Der Panther hatte sich uber seine Mahlzeit hergemacht, deren Knochen zwischen seinen Zahnen wie Pappe zermalmt wurden. Er schien nur auf seinen Fra? zu achten, und so konnte wohl selbst der Laie der Ansicht sein, da? es keine gro?e Gefahr auf sich habe, gerade jetzt den Kafig zu betreten.

Kein andrer als der vorhin am angstlichsten war, namlich der kleine, bebrillte Gelehrte, antwortete enthusiasmiert:»Das wurde herrlich sein, Sir! Ein Bravourstuck, fur welches man schon etwas zahlen kann. Wieviel will der Mann denn haben?«

«Hundert Dollar?«

«Hm! Ist das nicht zu viel?«

«Nein, sondern viel zu wenig, Sir. Die Gefahr, in welche er sich begibt, ist nicht gering, da er des Tieres erst kaum halb sicher ist.«

«So! Nun, ich bin nicht reich. Funf Dollar aber steuere ich bei. Mesch'schurs, wer zahlt noch etwas?«

Es meldeten sich so viele, da? die Summe zusammenkommen mu?te. Man hatte nun einmal begonnen, und so sollte das Schauspiel auch vollig ausgekostet werden. Selbst der Kapitan wurde erregt und bot Wetten an.

«Sir, «warnte ihn Old Firehand,»begeht keinen Fehler! Ich bitte Euch, das Wagnis nicht zuzugeben. Gerade weil der Mann des Tieres noch nicht sicher ist, habt Ihr die Verpflichtung, Einspruch zu erheben.«

«Einspruch?«lachte der Kapitan.»Pshaw! Bin ich etwa der Vater oder die Mutter des Bandigers? Habe ich ihm Befehle zu erteilen? Hier in diesem gesegneten Lande hat jedermann das Recht, seine Haut zu Markte zu tragen, ganz wie es ihm beliebt. Wird er von dem Panther gefressen, nun, so ist das seine und des Panthers Sache, nicht aber die meinige. Also, Gentlemen, ich behaupte, da? der Mann nicht so heil wieder herauskommt, wie er hineingeht, und setze hundert Dollar. Wer geht darauf ein? Zehn Prozent der Gewinne soll der Bandiger noch extra erhalten.«

Dieses Beispiel elektrisierte. Es wurden mehrere Wetten zu nicht unbedeutenden Betragen abgeschlossen, und es stellte sich heraus, da? dieselben dem Bandiger, falls sein Wagnis gelingen sollte, gegen dreihundert Dollar einbringen mu?ten.

Es war nicht gesagt, ob der Tierbandiger dabei bewaffnet sein solle. Er holte seinen Totschlager, eine Peitsche, deren Knauf eine Explosionskugel enthielt. Griff das Tier ihn an, so bedurfte es nur eines kraftigen Hiebes seinerseits, den Panther augenblicklich zu toten.

«Ich traue selbst einem solchen Totschlager nicht, «sagte Old Firehand zu dem schwarzen Tom.»Ein Feuerwerkskorper ware praktischer, da das Tier durch denselben zuruckgeschreckt wurde, ohne doch getotet zu werden. Doch thue jeder nach seinem Wohlgefallen. Ich will's loben, aber erst dann, wenn es gelungen ist.«

Jetzt hielt der Bandiger eine kurze Ansprache an das Publikum, und wendete sich dann gegen den Kafig. Er offnete die schweren Riegel und schob darauf das schmale Gitter, welches die ungefahr funf Fu? hohe Thur bildete, zur Seite. Um einzutreten, mu?te er sich bucken. Dabei bedurfte er beider Hande, um die Thur zu halten, und dann, wenn er sich im Kafige befand, wieder zu schlie?en; deshalb hatte er den Totschlager zwischen die Zahne genommen und war also, wenn auch nur fur diesen kurzen Augenblick, wehrlos. Zwar war er schon oft bei dem Tiere im Kafige gewesen, aber unter ganz andern Umstanden. Da war dasselbe nicht tagelang im Dunkeln gewesen; es hatten sich nicht so viele Menschen in der Nahe befunden, und es hatte auch nicht das Stampfen der Maschine und das Rauschen und Brausen der Rader gegeben. Diese Umstande waren weder von dem Menageriebesitzer noch von dem Bandiger genug in Betracht gezogen worden, und nun zeigten sich die Folgen.

Als der Panther das Gerausch des Gitters horte, drehte er sich um. Eben schob der Bandiger den gesenkten Kopf herein — eine geradezu gedankenschnelle Bewegung des Raubtieres, ein blitzahnliches Aufzucken, und es hatte den Kopf, aus dessen Mund der Totschlager fiel, im Rachen und zerkrachte ihn mit einem einzigen Bisse in Splitter und zu Brei.

Das Geschrei, welches sich in diesem Augenblicke vor dem Kafige erhob, spottete jeder Beschreibung. Alles sprang auf und rannte zeternd davon. Nur drei blieben, der Menageriebesitzer, Old Firehand und der schwarze Tom. Der erstere wollte die Thur des Kafigs zuschieben, aber dies war unmoglich, da die Leiche sich halb in demselben und halb au?erhalb befand. Dann wollte er den Toten bei den Beinen fassen und herausziehen.

«Um Gottes willen, das nicht. «rief Old Firehand.»Der Panther kame hinterdrein. Schiebt den Korper vollends hinein, er ist nun doch tot. Dann geht die Thure zu!«

Der Panther lag vor der kopflosen Leiche. Die Knochensplitter im blutig geifernden Rachen, hielt er die funkelnden Augen auf seinen Herrn gerichtet. Er schien die Absicht desselben zu erraten, denn er brullte zornig auf und kroch auf der Leiche vor, dieselbe durch die Schwere seines Korpers festhaltend. Sein Kopf war nur noch wenige Zoll von der Thuroffnung entfernt.

«Fort, fort! Er kommt heraus!«rief Old Firehand.»Tom, Ihr Gewehr! Ihr Gewehr! Ein Revolver wurde das Ubel nur arger machen!«

Der schwarze Tom sprang nach seiner Buchse.

Von dem Augenblicke, in welchem der Bandiger den Kafig betreten hatte, bis zum gegenwartigen waren kaum zehn Sekunden vergangen. Niemand hatte noch Zeit gefunden, sich vollstandig in Sicherheit zu bringen. Das ganze Deck bildete einen Wirrwarr von fliehenden und vor Angst schreienden Personen. Die Thuren nach den Kajuten und den Unterdecks waren verstopft. Man duckte sich hinter Fassern und Kisten nieder und sprang doch wieder auf, weil man sich da nicht vollstandig sicher fuhlte.

Der Kapitan war nach seiner Kommandobrucke gerannt und stieg dieselbe empor, drei und vier Stufen auf einmal nehmend. Old Firehand folgte ihm. Der Menageriebesitzer fluchtete sich nach der Hinterwand des Kafigs. Der schwarze Tom rannte nach seinem Gewehre. Unterwegs fiel ihm ein, da? er das Beil mit demselben zusammengebunden hatte und es also nicht augenblicklich gebrauchen konne. Er blieb also bei den beiden Indianern, an denen er vorubergewollt hatte, stehen und ri? dem alten Bar die Flinte aus der Hand.

«Ich selbst schie?en, «sagte dieser, seine Hand nach der Waffe ausstreckend.

«La? mich!«herrschte der Bartige ihm zu» Ich schie?e jedenfalls besser als du!«

Er drehte sich nach dem Kafig um. Der Panther hatte diesen soeben verlassen, hob den Kopf und brullte. Der schwarze Tom legte an und druckte ab. Der Schu? krachte, aber die Kugel traf nicht. Hastig ri? er nun auch dem jungen Indianer die Flinte aus der Hand und gab die Ladung derselben auf das Tier ab — mit demselben Mi?erfolge.

«Schlecht schie?en. Gewehr nicht kennen, «sagte der alte Bar so ruhig, als ob er in seinem sicheren Wigwam beim Braten sitze.

Der Deutsche beachtete diese Worte nicht. Er warf die Flinte weg und eilte weiter nach vorn, wo die Gewehre der Leute des Cornel lagen. Diese Gentlemen hatten keine Lust gehabt, den Kampf mit dem Tiere aufzunehmen, sondern sich schleunigst versteckt.

Da ertonte in der Nahe der Kommandobrucke ein entsetzlicher Schrei. Eine Dame wollte sich auf dieselbe fluchten. Der Panther sah sie eben, als das erwahnte Brullen beendet war. Er duckte sich nieder und sprang dann in langen, weiten Satzen auf sie zu. Sie sah es und stie? jenen Schrei aus. Sie befand sich noch unten, wahrend Old Firehand auf der funften oder sechsten Stufe stand. Im Nu hatte er sie erfa?t, schwang sie zu sich empor und hob sie mit starken Armen uber sich hinauf, wo der Kapitan sie an sich nahm. Das war das Werk von zwei Augenblicken gewesen, und nun befand sich der Panther an der Brucke. Er setzte die beiden Vordertatzen auf eine der Stufen und zog schon den Korper zusammen, um sich empor und auf Old Firehand zu schnellen. Dieser versetzte ihm mit aller Gewalt einen Fu?tritt auf die Nase und feuerte ihm dann die noch ubrigen drei Kugeln seines Revolvers gegen den Kopf.

Diese Art der Abwehr war eigentlich eine lacherliche. Mit einem Fu?tritte und einigen erbsengro?en Revolverkugeln schreckt man keinen schwarzen Panther zuruck; aber Old Firehand besa? eben kein wirksameres Verteidigungsmittel. Er war uberzeugt, da? das Tier ihn nun packen werde; aber es geschah noch nicht, sondern der Panther drehte, in seiner an der Treppe aufgerichteten Stellung verharrend, den Kopf langsam zur Seite, als ob er sich auf etwas Besseres besinnen wolle. Hatten die aus solcher Nahe abgeschossenen Kugeln, die kaum linientief in seine harte Schadeldecke eingedrungen sein konnten, ihn in eine Art von Betaubung versetzt? Oder war der Tritt auf die empfindliche Nase ihm zu schmerzhaft gewesen, kurz und gut, er richtete die Augen nicht mehr auf Old Firehand, sondern nach dem Vorderdeck, wo jetzt ein etwa dreizehnjahriges Madchen stand, unbeweglich, wie vom Schreck gelahmt, beide Arme nach der Kommandobrucke ausgestreckt. Es war die Tochter der Dame, welche Old Firehand soeben vor dem Panther gerettet hatte. Das Kind hatte, sich selbst auf der Flucht befindend, seine Mutter in Gefahr gesehen und und war vor Entsetzen daruber da, wo es noch stand, halten geblieben, in ein helles, weithin leuchtendes Gewand gekleidet, welches dem Panther in die Augen fiel. Er lie? die

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