kehrte dann zuruck, um zu melden:»Wenn diese Squaws nicht besser schweigen lernen, werden sie niemals eine Forelle fangen. Sie haben mir alles gesagt, was ich wissen wollte.«

«Und was war das?«wurde er gefragt.

«Die funf Krieger, welche an uns voruberritten, sollen die Fahrte Old Shatterhands deutlicher machen, und in kurzer Zeit werden funfzig andre folgen, angefuhrt von dem» gro?en Wolfe«.«

«So ist er unverletzt?«

«Ja. Der Hieb Old Shatterhands hat ihm die rechte Hand gelahmt und seinen Atem ins Stocken gebracht. Dieser ist ihm zuruckgekehrt und die Hand hindert ihn nicht, die Verfolgung selbst zu leiten. Old Shatterhand soll erschossen werden, damit er den Navajos nichts uber die Absichten der Utahs verraten kann. Diese letzteren zerstreuen sich heute in der ganzen Gegend, um zu jagen und Fleisch zu machen, denn morgen soll das Lager abgebrochen werden.«

«Wohin wird es verlegt?«

«Die Frauen und Kinder ziehen zu den Alten in die Berge, wo sie sicher sind; die Krieger aber folgen dem» gro?en Wolfe «nach, um den Versammlungsplatz aller Utahstamme aufzusuchen.«

«Wo ist derselbe?«

«Das schienen die Squaws nicht zu wissen. Mehr konnte ich nicht erfahren; es ist aber fur das, was wir vorhaben, genug.«

«So konnen wir nichts thun, als warten, bis der» gro?e Wolf «mit seinem Truppe voruber ist. Da? er funfundfunfzig Manner mit sich nimmt, zeigt uns, welchen Respekt er vor Old Shatterhand hat. Eine solche Uberzahl gegen vier Wei?e!«

«Old Shatterhand ist mein Freund und Schuler, «meinte Winnetou stolz.»Er hat funfundfunfzig nicht zu furchten.«

Nun legte man sich auf die Lauer, bis wohl nach einer Stunde der» gro?e Wolf «mit seinen Leuten kam. Sie ritten voruber, ohne einen Blick unter die Baume zu werfen. Ihr Aussehen war ein hochst kriegerisches. Sie waren ohne Ausnahme mit Schie?gewehren bewaffnet. Der Hauptling trug die rechte Hand in einer Binde. Sein Gesicht war noch dicker bemalt als am Morgen. Von seinen Schultern hing der mit Federn geschmuckte Kriegsmantel auf den Rucken des Pferdes nieder; aber der Kopf trug nicht mehr den Schmuck der Adlerschwingen. Er war besiegt worden und wollte diese Auszeichnung erst wieder anlegen, wenn er seine Rache befriedigt hatte. Seine besten Leute ritten die besten Pferde, welche sich im Lager befunden hatten.

Zehn Minuten spater folgte der kuhne Winnetou ganz allein und nach abermals zehn Minuten brachen die andern auf.

Von einem wirklichen Wege war naturlich keine Rede. Man ritt immer am Wasser aufwarts. Dieses hatte im Fruhjahre wahrend des Hochwassers an den Ufern gefressen. Losgerissene Steine und Stamme lagen uberall, und man kam infolgedessen nur sehr langsam vorwarts, besonders da die Sanfte nur schwer uber solche Hindernisse zu bringen war. Als man dann die Lehne des Berges hinter sich hatte, wurde es besser. Die gro?te Steigung war uberwunden, und je weniger Fall das Wasser hatte, desto weniger zerstort war die Umgebung des Baches.

Was die Fahrte betrifft, welcher man folgte, so konnte dieselbe gar nicht deutlicher sein. Da Old Shatterhand solche Verbundete gefunden hatte, hielt er es nicht mehr fur notig, fur eine unlesbare Spur zu sorgen. Die ihm folgenden funf Utahs waren mit Absicht so geritten, da? ihre Hufeindrucke leicht zu sehen waren, und da der» gro?e Wolf «keinen Feind hinter sich wu?te, war es ihm nicht eingefallen, Vorsicht anzuwenden. Die Richtung nach dem Nachtcanon fuhrte an der schmalsten Stelle der Elk Mountains quer uber das Gebirge. Als man sich oben befand, wurde der Bach verlassen; es ging mitten durch Urwald, welcher kein Unterholz hatte. Die weit auseinander stehenden Stamme vereinigten ihre Kronen zu einer so dichten Laubdecke, da? nur an einzelnen Stellen ein Sonnenstrahl durchzudringen vermochte. Der Boden war moderig und weich und zeigte die Fahrte tief eingeschnitten.

Einige Male naherte man sich dem Apachen so, da? man ihn zu sehen bekam. Seine Haltung war eine sehr unbesorgte. Er wu?te, da? die Utahs ihre Aufmerksamkeit wohl schwerlich hinter sich richteten.

Zehn Uhr war es gewesen, als Old Firehand mit seinen Leuten vom See aufgebrochen war. Bis ein Uhr ging es fast nur durch Wald und dann uber eine Buschprairie, was den Wei?en sehr lieb sein mu?te. Ware die Prairie offen gewesen, so hatte man viel gro?ere Abstande nehmen mussen. Das grasige Land senkte sich oft zu Thal, um druben wieder emporzusteigen, dann kam wieder Wald, aber nicht fur lange Zeit, denn schon nach wenigen Minuten erreichte man den jenseitigen Saum desselben. Dort hielt der Apache, um seine Gefahrten zu erwarten. Warum er nicht weiterritt, diese Frage beantwortete er nicht durch Worte, sondern dadurch, da? er vorwarts zeigte.

Ein Anblick wirklich ganz einziger Art bot sich den Wei?en. Man hatte das Gebiet des Elkgebirges hinter und dasjenige des Grand-River mit seinen Canons vor sich. Von rechts, von links und von da, wo die Reiter hielten, senkten sich drei schwarze, schiefe Felsenebenen wie riesige, unten zusammensto?ende Schiefertafeln gegeneinander. Die Neigung derselben war so stark und ihre Flache so glatt, da? man unmoglich im Sattel bleiben konnte. Es war fast schaurig, bis auf den tiefen Grund, den man doch erreichen mu?te, zu blicken. Von beiden Seiten, da wo die Riesentafeln zusammenstie?en, flo? ein Wasser abwarts, aber ohne einen Baum, einen Busch oder auch nur einen Halm zu nahren. Unten vereinigten sich die beiden Wasser, um in einem Felsenspalt zu verschwinden, welcher die scheinbare Breite eines Lineales besa?.

«Das ist der Night-Canon, «erklarte Old Firehand, indem er auf diese Spalte deutete.»Er tragt diesen Namen, weil er so tief und schmal ist, da? das Licht der Sonne nicht hinabzudringen vermag und es in seiner Tiefe selbst am hellen Tage fast Nacht ist; daher der Name Nachtcanon. Man reitet da um die Mittagszeit in einer ziemlichen Dammerung. Und seht da unten!«

Er zeigte abwarts, dahin, wo das Wasser im Spalt verschwand. Dort bewegten sich kleine Gestalten; Reiter waren es, so klein, da? sie dem Beobachter kaum bis an die Kniee zu reichen schienen. Das waren die Utahs, welche soeben im Felsenspalt verschwanden.

Dieser war fast senkrecht in eine gigantische Steinmauer gerissen, uber welcher eine weite, weite Ebene lag, die von nebelfernen Bergriesen, dem Bookgebirge, abgeschlossen wurde. Die Tante Droll blickte in die Tiefe und sagte zu dem schwarzen Tom:»Da solle wir 'nunter? Das kann doch nur een Schieferdecker fertig bringe! Das is ja de reene Lebensgefahrlichkeet, wenn's notig is! Wennste dich hersetzt, und ich geb' dir eenen Schwupps, so kannste bis 'nunter Schlitte fahre.«

«Und doch mussen wir hinab, «meinte Old Firehand.»Steigt ab, und nehmt eure Pferde bei den Zugeln, aber kurz. Wir mussen es allerdings gerade wie beim Schlittenfahren machen, wenn es einen Berg hinabgeht. Da man kein Schleifzeug und keinen Hemmschuh hat, kann man nur dadurch hemmen, da? man im Zickzack abwarts fahrt. So auch wir jetzt, immer heruber und hinuber.«

Dieser Rat wurde befolgt, und es zeigte sich, da? derselbe gut war. In gerader Richtung ware man schwerlich ohne verschiedene Schiffbruche hinabgekommen; der Abstieg nahm weit uber eine halbe Stunde in Anspruch. Ein wahres Gluck, da? die Utahs so ahnungslos waren! Hatten sie ihre Verfolger bemerkt und sich im Felsenspalt festgesetzt, so ware es ihnen ein Leichtes gewesen, sie wahrend dieses langsamen Abstieges, ohne alle Gefahr fur sich, einen nach dem andern wegzuputzen.

Endlich war man unten und ordnete sich zum Eindringen in den Canon, welcher hier so schmal war, da? neben dem Wasser nur zwei Reiter Platz fanden. Voran war naturlich wieder Winnetou. Ihm folgte Old Firehand, neben welchem jetzt der Lord ritt. Dann kamen die Jager und nachher die Rafters, welche den Ingenieur und seine Tochter zwischen sich nahmen. Der Trupp war seit dem Eagletail dadurch gro?er geworden, da? sich Watson, der Schichtmeister, mit noch mehreren Arbeitern angeschlossen hatte.

Gesprochen durfte nicht werden, da jeder Laut in diesem Spalte viel weiter als im Freien zu horen war. Der Hufschlag der Pferde konnte zum Verrater werden; darum war Winnetou abgestiegen und, wahrend sein Pferd von einem Rafter gefuhrt wurde, auf seinen weichen Mokassins den Gefahrten vorangegangen.

Es war wie ein Ritt durch die Unterwelt. Vor und hinter sich den engen Spalt, unter sich den starren, steinbesaeten Felsen und das dunkle, unheimliche Wasser und rechts und links die gerade aufstrebenden Felsenwande, welche so hoch waren, da? sie den Himmel nicht sehen lie?en, sondern oben zusammenzusto?en schienen. Die Luft wurde, je weiter man eindrang, desto kalter und schwerer, und das Tageslicht verwandelte sich in Dammerung.

Und lang war der Canon, ewig lang! Zuweilen wurde er ein wenig breiter, so da? er Raum fur funf oder sechs Reiter bot; dann traten die Wande wieder so eng zusammen, da? man vor Angst, erdruckt zu werden, laut hatte aufschreien mogen. Sogar den Pferden war es nicht geheuer; sie schnaubten angstlich und strebten schnell

Вы читаете Der Schatz im Silbersee
Добавить отзыв
ВСЕ ОТЗЫВЫ О КНИГЕ В ИЗБРАННОЕ

0

Вы можете отметить интересные вам фрагменты текста, которые будут доступны по уникальной ссылке в адресной строке браузера.

Отметить Добавить цитату