THE AVAILABILITY BIAS
Warum Sie lieber einen falschen Stadtplan als gar keinen verwenden
»Er hat sein Leben lang jeden Tag drei Schachteln Zigaretten geraucht und wurde uber 100 Jahre alt. So schadlich kann Rauchen also nicht sein.« Oder: »Hamburg ist sicher. Ich kenne jemanden, der lebt mitten in Blankenese. Der schlie?t seine Tur nie ab, nicht einmal, wenn er in den Urlaub fahrt, und noch nie wurde bei ihm eingebrochen.« Solche Satze wollen irgendetwas beweisen – doch sie beweisen uberhaupt nichts. Leute, die so reden, sind dem
Gibt es mehr deutsche Worter, die mit einem R anfangen oder mit einem R aufhoren? Antwort: Es gibt mehr als doppelt so viele deutsche Worter, die mit einem R enden, als solche, die mit einem R anfangen. Warum liegen die meisten, denen diese Frage gestellt wird, falsch? Weil uns Worter, die mit R beginnen, schneller einfallen. Anders ausgedruckt: Sie sind verfugbarer.
Der
Dank dem
Arzte fallen dem
Wird etwas oft wiederholt, machen wir es unserem Hirn sehr leicht, es wieder abzurufen. Dabei muss es nicht einmal wahr sein. Wie oft hat die Nazi-Fuhrung das Wort »Judenfrage« wiederholt, bis die Massen uberzeugt waren, dass ein ernsthaftes Problem vorliegt? Man muss die Worter UFO, Lebensenergie oder Karma nur oft genug wiederholen – plotzlich glaubt man daran.
In Aufsichtsratssesseln steckt der Wurm des
Wie hat schon Frank Sinatra gesungen: »Oh, my heart is beating wildly/And it’s all because you’re here./When I’m not near the girl I love,/ I love the girl I’m near.« Perfekter
DIE ES-WIRD-SCHLIMMER-BEVOR-ES-BESSER-KOMMT-FALLE
Spricht jemand von einem »schmerzvollen Weg«, sollten Ihre Alarmglocken lauten
Vor einigen Jahren war ich auf Korsika im Urlaub und wurde krank. Die Symptome waren mir neu. Die Schmerzen wuchsen mit jedem Tag. Schlie?lich beschloss ich, mich untersuchen zu lassen. Der junge Arzt begann mich abzuhoren und abzutasten, druckte an meinem Bauch herum, dann an den Schultern, an den Knien. Er tastete Wirbel um Wirbel ab. Langsam vermutete ich, dass er keine Ahnung hatte. Doch ich war unsicher und lie? die Tortur uber mich ergehen. Als Zeichen, dass die Untersuchung nun zu Ende sei, zuckte er den Notizblock und sagte: »Antibiotika. Nehmen Sie dreimal taglich eine Tablette. Bevor es besser wird, wird es schlechter.« Froh, dass ich nun einen Befund hatte, schleppte ich mich ins Hotelzimmer zuruck.
Die Schmerzen wurden tatsachlich schlimmer – wie vorausgesagt. Dieser Arzt wusste also, wovon er sprach. Als die Pein nach drei Tagen nicht nachlie?, rief ich an. »Erhohen Sie die Dosis auf funfmal pro Tag. Es wird noch eine Weile schmerzen«, sagte er. Ich tat wie verlangt. Nach weiteren zwei Tagen rief ich den Flugrettungsdienst an. Der Arzt in der Schweiz konstatierte Blinddarm und operierte mich sofort. »Warum zum Teufel haben Sie so lange gewartet?«, fragte er mich nach der Operation. »Der Krankheitsverlauf entsprach genau der Vorhersage, also vertraute ich dem jungen Arzt.« »Sie sind der
Nehmen wir einen andern Fall, einen CEO, der weder ein noch aus wusste. Die Umsatze im Keller. Die Verkaufer unmotiviert. Marketingaktivitaten, die ins Leere liefen. In seiner Verzweiflung heuerte er einen Berater an. Fur 5.000 Euro pro Tag analysierte dieser die Firma und kam mit diesem Befund zuruck: »Ihre Verkaufsabteilung ist visionslos, und Ihre Marke nicht klar positioniert. Die Situation ist verzwickt. Ich kann das fur Sie zurechtrucken. Aber nicht uber Nacht. Das Problem ist komplex und die Ma?nahmen verlangen Fingerspitzengefuhl. Bevor es besser wird, werden die Umsatze nochmals zuruckgehen.« Der CEO heuerte den Berater an. Ein Jahr spater gingen die Umsatze tatsachlich zuruck. Auch im zweiten Jahr. Immer wieder unterstrich der Consultant, dass der Firmenverlauf genau seiner Vorhersage entsprach. Als nach dem dritten Jahr die Umsatze weiter krankelten, feuerte der CEO den Berater endlich.
Die
Angenommen, Sie werden Prasident eines Landes und haben nicht die geringste Ahnung, wie das Land zu fuhren sei. Was tun Sie? Prognostizieren Sie »schwierige Jahre«, fordern Sie Ihre Landsleute auf, den »Gurtel enger zu schnallen«, und versprechen Sie eine Verbesserung der Situation erst nach dieser »heiklen Phase« der »Reinigung«, »Entschlackung«, »Restrukturierung«. Lassen Sie es dabei bewusst offen, wie lange und wie tief das Tal der Tranen sein wird.
Der beste Beleg fur den Erfolg dieser Strategie liefert das Christentum: Bevor das Paradies auf Erden kommt, hei?t es, muss die Welt zugrunde gehen. Die Katastrophe, die Sintflut, das Weltfeuer, der Tod – sie sind Teil eines gro?eren Plans und mussen sein. Der Glaubige wird jede Verschlechterung der Situation als Bestatigung der Prophezeiung und jede Verbesserung als Geschenk Gottes erkennen.
Fazit: Sagt jemand: »Es wird schlimmer, bevor es besser wird«, sollten bei Ihnen die Alarmglocken lauten. Aber Vorsicht: Es gibt tatsachlich Situationen, bei denen es erst nochmals runter- und erst dann wieder raufgeht. Ein Karrierewechsel kostet unter Umstanden Zeit und ist mit Lohnausfall verbunden. Die Reorganisation eines Firmenbereiches braucht eine gewisse Zeit. Doch in all diesen Fallen sieht man relativ schnell, ob die Ma?nahmen greifen. Die Meilensteine sind klar und uberprufbar. Schauen Sie darauf, und nicht in den Himmel.