weiterreichte. Mit dem Fall von Granada (1492) endete die
Im Geist des unduldsamen Katholizismus wurden 1492 die meisten Juden und bis Anfang des 17. Jahrhunderts die fast 300 000 im Land verbliebenen Mauren aus Spanien vertrieben. Das Konigreich amputierte sich durch diesen Aderlass selbst.
17. Ein Landweg fur Schiffe
Um das Jahr 1000 war in Kleinasien ein neues Volk aufgetaucht -die Turken. Sie kamen aus Zentralasien und waren Muslime geworden. Sie drangen vor bis uber den Bosporus. Der osmanische Sultan Mehmed der Eroberer erhielt seinen Beinamen zu Recht. Er kannte sich in den wichtigsten Wissenschaften aus und konnte sich in sechs Sprachen unterhalten. Vor allem aber konnte er rechnen. Er ging davon aus, mindestens 70 000 eigene Soldaten fur den Angriff aufbieten zu konnen. Die Verteidiger, so kalkulierte er, wurden selbst mit Unterstutzung durch die Seemachte Genua und Venedig und weitere Hilfstruppen kaum 10 000 Mann in die Schlacht schicken konnen.
Das beruhigte ihn keinesfalls. Der Sultan konnte auch denken. Byzanz war keine Stadt, sondern eine Festung mit allem, was dazugehorte. Eine der sichersten und wehrhaftesten in der ganzen bekannten Welt. Tausend Jahre lang hatte sie alle Attacken abgewehrt. Das wog einen Teil der numerischen Ubermacht wieder auf.
Deshalb hatte Sultan Mehmed vorgesorgt. Fruhzeitig hatte er sich der Fachberatung eines kooperationswilligen Christen, Urban mit Namen, versichert. Der Spezialist fur schwere Waffen war zuvor beim byzantinischen Kaiser abgeblitzt, weil Konstantin XI.mit dem von Urban geforderten Honorar nicht einverstanden war. In Mehmed traf er nun auf einen Herrscher, der nicht nur alle Salarwunsche erfullte, sondern endlich auch den schweren Geschutzen, die er im Angebot hatte, die notige Beachtung schenkte. Vor dem Kampf um Konstantinopel waren Kanonen eher zur akustischen Abschreckung des Feindes eingesetzt worden, Sultan Mehmed aber lie? sich von ihrer Funktion als Kriegswaffen uberzeugen, die sich in der offenen Feldschlacht, aber erst recht bei der Belagerung von Festungen einsetzen lie?en.
Also ging Urban ans Werk, um seinen Arbeitgeber mit einer starken Artillerie zu versorgen. Der Sultan, der ein Technik-Freak war, schaltete sich personlich in die Kaliberdefinitionen und die Ballistikberechnungen ein. In einem Dreivierteljahr entstanden ab Mitte 1452 in Urbans Werkstatt 69 Kanonen mit unterschiedlicher Feuerkraft, darunter riesige, nie zuvor gesehene Geschutze. Das gro?te von ihnen, das sogenannte Konstantinopel-Geschutz, hatte eine Rohrlange von uber acht Metern und einen Durchmesser von 75 Zentimetern. Der Sultan hatte Gluck, dass sein Feuerwerker erst nach der Fertigstellung des Waffenparks starb (an einem Rohrkrepierer). Er war von Urbans Arbeit begeistert. Beruhigt, was die kommende Schlacht anging, war er noch immer nicht.
Das schafften auch die serbischen Mineure nicht, die Mehmed angeworben hatte, um durch Tunnelgrabungen und unterirdische Explosionen die Festungsmauern zum Einsturz zu bringen oder wenigstens zu beschadigen. Der Sultan war sich daruber im Klaren, dass dies auf der Gegenseite auch geschehen und der Kampf dann unter Tage fortgesetzt wurde. Auch die osmanische Kriegsflotte, die mittlerweile weit uber hundert Schiffe aufbieten konnte, schaffte es nicht, ihn in Sicherheit zu wiegen. Er kannte die Kampfstarke der feindlichen Boote, und vor allem kannte er die massive Sperre, die die Byzantiner errichtet hatten, um die turkische Flotte am Einlaufen in das Goldene Horn zu hindern.
Deshalb hatte er sich etwas ganz Besonderes ausgedacht. Sultan Mehmed neigte allerdings nicht dazu, seine Plane fruhzeitig an seine Kriegsherren weiterzugeben. Vor allem nicht, wenn sie so verwegen waren wie jetzt. So waren zunachst die eigenen Truppen verwirrt, bevor auch die Belagerten fassungslos mit ansehen mussten, was sich auf dem Bergrucken des Goldenen Horns abspielte: Die turkischen Schiffe segelten auf dem Landweg in Richtung Festung.
Der osmanische Chefbelagerer hatte die Quadratur des Kreises geschafft, indem er eine Schiffstransportstra?e anlegte, um die gesperrte Hafeneinfahrt zu umgehen. Bergaufwarts wurde eine Fahrrinne gegraben und mit Balken ausgelegt. Dann wurde das Holz mit einer dicken Fettschicht uberzogen. Mit im Wind flatternden Segeln und der Unterstutzung durch sechzig Ochsen sowie zahlreiche Seeleute der Kriegsflotte, die die Seile zogen, glitten die Schiffe wie Schlitten den Berg hinauf und auf der anderen Seite wieder hinunter.
Das Unternehmen lief wie geschmiert und versetzte den Byzantinern einen Schock. Ihre Boote konnten nun die Hafen im Goldenen Horn nicht mehr verlassen. Au?erdem mussten sie Truppen heranfuhren, um die Frontmauern der nun fast vollig umzingelten Stadt auch nach dieser Seite hin zu sichern - Truppen, die an anderer Stelle Lucken rissen.
Die christliche Festung Konstantinopel konnte sich noch weitere funf Wochen, bis zum 29. Mai 1453, halten. Aber das waghalsige Unternehmen der Turken, eines der merkwurdigsten maritimen Manover der Kriegsgeschichte, war so etwas wie der Anfang vom Ende.
Mindestens ebenso merkwurdig mutet etwas anderes an: Wie hatte sich nach dem Untergang des Westromischen Reiches der ostromische Teil mit seiner Hauptstadt Konstantinopel - zumindest staatsrechtlich - noch ein ganzes Jahrtausend halten konnen? Kurzer Ruckblick auf ein erstaunlich langlebiges Provisorium.
Naturlich konnten Sie auch »Byzanz« sagen. Dieser Name ist, wie Sie gemerkt haben, gleichbedeutend mit der Bezeichnung »Konstantinopel« und wurde in der Neuzeit ruckblickend auf das ganze Ostromische Reich ausgedehnt. Byzanz war in seinen Anfangen im sechsten Jahrhundert gepragt von romischem Staatswesen, christlicher Religion und hellenistischer, das hei?t griechisch inspirierter Kultur. Seine Einwohner fuhlten und bezeichneten sich selbst als Romer und erlebten unter Justinian I. (527- 565) einen markanten Aufschwung ihres Reiches. Seine Feldherren Belisar und Narses konnten Teile Nordafrikas von den Vandalen, einige Gebiete Italiens von den Ostgoten und den Sudosten Hispaniens von den Westgoten zuruckerobern. Damit war Justinian ein machtiger Kaiser mit einem Reich, das fast die Ausdehnung des alten romischen Imperiums erreicht hatte (mit Ausnahme Britanniens, Galliens und Nordspaniens).
In seiner Regentschaft wurde auch ein einmaliges Zeugnis byzantinischer Kunst errichtet: die
Doch von einer langfristigen Stabilitat des Reiches konnte keine Rede sein. Schon wahrend der Regierungszeit Justinians war es nur unter gro?ter Kraftanstrengung moglich gewesen, die Grenzen im Osten gegen die sassanidischen Perser zu halten, und die eroberten Gebiete im Westen fielen nach dem Tod des Kaisers zuruck an die germanischen Stamme.
Justinians Nachfolger traten ein schweres Erbe an: Sie hatten es mit leeren Staatskassen, religiosen Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen christlichen Gruppierungen und mit nun an allen Grenzen auftauchenden Gegnern zu tun. Insbesondere die Kriege gegen die Anfang des siebten Jahrhunderts heftig ansturmenden Perser brachten das Reich an den Rand des Zusammenbruchs. Kaiser Heraklios konnte nur unter Aufbietung der letzten Krafte Ende 627 in der Schlacht bei Ninive (im heutigen Irak) die Entscheidung fur Ostrom herbeifuhren.
Beide Imperien gingen geschwacht aus den Kampfen hervor. Und es durfte Heraklios wenig getrostet haben, dass die einstige Gro?macht Persien schon bald danach, zermurbt von vernichtenden Uberfallen durch die Sarazenen, im Chaos versank. Das Perserreich spielte weltgeschichtlich in dieser Form nie wieder eine Rolle.
Byzanz konnte sich immerhin erfolgreich gegen eine vollstandige islamische Eroberung verteidigen. Den Arabern war es bis zum Ende des siebten Jahrhunderts gelungen, Agypten, Syrien, Palastina und ganz Nordafrika zu annektieren. Byzanz konnte sich zwar gegen ihre zahlreichen Attacken verteidigen und dem Untergang entgehen, aber der Preis fur das Uberleben war hoch: Es verlor zwei Drittel seines Territoriums, damit auch einen Gro?teil seiner Steuereinkunfte, und war nun auf die Stadt selbst, Kleinasien, die Agais und einige Kustengebiete in Griechenland beschrankt.
Auch das ausgehende achte Jahrhundert war gepragt von intensiven Abwehrkampfen in alle Himmelsrichtungen. Zweimal wurde die Hauptstadt erneut von den Arabern belagert, zweimal (678 und 717/18)