Uberlebende seiner gra?lichen Bluttat gesto?en waren, ware ihr Leben in Gefahr. Am besten entfernten sie sich moglichst schnell und moglichst weit von diesem Ort.
Er bewunderte Colgus Schwester dafur, da? sie anscheinend keine Angst vor der Pest hatte. Er hatte sich nicht freiwillig zu diesen Kindern gesellt, hatte er nicht gefurchtet, sich vor Fidelma blo?zustellen. So unterdruckte er seine Bedenken und tat, was sie ihm sagte.
Fidelma plauderte frohlich, um die verschreckten Kinder aufzuheitern. Sie griff moglichst entlegene Themen auf und fragte Schwester Eisten, woher sie denn das so eigenartig aussehende Kruzifix habe, das sie trug. Schwester Eisten erzahlte, da? sie eine Pilgerfahrt unternommen habe, die drei Jahre dauerte. Eisten war alter, als sie aussah, bereits zweiundzwanzig. Sie war mit einer Gruppe Nonnen ins Heilige Land gereist, hatte Bethlehem besucht und war zur Geburtsstatte des Heilands gepilgert. Dort hatte sie das kunstvolle Kruzifix gekauft. Fidelma ermunterte sie, von ihren Abenteuern zu erzahlen, damit die Kinder abgelenkt und beschaftigt waren.
Im Innern war Fidelma alles andere als glucklich. Sie war niedergedruckt, nicht weil sie mit moglicherweise Pestinfizierten in Kontakt gekommen war, sondern von den Bedingungen der Reise, die noch schlimmer waren als am Morgen, als sie nur uber das Wetter, die Kalte und die Nasse gestohnt hatte. Wenigstens hatte sie da mit trockenen Fu?en auf dem Pferd gesessen. Jetzt stolperte sie durch Schlamm und Morast und hatte Muhe, mit dem Baby im Arm das Gleichgewicht zu halten. Der Saugling wimmerte bestandig und wand sich hin und her, was es noch schwieriger machte. Fidelma wollte die anderen nicht beunruhigen, aber selbst im Dammerlicht erkannte sie die verraterische gelbliche Verfarbung der Haut des Kindes und das Fieber in seinem Gesicht.
»Wie weit ist es noch bis Ros Ailithir?« Diese Frage gestattete sie sich, nachdem sie zwei Stunden gelaufen waren.
»Sieben Meilen von hier, aber der Weg wird nicht besser«, antwortete Schwester Eisten.
Fidelma bi? die Zahne zusammen. Das Abenddunkel ruckte rasch von Osten heran und vereinigte sich mit den dusteren, niedrigen Wolken, und unversehens hullte dichter Nachtnebel den Weg ein.
Widerwillig legte Fidelma einen Halt ein.
»Wir schaffen es heute nicht mehr bis zur Abtei«, erklarte sie Cass. »Wir mussen einen Ort finden, an dem wir bis zum Morgen bleiben konnen.«
Wie um die Gefahren einer Nachtwanderung zu betonen, begann ein Wolfsrudel hinter den Bergen zu heulen. Eins der kleinen Madchen fing zu weinen an, und sein klagliches, schmerzliches Wimmern schnitt Fidelma ins Herz. Die rothaarigen Schwestern hie?en Cera und Ciar, wie sie inzwischen wu?te. Der blonde Knabe wurde Tressach genannt, und die beiden anderen Jungen waren, wie sie vermutet hatte, Bruder: Cetach und Cosrach. Soviel hatte sie ihnen auf ihrer kurzen Reise durch den kalten Wald entlockt.
»Als erstes brauchen wir eine Fackel«, meinte Cass. »Dann suchen wir uns einen Unterschlupf.«
Er gab die Zugel seines Pferdes Cetach, dem alteren Jungen, und ging in den Wald. Fidelma horte das Knacken von Zweigen und leise Fluche, wahrend Cass trockenes Holz fur eine Fackel suchte.
»Wei?t du, ob es hier trockene Stellen gibt, an denen wir Schutz finden konnen?« fragte Fidelma Schwester Eisten.
Die junge Nonne schuttelte den Kopf.
»Hier gibt es nur Wald.«
Cass war es gelungen, ein Bundel Zweige anzuzunden, aber sie brannten nicht lange.
»Am besten, wir machen uns ein Feuer«, murmelte er, als er wieder zu Fidelma trat. »Die Baume bieten ein wenig Schutz. Aber fur die Kinder wird es eine kalte Nacht.«
Fidelma seufzte und nickte. Es blieb ihnen nichts anderes ubrig. Man sah schon kaum noch ein paar Schritte weit. Vielleicht hatte sie darauf bestehen sollen, uber Nacht im Dorf zu bleiben. Dort hatten sie es inmitten der glimmenden Ruinen wenigstens warm gehabt. Doch es hatte keinen Sinn, sich jetzt Vorwurfe zu machen.
»Gehen wir also in den Wald und versuchen, einen trockenen Platz zu finden. Dann schlafen wir, so gut wir nur konnen.«
»Die Kinder haben seit dem Morgen nichts gegessen«, erinnerte sie Schwester Eisten.
Fidelma stohnte innerlich.
»Wir konnen nichts machen, ehe es nicht wieder hell wird, Schwester. Konzentrieren wir uns darauf, so warm und trocken zu bleiben, wie es geht. Essen kommt erst spater an die Reihe.«
Es waren Cass’ scharfe Augen, die eine kleine Lichtung zwischen hohen Baumen entdeckten, auf der ein gro?er Busch so etwas wie ein Zelt uber einer ziemlich trockenen Stelle mit Zweigen und Blattern bildete.
»Wie geschaffen fur uns«, frohlockte er. Fidelma konnte beinahe sehen, wie er in der Dunkelheit lachelte.
»Ich binde die Pferde an und mache ein Feuer. Ich habe meinen
Binnen einer halben Stunde hatte Cass ein ordentliches Feuer im Gange und seinen
Das Geheul der Wolfe erhob sich immer wieder uber die seltsamen nachtlichen Gerausche des Waldes.
Cass hockte vor dem Feuer und warf Holzstucke in die hungrigen Flammen, die vor Nasse zischten und spuckten, aber wenigstens brannten und ein wenig Warme abgaben.
»Wir ziehen weiter, sobald es hell wird«, erklarte Fidelma. »Wenn wir einigerma?en gut vorankommen, sollten wir die Abtei am Vormittag erreichen.«
»Einer von uns mu? Wache halten«, bemerkte Cass. »Wenn schon nicht wegen Intat und seinen Leuten, dann, um sich um das Feuer zu kummern. Ich ubernehme die erste Wache.«
»Dann ubernehme ich die zweite«, antwortete Fidelma und zog ihren Mantel enger um sich in dem vergeblichen Versuch, dem Kleidungsstuck mehr Warme zu entlocken.
Es wurde eine lange, kalte Nacht, doch abgesehen vom Heulen ferner Wolfe und den Rufen anderer Nachttiere storte nichts den unruhigen Frieden der kleinen Gruppe.
Als sie alle in der grauen, muden Morgendammerung erwachten und die eisige Kalte des neuen Tages spurten, stellte Schwester Eisten fest, da? das Baby in der Nacht gestorben war. Niemand sprach von der gelblichen Verfarbung der wachsbleichen Haut des Sauglings.
Cass grub ein flaches Grab mit seinem Schwert, und unter dem verwirrten Schluchzen der kleineren Kinder sprachen Schwester Fidelma und Schwester Eisten ein leises Gebet und begruben den winzigen Leichnam. Schwester Eisten hatte sich nicht an den Namen des Kleinen erinnern konnen.
Inzwischen hatten sich die Wolken verzogen, und die blutleere Herbstsonne stand niedrig an dem bla?blauen Himmel - hell, doch ohne Warme. Cass hatte recht behalten, das Wetter war umgeschlagen.
Kapitel 4
Die mittagliche Angelusglocke lautete bereits, als Fidelma und ihre Begleiter die Abtei von Ros Ailithir erblickten. Sie waren langer unterwegs gewesen, als sie gedacht hatte, denn der Tag war zwar warm und hell, doch die Wege waren noch feucht und morastig und schwer zu begehen.
Die Abtei war gro?er, als Fidelma es sich vorgestellt hatte, sie nahm mit ihren machtigen grauen Steingebauden einen ganzen Berghang oberhalb eines engen Meeresarms ein. Letzterer war so lang und schmal, da? man ihn kaum eine Bucht nennen konnte. Sie bemerkte fluchtig, da? mehrere Schiffe darin vor Anker lagen, dann wandte sie ihren Blick wieder den grauen Hausern zu. Es waren mehrere gro?e Gebaude hinter einer hohen dunklen Granitmauer, die sich in einem Oval um sie herum zog. In ihrer Mitte erkannte man die imposante Abteikirche, ein bemerkenswertes und ungewohnliches Bauwerk. Die meisten Kirchen in den funf Konigreichen waren rund gebaut, diese jedoch war in Form eines Kreuzes errichtet, mit einem langen Hauptschiff und Querschiffen im rechten Winkel dazu. Fidelma wu?te, da? sich dieser Stil bei den neuen Kirchenbauherren wachsender Beliebtheit erfreute. Daneben stand ein hohes