»Patient Hewlitt«, unterbrach ihn Medalont. »Soweit Sie es damals einschatzen konnten, standen also die Ubelkeit, der leichte Hautausschlag und all die anderen Symptome nicht im direkten Zusammenhang mit irgendwelchen Impfungen, richtig? Konnte es sein, da? diese Erscheinungen durch die Verabreichung anderer Medikamente ausgelost wurden? Vielleicht durch leichte Palliative gegen Kopfschmerzen oder ein Schmerzmittel, das Ihnen nach einer Sportverletzung verabreicht wurde, und woran Sie sich aufgrund der damaligen Aufregung nicht mehr erinnern konnen? Oder haben Sie etwas gegessen, das Sie nicht vertragen haben, wie zum Beispiel rohe oder unreife Fruchte oder Pflanzen?«»Nein«, widersprach Hewlitt. »Wenn mir damals jemand wahrend eines Spiels in die Knochen getreten oder ich mich sonstwie verletzt hatte, wurde ich mich noch heute daran erinnern. Und wenn ich etwas gegessen hatte, wovon mir schlecht geworden ware, wurde ich mich ebenfalls noch daran erinnern und hatte es mit Sicherheit nie wieder angefa?t. Ich bin doch nicht dumm, und das bin ich ubrigens auch schon damals nicht gewesen.«
»Das glaube ich Ihnen gern«, besanftigte ihn der Arzt. »Aber bitte erzahlen Sie weiter.«
Ungeduldig und leicht verargert fuhr Hewlitt mit seiner Krankheitsgeschichte fort, die er schon so oft in der Vergangenheit etlichen Medizinern erzahlt hatte, von denen die meisten nur halbherzig versucht hatten, beim Zuhoren ihre Ungeduld zu verbergen. Er beschrieb den plotzlichen Ausbruch einer Vielzahl von Symptomen, fur die es scheinbar keine Ursache gegeben hatte, und obwohl sie ihm lastig und manchmal auch peinlich gewesen waren, war er durch sie doch nie so stark beeintrachtigt worden, da? er
Man hatte ihn sogar zu einem Psychiater geschickt, der ihm uber einige Wochen aufmerksam und mit viel Mitgefuhl zugehort hatte, um dann seiner Gro?mutter mitzuteilen, da? Hewlitt ein vollig gesunder, hochintelligenter und sehr phantasievoller Junge sei, der mit Erreichen der Geschlechtsreife seine Probleme uberwinden wurde.»… spater wurde mir klar«, fuhr Hewlitt fort, »da? mich niemand von denen wirklich fur krank gehalten hat. Der Psychiater druckte das zwar nicht direkt so aus, aber unser Hausarzt tat das einzig Richtige, indem er gar nichts unternahm. Nach drei Jahren seiner ›Nichtbehandlung‹ traten die Krankheitssymptome namlich seltener und weniger heftig auf, so da? ich sie niemandem gegenuber mehr erwahnte, es sei denn, ich bekam einen Ausschlag oder etwas Ahnliches auf einem sichtbaren Korperteil. Als ich dann in die Pubertat kam, ging der Arger allerdings alle paar Wochen wieder von vorn los, und einige der Symptome waren ausgesprochen unangenehm. Dennoch blieb der Hausarzt bei seiner Methode und verabreichte mir keine Medikamente, und spater brach die Krankheit auch tatsachlich wieder seltener aus. Von meinem vierzehnten bis zum zwanzigsten Lebensjahr wurde ich nur insgesamt dreimal richtig krank, wenngleich die Symptome und einige der Dinge, die dazwischen geschahen, sehr bedruckend und auch sehr peinlich waren… «
»Jetzt verstehe ich auch, warum in Ihrer Krankenakte davon abgeraten wird, Medikamente zu verschreiben, ohne sich vorher mit Ihnen unterhalten zu haben«, meinte Medalont. »Ihr ehemaliger Hausarzt hat viel gesunden Verstand bewiesen, an dem es einigen von uns jungeren und ubertrieben leidenschaftlich handelnden Medizinern manchmal mangelt, indem er sich dafur entschied, bei solch einer Ungewissen und nicht lebensbedrohlichen Krankheit lieber nichts zu unternehmen. Aber jetzt, wo die Symptome mehr Anla? zur Besorgnis geben, sollten Sie uns vertrauen, denn wir werden nicht damit fortfahren, einfach weiterhin abzuwarten, sondern dafur sorgen, Sie zuheilen.«
»Das wei? ich«, pflichtete ihm Hewlitt bei. »Soll ich weitererzahlen?«
»Spater«, schlug der Arzt vor. »Die Hauptmahlzeit ist namlich gleich fallig, und Leethveeschi schimpft mit mir, wenn ich einen Patienten absichtlich hungern lasse. Lassen Sie uns bitte das weitere Vorgehen besprechen, Schwester.«
Die beiden Wesen streckten eine Zange beziehungsweise einen mit einem Fingerbuschel besetzten Tentakel aus und druckten damit kurz auf ihrejeweiligen Translatoren. Danach war das Gesprach zwischen dem Arzt und der Schwester fur Hewlitt nicht mehr zu verstehen. Zwar ri? er sich solange wie moglich zusammen, doch nach drei Minuten gewannen Wut und Enttauschung die Oberhand.
»He, was reden Sie da uber mich?« fuhr er dazwischen. »Sprechen Sie gefalligst so, da? ich Sie verstehen kann, verdammt noch mal! Sie sind genau wie alle anderen. Bestimmt denken Sie auch, da? ich mir das alles nur einbilde und bis auf eine lebhafte Phantasie nichts habe, stimmt's?«
Erneut druckten der Arzt und die Schwester auf die Translatoren, und Medalont antwortete: »Wenn Sie wollen, konnen Sie uns gern zuhoren, Patient Hewlitt. Mit Ausnahme unserer eigenen Verwirrung bezuglich Ihrer Krankheit haben wir nichts vor Ihnen zu verbergen. Ist es Ihnen denn wichtig zu wissen, was andere uber Sie denken?«
»Ich habe etwas gegen Leute, die mich fur einen Lugner halten oder die meinen, da? mir nichts fehlt«, klarte Hewlitt den Arzt mit etwas ruhigerer Stimme auf.
Medalont schwieg eine Weile, dann antwortete er: »Wahrend der nachsten Tage oder vielleicht auch Wochen werden sich eine Menge fremder Wesen mit Ihnen unterhalten und in der ihnen eigenen fremden Art und Weise uber Sie nachdenken, um eine Losung fur Ihr Problem zu finden. Aber eins werden sie mit Sicherheit nicht denken, namlich da? Sie ein Lugner sind. Wenn Ihnen nichts fehlen wurde, dann waren Sie nicht hier.
Es besteht wohl kaum ein Zweifel«, fuhr er fort und richtete die beiden gro?en, hervorstehenden Augen auf die Schwester, »da? bei dem Problem des Patienten eine psychologische Komponente eine gewisse Rolle spielt. Wenn wir mit der klinischen Arbeit beginnen, werden wir gleichzeitig eine Untersuchung durch die psychologische Abteilung durchfuhren lassen. In Anbetracht der Tatsache, da? die Symptome ein gewisses Ma? an Xenophobie aufweisen, wurde einer der Terrestrier, O'Mara oder Braithwaite, am geeignetsten dafur sein… «
»Bei allem Respekt, Doktor, aber O'Mara wurde ich fur diese Behandlung lieber nicht heranziehen«, wandte die Schwester ein.»Wahrscheinlich haben Sie recht«, pflichtete ihr Medalont bei. »O'Mara gehort zwar zur selben Spezies und ist ein fahiger Psychologe, aber er ist wahrhaftig nicht gerade das einfuhlsamste Wesen. Eine etwas weniger aggressive Personlichkeit ware sicher besser geeignet. Dann also Lieutenant Braithwaite.
Vorlaufig werden wir es dabei belassen, keine Medikamente einzusetzen, mit Ausnahme leichter Beruhigungsmittel, Ms es der Patient wunscht«, fuhr er fort. »Der Patient hat noch nie zuvor ein Zimmer mit Aliens geteilt und benotigt vielleicht ein Schlafmittel. Aber achten Sie unbedingt darauf, ob das Beruhigungsmittel womoglich die Krankheit erneut zum Ausbruch bringt. Die Symptome konnen namlich sehr plotzlich und unverhaltnisma?ig heftig auftreten. Deshalb mochte ich, da? er neben der visuellen Uberwachung auch ein eigenes Sensorenme?gerat bekommt, das er standig bei sich tragt, so da? die Daten rund um die Uhr auf dem Stationsmonitor kontrolliert werden konnen. Der Patient kann, wenn er mochte, jederzeit das Bett verlassen und auf der Station herumlaufen, um seine Neugier zu befriedigen oder um sich mit den anderen Patienten zu unterhalten – naturlich nur, solange seine Anwesenheit an einem anderen Bett medizinisch unbedenklich ist. Bezuglich der Ernahrung bedarf es keinerlei Einschrankung, aber vorlaufig sollte er seine Mahlzeiten lieber allein im oder am Bett
