Hewlitt, der immer noch lernen mu?te, den Gesichtsausdruck eines Tarlaners zu deuten, hatte keine Ahnung, was in diesem Augenblick im Padre vor sich ging. Erst nach einigen Minuten zog Lioren die Hand zuruck, und somit war Hewlitt an der Reihe.
Im Gegensatz zum Korper des toten Telfi, den er beruhrt hatte, fuhlte sich die undurchsichtige, pechschwarze Haut von Cherxic kalt an, und er spurte ein leichtes, warmes Kribbeln in der Handflache – ein ahnliches Gefuhl hatte er auch gehabt, als seine Handen mit Morredeths beschadigtem Fell in Kontakt gekommen waren. Aber dieses Mal stieg das Kribbeln den Arm hinauf, dann durch die Schulter und bis in den Kopf hinein. Fur einen Moment spielten seine Sinnesnerven verruckt: sanfte Empfindungen von Warme, Kalte, Druck, Freude und Schmerz durchdrangen seinen Korper, und gleichzeitig durchfluteten Farbenspiele, die jenseits seines bisherigen Vorstellungsvermogens lagen und die von vertrauten und absolut fremden Geruchen und Lauten begleitet wurden, seine Sinne.
Aus einem unerfindlichen Grund tauchte vor seinem geistigen Auge plotzlich das Bild seiner Katze auf; wie sie sich bei dem Versuch, in seinem Scho? in eine bequemere Form zu drucken, im Kreis drehte und sanft mit ihren Pfoten stampfte, bevor sie sich zum Schlafen einrollte. Jetzt druckte und bohrte etwas anderes in seinem Kopf und versuchte, sich sowohl sanft als auch beharrlich in eine bequeme Position zu bringen.
Und plotzlich war es so, als ob eine gewaltige Informationsflut uber sein Gehirn hereinbrache.Wahrend er immer noch wie ein aufgeregtes Kind, das einen neuen Spielplatz erkundet, seine soeben erworbenen Erkenntnisse erforschte, bahnte sich die Virenkreatur bereits den umgekehrten Weg durch Hewlitts Schulter, Arm und Handflache, um zu Cherxic zuruckzukehren. Ohne ein Wort zu sagen, verlie? der Telfi die Schleusenkammer, und die Innenluke fiel hinter ihm ins Schlo?.
Lioren und Hewlitt wu?ten, da? es nichts mehr gab, was man Cherxic hatte sagen oder fragen mussen.
Wahrend Hewlitt dem Padre folgte, der den G-Schlitten mit den telfischen Leichnamen durch den Bordtunnel hindurch in die Schleusenkammer des Krankenhauses lenkte, sagten beide keinen Ton. Die Luke schlo? sich hinter ihnen, und gleich darauf ertonte ein lautes, zweimaliges Lauten, das von einer optischen Warnung begleitet wurde, die anzeigte, da? sich das telfische Schiff von den Dockluken gelost hatte. Dann benutzte Lioren den Kommunikator.
»Braithwaite? Hier spricht Lioren. Ich mu? mit Major O'Mara reden. Es ist dringend.«
»Ja, hier O'Mara«, ertonte die Stimme des Chefpsychologen. »Was ist los, Padre?«
»Wir stellen die Suche ein«, antwortete Lioren. »Wir haben eben den letzten und einzig ubriggebliebenen Wirt der Virenkreatur aufgespurt. Sie befindet sich gegenwartig in einem Teilwesen einer telfischen Gesamtgestalt, deren Schiff in diesem Augenblick ablegen will. Das Raumschiff mu? ohne Verzogerung eine Starterlaubnis erhalten. Sie konnen auch die Evakuierungsubungen abbrechen und somit die bereitstehenden Schiffe zuruckziehen. Das Problem mit dem Energieerzeugungssystem und die…«
»Ich sehe da uberhaupt keinen Zusammenhang«, fiel ihm O'Mara scharf ins Wort. »Oder wollen Sie mir etwa erzahlen, da? es da einen gibt?«
»Ganz genau«, bekraftigte Lioren. »Wenn zwei ungewohnliche Ereignisse zur selben Zeit geschehen, dann besteht sogar eine sehr gro?e Wahrscheinlichkeit, da? sie eine gemeinsame Ursache haben. Leider hatteich dieses ungeschriebene Naturgesetz langst vergessen. Ach, und au?erdem ist es Hewlitt gewesen und nicht ich, der diese Verbindung als erster erkannt hat. Es besteht fur niemanden mehr irgendeine Gefahr, weder die einer Nuklearexplosion noch die einer speziesubergreifenden Ansteckung. Wir werden Ihnen vollstandig Bericht erstatten, sobald wir in Ihrer Abteilung eintreffen.«
»Sie bleiben dort, wo Sie jetzt sind!« befahl O'Mara. »Moment… « Hewlitt schien Lioren eine Ewigkeit anzustarren, der mit allen Augen auf
die beiden toten Telfis blickte, bevor die Stimme des Chefpsychologen
erneut ertonte.
»Sie haben recht, Padre«, verkundete O'Mara. »Die technische Abteilung hat gerade bestatigt, da? die Instabilitat der Kernkraft- und sonstigen Energieversorgungsanlagen behoben ist, wieso oder weshalb wissen sie zwar nicht, doch der Ausnahmezustand ist bereits aufgehoben. Das alles soll innerhalb der letzten funfzehn Minuten passiert sein. Trotzdem war dieses Problem nur das geringere von den beiden Ubeln. Die Geschichte mit der sich frei im Krankenhaus bewegenden Virenkreatur mu? noch immer geklart werden, und Sie beide sind, bei allem Respekt, so tief und personlich in diese Angelegenheit verstrickt, da? es sich bei Ihrer Zusicherung, es bestehe keine Gefahr mehr… nun ja, wohl eher um ein Produkt Ihres Wunschdenkens als um eine medizinische Tatsache handelt. Ist sich Hewlitt der ganzen Situation uberhaupt bewu?t?«
Als feststand, da? Lioren nicht vorhatte, darauf zu antworten, sagte Hewlitt: »Ja, ich denke, schon.«
»Dann gibt es keinen Zweifel mehr, da? Sie beide nicht mehr ganz bei Sinnen sind und in ernsten Schwierigkeiten stecken«, meinte O'Mara. »Mir personlich tut das, wie auch allen anderen hier, wirklich sehr leid. Ihre Probleme, Hewlitt, fingen damit an, da? Sie bereits als Kind auf Etla von der Virenkreatur infiziert wurden, die dann auf die ehemalige Patientin Morredeth und Padre Lioren ubertragen wurde, und nun also, was ich absolut unglaublich finde, auf einen Telfi, dessen Physiologie und Umgebung fur eine mikrobiologische Lebensform weniger geeignet ist als der hei?esteDampfkochtopf unserer terrestrischen Vorfahren. Wir gehen jedenfalls davon aus, da? es noch weitere Wirtskorper gibt, von deren Existenz wir nur noch nichts wissen. Als sich beim Energieversorgungssystem trotz all der umfangreichen Sicherheitsvorkehrungen und automatischen Reparatureinrichtungen erste Anzeichen zunehmender Instabilitat bemerkbar machten, haben wir deshalb lieber erst einmal Notfallubungen durchfuhren lassen, als sofort alle Patienten und Mitarbeiter auf die zum Zweck der Evakuierung zusammengezogenen Schiffe zu verfrachten. Wir konnen es uns namlich nicht leisten, das Risiko einzugehen, einen speziesubergreifenden Krankheitserreger mit unbekanntem Potential unkontrolliert in der Foderation umherreisen zu lassen.
Padre, ich mochte Sie wirklich nicht kranken, indem ich die Worte eines Tragers des Blauen Mantels von Tarla anzweifle«, fuhr der Chefpsychologe fort, »doch der Uberlebenswille, der in Ihnen beiden wie in jedem anderen Burger der galaktischen Foderation steckt, ist ein evolutionares Gebot, das auch durch ethische Uberlegungen nicht ersetzt werden darf. Deshalb sind die Behorden auf Kelgia angewiesen worden, Patientin Morredeth bei ihrer Ankunft unter orbitale Quarantane zu stellen. Ahnliche Anweisungen betreffend des Schiffs, das gerade abgeflogen ist, werden bereits an den Planeten Telfi ubermittelt und bezuglich der Katze auch an den Planeten Etla. Sie beide werden fur intensive Studien, die von der Pathologie durchgefuhrt werden, ab sofort unter Quarantane gestellt. Au?erdem wird gerade die Entscheidung getroffen, die Evakuierungsschiffe zuruckzuziehen und sie durch ein Geschwader des Monitorkorps zu ersetzen, das dafur sorgen soll, samtliche Au?enkontakte des Orbit Hospitals vorlaufig zu unterbinden. Das konnte zwar uberall in der Foderation zu einer ernsthaften Destabilisierung fuhren, aber es sieht ganz so aus, als hatten wir keine andere Wahl. Verstehen Sie unsere Haltung zu diesem Problem?«
»Das hort sich ja ganz so an, als ware es Ihnen lieber gewesen, wenn das Krankenhaus explodiert ware, um allen Beteiligten eine Menge Arger zu ersparen«, erwiderte Hewlitt mit einem leichten Zittern in der Stimme, das teilweise von seiner Angst herruhrte, das aber auch eine Reaktion auf diesicherlich gut gemeinte, jedoch vollig