«Nun, das mu? gewagt werden. Ich baue darauf, da? ich mich gegen die Utahs niemals feindlich gezeigt habe.«

«Darauf darfst du dich nicht verlassen. Haben sie das Kriegsbeil gegen die Wei?en ausgegraben, so behandeln sie ihren besten Freund als Feind, wenn er ein Bleichgesicht ist; sie wurden auch deiner nicht schonen.«

«Aber die Hauptlinge wurden mich schutzen!«

«Nein. Der Utah ist nicht treu und aufrichtig, und kein Hauptling dieses Volkes hat auf seine Krieger den Einflu?, welcher dich zu retten vermochte. Wir durfen uns nicht zeigen.«

«Aber du darfst doch zu ihnen gehen!«

«Nein, denn ich wei? nicht, ob sie das Beil nicht auch gegen andre rote Nationen geschliffen haben.«

«Dann sind diese sechs Wei?en aber doch rettungslos verloren!«

«Mein Bruder mag das nicht glauben. Ich habe zwei Grunde, welche dagegen sprechen.«

«Nun, erstens?«

«Erstens habe ich bereits gesagt, da? die Gefangenen der roten Manner nur langsam sterben durfen; es ist aber noch fruh am Morgen, und wir haben also noch Zeit, das Lager zu beobachten. Vielleicht erfahren wir mehr, als wir jetzt wissen, und dann konnen wir leichter einen Entschlu? fassen.«

«Und zweitens?«

Der Apache machte ein au?erst pfiffiges Gesicht, als er antwortete:»Es befindet sich bei den Bleichgesichtern ein Mann, welcher sich und die Seinigen nicht so leicht toten la?t.«

«Wer?«

«Old Shatterhand.«

«Was!«fuhr der Jager auf.»Old Shatterhand, mit welchem du droben am Silbersee zusammentreffen willst? Sollte er wirklich schon hier sein?«

«Old Shatterhand ist so punktlich wie die Sonne oder ein Stern am Himmel.«

«Hast du ihn gesehen?«

«Nein.«

«Wie willst du da behaupten, da? er sich hier befindet!«

«Ich wei? es bereits seit gestern.«

«Ohne es mir zu sagen?«

«Schweigen ist oft besser als sprechen. Hatte ich gestern gesagt, wessen Gewehr auf der Blo?e gesprochen hat, so wurdet Ihr nicht ruhig geblieben sein, sondern viel schneller vorwarts gedrangt haben.«

«Sein Gewehr hat gesprochen? Woher wei?t du das?«

«Als wir den Waldessaum und das Gras der Lichtung absuchten, fand ich ein Baumchen mit Kugellochern. Die Kugeln stammen aus Old Shatterhands Wunderbuchse; ich wei? das genau. Er hat die roten Manner erschrecken wollen, und sie furchten sich nun vor seinem Gewehre.«

«Hattest du mir das Baumchen gezeigt! Hm! Wenn Old Shatterhand sich unter diesen Wei?en befindet, so braucht uns allerdings nicht allzu bange zu sein. Ich kenne ihn; ich wei?, was er leistet, und welchen Respekt die Indianer fur ihn hegen. Was sollen wir thun? Was schlagst du uns vor?«

«Meine Freunde werden mir jetzt folgen und dabei einzeln hintereinander reiten, damit die Utahs, wenn sie ja auf unsre Fahrte treffen sollten, nicht zahlen konnen, wieviel Personen wir sind. Howgh!«

Er wendete sein Pferd nach rechts und ritt weiter, ohne zu fragen, ob Old Firehand ihm beistimme, und ohne sich umzuschauen, ob man ihm folge.

Die Ufer des Baches waren, wie schon gesagt, auseinander getreten, um als erst niedriger und dann immer mehr ansteigender Hohenzug die Ebene des Sees einzusaumen. Die Ebene war baumlos, aber die Hohen standen voller Wald, welcher bis zum Fu?e derselben herniederstieg und dann einen lichten Saum von Buschen bildete. Hinter diesen Buschen und unter den Baumen Schutz und Deckung suchend, folgte Winnetou der Hohe rechts, welche die nordliche Seite der Ebene begrenzte und dann im Westen an jenen Bergstock stie?, dessen Wasser den See speiste.

Auf diese Weise umritten die Wei?en die Ebene von dem ostlichen bis zu dem westlichen Punkte derselben, wo sie an den Bach gelangten und, einige hundert Schritte vom See entfernt, sich unter Baumen befanden, zwischen denen hindurch sie auf das Lager sehen konnten. Dort stiegen sie ab. Doch banden sie ihre Pferde nicht an; es behielt vielmehr ein jeder die Zugel des seinigen in der Hand, und Winnetou verschwand, um die Umgebung abzusuchen. Er kehrte sehr bald zuruck und meldete, da? er nichts Verdachtiges gefunden habe. Es war kein Utah heute an diesen Ort gekommen. Nun erst band man die Pferde an und lagerte sich in das weiche Moos. Der Platz war wie dazu gemacht, das Lager heimlich und dabei mit aller Gemutlichkeit zu beobachten.

Man sah die Utahs vor demselben stehen nach Suden hin. Dann erblickte man zwei Manner, welche sich von dem Haufen trennten und aus Leibeskraften sudwarts rannten. Old Firehand nahm sein Fernrohr vor das Auge, sah hindurch und rief:»Ein Wettlauf zwischen einem Roten und einem Wei?en! Der Rote ist schon weit voran und wird siegen. Der Wei?e ist ein sehr kleiner Kerl.«

Er gab dem Apachen das Rohr. Kaum hatte dieser den kleinen Wei?en vor das Glas bekommen, so fuhr er auf:»Uff! Das ist der Hobble-Frank! Dieser kleine Held mu? um sein Leben laufen und kann den Roten unmoglich uberholen.«

«Der Hobble-Frank, von dem du uns erzahlt hast?«fragte Old Firehand.»Wir durfen die Hande nicht in den Scho? legen; wir mussen einen Entschlu? fassen!«

«Jetzt noch nicht, «meinte der Apache.»Noch hat es keine Gefahr. Old Shatterhand ist ja bei ihm.«

Die Baume standen so, da? man nicht das ganze Terrain des Wettlaufes zu ubersehen vermochte. Die beiden Laufer waren rechts verschwunden; man erwartete ihre Ruckkehr und war naturlich uberzeugt, da? der Rote zuerst erscheinen werde. Wie erstaunte man aber, als an Stelle dessen der Kleine erschien, ganz gemachlich gehend, als ob es sich um einen Spaziergang handle.

«Der Frank zuerst!«rief Old Firehand.»Wie ist das moglich!«

«Durch List, «antwortete Winnetou.»Er hat gesiegt, und wir werden es erfahren, wie er es angefangen hat. Hort ihr, wie die Utahs zornig schreien! Sie entfernen sich; sie kehren in das Lager zuruck. Und seht, dort stehen vier Bleichgesichter; ich kenne sie.«

«Ich auch, «rief Droll.»Old Shatterhand, der lange Davy, der dicke Jemmy und dieser kleine Hobble- Frank.«

Diese Namen erregten allgemeines Aufsehen. Einige kannten einen oder mehrere der Genannten personlich; die andern hatten genugsam von ihnen gehort, um ihnen das gro?te Interesse zu widmen. Die Bemerkungen flogen hin und her, bis Winnetou zu Old Firehand sagte:»Sieht mein Bruder jetzt, da? ich recht hatte? Unsre Freunde haben ihre Waffen noch; es kann also nicht gefahrlich um sie stehen.«

«Einstweilen noch, ja; aber wie bald kann sich das andern. Ich schlage vor, ganz offen hinzureiten.«

«Will mein Bruder hin, so mag er es thun; ich aber bleibe hier, «antwortete der Apache in sehr bestimmtem Tone.»Old Shatterhand kennt die Verhaltnisse und wei?, was er thut; wir aber kennen sie nicht und wurden ihn vielleicht in der Ausfuhrung seines Planes storen. Bleibt hier, ich werde so weit wie moglich vordringen, um zu erfahren, was geschieht.«

Er behielt das Fernrohr in der Hand und verschwand zwischen den Baumen. Es verging eine lange halbe Stunde; da kehrte er zuruck und meldete:»Es gibt mitten im Lager einen Zweikampf. Die Utahs stehen so eng beisammen, da? ich die Kampfenden nicht sehen konnte; aber den Hobble-Frank sah ich. Er zog die Pferde heimlich und vorsichtig hinter das Zelt und gab ihnen die Decken. Die Wei?en wollen fort.«

«Und heimlich? Also fliehen?«fragte Old Firehand.»So postieren wir uns hier an den Weg und nehmen sie auf oder gehen ihnen gar entgegen.«

«Keins von beiden, «entgegnete der Apache kopfschuttelnd.

«Meine Ansichten scheinen heute bei meinem roten Bruder stets auf Widerspruch zu sto?en!«

«Old Firehand mag nicht zurnen, sondern nachdenken. Was werden die Roten thun, wenn die Wei?en fliehen?«

«Sie werden dieselben verfolgen.«

«Wenn man vier oder sechs Manner verfolgt, wie viele Krieger braucht man dazu?«

«Nun, zwanzig bis drei?ig.«

«Gut! Diese werden wir sehr leicht besiegen. Wenn wir uns aber den Utahs zeigen, wird der ganze Stamm hinter uns her sein, und dann mu? viel Blut flie?en.«

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