Tatzen von der Treppe, wendete sich ab und schnellte sich, sechs bis acht Ellen lange Satze machend, auf das Kind zu, welches das Entsetzliche kommen sah und sich weder zu bewegen, noch einen Laut auszusto?en vermochte.

«Mein Kind, mein Kind!«jammerte die Mutter.

Alle, die es sahen, schrieen oder brullten mit; aber keiner ruhrte die Hand oder den Fu? zur Rettung. Es war auch keine Zeit dazu. Keine? Und ruhrte sich wirklich kein Mensch? Doch einer, und zwar derjenige, dem man eine solche Umsicht, Kuhnheit und Geistesgegenwart wohl am allerwenigsten zugetraut hatte, namlich der junge Indianer.

Er hatte mit seinem Vater ungefahr zehn Schritte von dem Madchen entfernt gestanden. Als er die Gefahr bemerkte, in welcher sich dasselbe befand, blitzten seine Augen auf. Er sah nach rechts und links, wie nach einem Rettungswege suchend; dann lie? er die Zunidecke von den Schultern fallen und rief seinem Vater in der Sprache der Tonkawa zu:»Tiakaitat; schai schoyana — bleib stehen; ich werde schwimmen!«

Er sprang mit zwei Satzen auf das Madchen zu, ergriff es an dem Taillengurtel, schnellte mit ihr nach der Reiling und schwang sich auf diese hinauf. Dort blieb er einen Augenblick stehen, um zuruckzublicken. Der Panther war hinter ihm und setzte eben zum letzten Sprunge an. Kaum hatten die Pranken des Tieres den Boden verlassen, so flog der junge Indianer, sich eine seitwartige Richtung gebend, um nicht neben dem Tiere in das Wasser zu kommen, von der Reiling in den Flu? hinab. Das Wasser schlug uber ihm und seiner Last zusammen. Zugleich scho? der Panther, dessen Sprungkraft eine so gro?e war, da? er sich nicht zu halten vermochte, uber das Gelander hinaus und hinunter in den Strom.

«Stopp, stopp auf der Stelle!«kommandierte der Kapitan geistesgegenwartig durch das Sprachrohr in den Maschinenraum hinab.

Der Ingenieur gab Gegendampf; der Steamer stoppte und blieb dann dadurch auf der Stelle halten, da? die Rader nur so viel Wasser griffen, als notig war, die Rucktrift zu vermeiden.

Da die Gefahr fur die Passagiere jetzt voruber war, eilten alle aus den verschiedenen Verstecken hervor und an das Gelander. Die Mutter des Kindes war in Ohnmacht gefallen, der Vater desselben rief mit uberlauter Stimme:»Tausend Dollar fur die Rettung meiner Tochter, zweitausend, dreitausend, funftausend, noch mehr, noch viel mehr!«

Niemand horte auf ihn. Alle beugten sich uber die Reiling, um in den Flu? hinabzusehen. Da lag der Panther, als vortrefflicher Schwimmer, mit ausgebreiteten Pranken auf dem Wasser und sah sich nach der Beute um — vergeblich. Der kuhne Knabe war mit dem Madchen nicht zu sehen.

«Sie sind ertrunken, in die Rader gekommen!«jammerte der Vater, indem er sich das Haar mit beiden Handen raufte.

Da aber ertonte vom andern Bord die schallende Stimme des alten Indianers heruber.»Nintropan-homosch klug gewesen. Unter Schiff wegschwimmen, damit Panther nicht sehen. Hier unten sein!«

Alles rannte nun nach Steuerbord, und der Kapitan befahl, Taue auszuwerfen. Ja wirklich, da unten, hart an der Schiffswand, schwamm langsam auf dem Rucken, um nicht abgetrieben zu werden, der» junge Bar «und hatte sich das bewu?tlose Madchen quer uber den Leib gelegt. Taue waren schnell zur Hand; sie wurden hinabgelassen. Der Knabe befestigte eines derselben unter den Armen des Madchens, und schwang, wahrend dieses emporgezogen wurde, sich behend an einem zweiten an Bord.

Er wurde mit brausendem Jubel begru?t, schritt aber stolz davon, ohne ein Wort zu sagen. Aber als er an dem Cornel, welcher auch mit zugesehen hatte, voruber kam, blieb er vor ihm stehen und sagte so laut, da? jedermann es horte:»Nun, furchtet sich Tonkawa vor kleiner, raudiger Katze? Cornel ist ausgerissen mit all seinen zwanzig Helden; Tonkawa aber hat gro?es Ungetum auf sich gelenkt, um Madchen und Passagiere zu retten. Cornel bald noch mehr von Tonkawa horen!«

Die Gerettete wurde nach der Kajute getragen. Da streckte der Steuermann, welcher den besten Ausblick hatte, die Hand nach Backbord aus und rief:

«Seht den Panther; seht das Flo?!«

Jetzt sprangen alle wieder auf die angegebene Seite hinuber, wo sich ihnen ein neues und nicht weniger aufregendes Schauspiel bot. Man hatte namlich, nur mit dem bisher Erzahlten beschaftigt, ein kleines, aus Strauchwerk und Schilf gefertigtes Flo? nicht bemerkt, auf welchem zwei Gestalten sa?en, welche vom rechten Flu?ufer her den Steamer erreichen wollten. Sie arbeiteten mit aus Zweigen improvisierten Rudern. Die eine Person war ein Knabe, die andre schien ein ganz eigen- oder fremdartig gekleidetes Frauenzimmer zu sein. Man sah eine Kopfbedeckung, ahnlich einer alten Flatusenhaube, darunter ein volles, rotwangiges Gesicht mit kleinen Auglein. Die ubrige Gestalt steckte in einem weiten Sacke oder einem ahnlichen Dinge, dessen Schnitt und Fasson jetzt nicht zu bestimmen war, da die Person nicht stand, sondern sa?. Der Schwarze Tom stand neben Old Firehand und fragte ihn:»Sir, kennt Ihr diese Frau?«

«Nein. Ist sie denn so beruhmt, da? ich sie kennen mu?te?«

«Allerdings. Sie ist naturlich gar keine Frau, sondern ein Mann, ein Prairiejager und Fallensteller. Und da kommt der Panther. Da werdet Ihr sehen, was eine Frau, die ein Mann ist, zu leisten vermag.«

Er beugte sich uber die Reiling und rief hinab:»Holla, Tante Droll, aufgepa?t. Der will Euch fressen.«

Das Flo? war ungefahr noch funfzig Schritte von dem Steamer entfernt. Der Panther war, nach seiner Beute suchend, immer an der Seite des Schiffes hin und der geschwommen. Jetzt sah er das Flo? und hielt auf dasselbe zu. Die auf demselben befindliche scheinbare Frau sah nach dem Deck empor, erkannte den, der sie angerufen hatte, und antwortete mit hoher Fistelstimme:»Good lack, Ihr seid es, Tom? Freue mich sehr, Euch zu sehen, wenn es notig ist! Was ist das fur ein Tier?«

«Ein schwarzer Panther, der von Bord gesprungen ist. Macht Euch davon. Schnell, schnell!«

«Oho! Tante Droll rei?t vor niemand aus, auch nicht vor einem Panther, mag er schwarz, blau oder grun aussehen. Darf man das Vieh erschie?en?«

«Naturlich! Aber Ihr bringt es nicht fertig. Es gehorte in eine Menagerie und ist das gefahrlichste Raubtier der Welt. Flieht auf die andre Seite des Schiffes.«

Niemand als nur Tom kannte die narrische Gestalt, doch riefen alle ihr die Warnung zu, zu fliehen. Sie aber schien einen Spa? daran zu finden, mit dem Panther Haschens zu spielen. Sie fuhrte das zerbrechliche Ruder mit wahrer Meisterschaft und wu?te dem Tiere mit erstaunlicher Geschicklichkeit auszuweichen. Dabei rief sie immer mit derselben Fistelstimme herauf:»Werde es schon fertig bringen, alter Tom. Wohin wird denn so eine Kreatur geschossen, wenn es notig ist?«

«Ins Auge, «antwortete Old Firehand.

«Well! So wollen wir diese Wasserratte mal herankommen lassen.«

Er zog das Ruder ein und griff zu der Buchse, welche neben ihm gelegen hatte. Flo? und Panther naherten sich einander schnell. Das Raubtier blickte mit weit offenen, starren Augen auf den Feind, welcher das Gewehr anlegte, kurz zielte und zweimal abdruckte. Das Gewehr weglegen, zum Ruder greifen und das Flo? zurucktreiben, war das Werk eines Augenblickes. Der Panther war verschwunden. Da, wo man ihn zuletzt gesehen hatte, bezeichnete ein Strudel den Ort seines Todeskampfes, dann sah man ihn weiter abwarts wieder an der Oberflache erscheinen, regungslos und tot, dort trieb er einige Sekunden lang und wurde dann wieder in die Tiefe gezogen.

«Ein Meisterschu?!«rief Tom vom Deck herab, und die Passagiere stimmten begeistert bei, nur der Menageriebesitzer nicht, welcher um den teuren Panther und seinen Tierbandiger gekommen war.

«Zwei Schusse waren es, «antwortete die abenteuerliche Gestalt vom Flusse herauf.»In jedes Auge einer. Wohin geht dieser Steamer, wenn es notig ist?«

«Soweit er genug Wasser findet, «antwortete der Kapitan.

«Wir wollten an Bord und haben uns deshalb druben am Ufer dieses Flo? gebaut. Wollt Ihr uns aufnehmen?«

«Konnt Ihr Passage zahlen, Ma'am oder Sir? Ich wei? wirklich nicht, ob ich Euch als Mann oder als Frau heraufbefordern soll.«

«Als Tante, Sir. Ich bin namlich Tante Droll, verstanden, wenn es notig ist. Und was die Passage betrifft, so pflege ich mit gutem Gelde, oder gar mit Nuggets zu bezahlen.«

«So sollt Ihr die Strickleiter hinunter haben. Kommt also an Bord! Wir mussen machen, da? wir von dieser ungluckseligen Stelle fortkommen.«

Die Strickleiter wurde herabgelassen. Erst stieg der Knabe hinauf, der auch mit einem Gewehre bewaffnet war; dann warf der andre das Gewehr uber, erhob sich, ergriff die Leiter, stie? das Flo? unter sich fort und turnte

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