ihm mit auf den Weg gegeben hatte.

«Naturlich! Das hast du wirklich schlau angefangen. Es ist geradezu ein Meisterstuck.«

«Wirklich? So nimm's treulich in dein Gedachtnis auf, pagena hundertsechsunddrei?ig, und schlag dieses Blatt immer dann off, wenn dir die Alimentation kommt, an meiner Uberlegenheet zu zweifeln! Da kommt der» schpringende Hirsch«, aber nich geschprungen, sondern geschlichen. Er scheint een boses Gewissen zu haben und druckt sich off die Seite, als ob er Prugel bekommen sollte. Seht nur sein Gesicht! Und mit diesem Confusius habe ich mich messen sollen! Ja, ja, die Beene thun's nich, selbst beim Wettloofen nich, sondern merschtenteels der Kopp!«

Der Hirsch schien sich verschwinden lassen zu wollen; aber der Hauptling rief ihn zu sich und fuhr ihn an:»Wer hat gesiegt?«

«Das Bleichgesicht, «lautete die furchtsame Antwort.

«Warum bist du nach der Fichte gelaufen?«

«Das Bleichgesicht log mich an. Es sagte, bei der Fichte sei das Ziel.«

«Und du glaubtest es? Ich hatte dir das Ziel genannt!«

Old Shatterhand ubersetzte dem Hobble-Frank, da? er ein Lugner genannt worden sei. Darum verteidigte sich der verschmitzte Kleine, indem er sich an den Hauptling wendete:»Ich soll gelogen haben? Ich soll dem Hirsch gesagt haben, die Fichte sei sein Ziel? Das ist nicht wahr. Ich sah ihn an der Buche stehen; er betrachtete mich erstaunt und schien vor Angst und Sorge, was ich im Schilde fuhre, vergehen zu wollen. Da fuhlte ich Mitleid mit dem Armen und rief ihm zu» Intsch ovomb!«Ich sagte ihm also, da? ich nach der Fichte wolle. Warum er dann an meiner Stelle hingelaufen ist, das vermag ich nicht zu entratseln; vielleicht wei? er es selber nicht. Ich habe gesprochen. Howgh!«

Old Shatterhand mu?te innerlich lachen, da? der kleine ironische Tausendsasa sich der indianischen Ausdrucksweise bediente. Den Hauptling aber brachte das in noch gro?eren Zorn, er rief:»Ja, du hast gesprochen und bist fertig; aber ich bin noch nicht fertig und werde mit dir sprechen, wenn nachher die Zeit gekommen ist. Wort halten aber mu? ich. Das Leben, der Skalp und das Eigentum des» springenden Hirsches «gehoren dir.«

«Nein, nein!«wehrte der Kleine ab.»Ich mag nichts haben. Behaltet ihn hier bei euch; ihr konnt ihn wohl gebrauchen, besonders wenn es einen Wettlauf mit einem Bleichgesichte um das Leben gilt.«

Unter den Roten ging ein leises, zorniges Murmeln um, und der Hauptling knirschte ihm zu:»Jetzt magst du noch giftige Reden speien; spater wirst du um Gnade wimmern, da? es bis zum Himmel schallt. Jedes einzelne Glied deines Korpers soll besonders sterben, und deine Seele soll stuckweise aus dir fahren, da? dein Sterben viele Monde wahrt.«

«Was konnt ihr mir thun? Ich habe gesiegt und bin also frei.«

«Noch ist einer da, der noch nicht gesiegt hat, Old Shatterhand. Warte einige Augenblicke, so wird er vor mir im Staube liegen und um sein Leben flehen. Ich werde es ihm gegen das deinige schenken, und dann bist du mein Eigentum.«

«Irre dich nicht!«warnte Old Shatterhand ernst.»Noch liege ich nicht vor dir. Und wenn dir gelange, was noch keinem gelungen ist, namlich mich zu besiegen, so wurde ich nicht mein Leben um dasjenige eines andern eintauschen.«

«Warte bis nachher! Jetzt bist du unverletzt; aber unter den Qualen, welche deiner warten, wird dein Stolz sich beugen und dein Sinn sich andern, so da? du mir tausend Leben fur das deinige bieten wurdest, wenn du sie hattest! Kommt alle mit mir; es geht zum letzten, gro?ten und entscheidendsten Kampfe!«

Die Roten folgten dem Hauptling in wirrem Haufen; die Wei?en schritten langsam hinterdrein.

«Habe ich etwa zu viel gesagt?«fragte der Hobble-Frank besorgt.

«Nein, «antwortete Old Shatterhand.»Es ist ganz gut, da? ihr Kriegerstolz sich einmal selbst vor so einem kleinen Kerl beugen mu?. Freilich, wenn der Hauptling mich totete, so waret auch ihr verloren, denn man wurde sofort uber euch herfallen. Aber es ist ihnen auch in dem hochst wahrscheinlichen Falle, da? ich Sieger werde, nicht zu trauen. Ich bin, ohne ganz bestimmte Grunde dazu zu haben, der Uberzeugung, da? die Roten uns auf keinen Fall friedlich ziehen lassen werden. Sie entschlossen sich fur den Einzelkampf, weil sie fest glaubten, da? wir alle fallen wurden. Nun das vergeblich gewesen ist, werden sie auf andres sinnen. Die Hauptsache ist, da? wir ihnen imponieren. Das hat sie bis jetzt im Zaum gehalten und wird uns auch ferner nutzlich sein. Und darum freue ich mich, da? du so furchtlos zu dem» gro?en Wolf «gesprochen hast, du, der Knirps zum Goliath. Er ist daruber zwar in Grimm geraten, aber er hat nun erfahren, da? selbst der Kleinste unter uns keine Spur von Furcht empfindet. Nun gilt es, ihn selbst vor seinen Leuten klein zu machen. Das werde ich besorgen, indem ich mich jetzt mit ihm messe. Mir scheint, sie wollen uns als Geiseln hier behalten, eine Absicht, welche wir ihnen durchkreuzen mussen, weil wir keinen Augenblick unsres Lebens sicher waren.«

Wahrend dieser Erklarungen des Jagers waren sie an den Kreis gelangt, welcher von den Zelten und Hutten gebildet wurde. Im Mittelpunkte desselben wurden die Vorbereitungen zu dem bevorstehenden, hochinteressanten Zweikampfe getroffen.

Dort ragte aus einem Haufen zentnerschwerer, zusammengetragener Steine ein starker Pfahl empor, an welchem zwei Lassos befestigt wurden. Um diesen Platz standen alle mannlichen und weiblichen Bewohner des Lagers, um Zeuge des Schauspieles zu sein. Old Shatterhand richtete sein Augenmerk darauf, da? die roten Krieger alle vollstandig bewaffnet waren, ein Umstand, welcher auf seine Befurchtungen nicht beruhigend zu wirken vermochte. Er beschlo?, dem entgegenzuarbeiten, und trat in die Mitte des Kreises, wo der Hauptling sich bereits befand. Dieser zeigte eine sehr siegesgewisse Haltung. Er deutete auf die beiden Lassos und. sagte:»Du siehst diese Riemen. Wei?t du, wozu sie bestimmt sind?«

«Ich kann es mir denken, «antwortete der Jager.»Wir sollen wahrend des Kampfes angebunden sein.«

«Du hast richtig geraten. Das eine Ende des Lassos hangt an dem Pfahle; das andre bekommen wir um den Leib gebunden.«

«Warum?«

«Damit wir uns nur in diesem engen Kreise bewegen und einander nicht entfliehen konnen.«

«Was mich betrifft, so ist diese Ma?regel uberflussig, denn es wird mir nicht einfallen, vor dir davonzulaufen. Ich kenne den eigentlichen Grund. Du traust mir mehr Schnelligkeit und Gewandtheit als Starke zu, und willst mich durch diese Fessel verhindern, diese Uberlegenheit in Anwendung zu bringen. Sei es; es ist mir sehr gleichgultig! Mit welchen Waffen kampfen wir?«

«Es bekommt jeder ein Messer in die linke und einen Tomahawk in die rechte Hand. Damit wird gekampft, bis einer von uns beiden tot ist.«

Es war klar, da? der Hauptling diese Kampfesweise gewahlt hatte, weil er glaubte, dem Wei?en in derselben uberlegen zu sein. Doch erklarte dieser sehr ruhig:»Ich bin einverstanden.«

«Einverstanden? Mit deinem Tode? Es ist gewi?, da? ich dich besiege.«

«Warten wir es ab!«

«Prufe erst einmal deine Kraft, und versuche, ob du mir das nachmachen kannst!«

Er trat zu einem der schweren Steine und hob ihn empor. Er besa? eine ungeheure Korperkraft, und es war sicher, da? keiner seiner Roten es ihm hatte nachmachen konnen. Old Shatterhand buckte sich nieder, um denselben Stein aufzuheben, brachte ihn aber trotz aller scheinbaren Anstrengung nicht drei Zoll hoch empor. Ein befriedigtes» Uff!«erklang im Kreise der Indianer. Der kleine Sachse aber sagte zu dem dicken Jemmy:»Er verschtellt sich nur, um den Hauptling sicher zu machen. Ich wee? ganz genau, da? er diesen Schteen bis uber den Kopf heben und ooch noch zehn Schritte weit fortschleudern kann. Warten wir es nur ab, bis es zur Perplexion kommt. Da wird der Rote sein blaues Wunder sehen.«

Dieser letztere hegte aber die entgegengesetzte Ansicht. Er hatte den Wei?en mit seiner Kraftprobe mutlos machen wollen und war uberzeugt, da? ihm dies gelungen sei. Darum sagte er im Tone der Nachsicht:»Du siehst, was du zu erwarten hast. Die Bleichgesichter pflegen zu beten, wenn sie vor dem sicheren Tode stehen. Ich erlaube dir, zu deinem Manitou zu sprechen, bevor der Kampf beginnt.«

«Das ist nicht notig, «antwortete Old Shatterhand.»Ich werde erst dann mit ihm sprechen, wenn meine Seele zu ihm kommt. Du bist ein starker Mann, und ich hoffe, da? du dich in diesem Kampfe nur auf dich allein verlassest!«

«Das werde ich thun. Wer sollte mir helfen?«

«Deine Krieger. Wie es scheint, halten sie es doch fur moglich, da? du von mir besiegt wirst. Warum haben sie sich bewaffnet, als ob es in den Streit gehen solle?«

«Sind etwa deine Gefahrten unbewaffnet?«

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