage an, und er wurde sanft in die Luft gehoben und auf einen Stuhl neben seinem zukunftigen Bett gesetzt, das sich ganz hinten rechts im Raum befand.
Die Schwester zeigte der Reihe nach auf die drei Turen in der hinteren Wand, die parallel zu seinem Bett