unmoglich war.
Dieser letztere befand sich in seinem Zimmer, als die beiden Manner eintraten. Sie gru?ten hoflich, und dann uberreichte der eine, ohne zunachst uber den Zweck seiner Anwesenheit etwas zu sagen, den Empfehlungsbrief. Der Ingenieur las denselben und sagte dann in freundlichem Tone:»Ihr waret bei meinem Freunde Norton angestellt? Wie geht es ihm?«
Es folgten nun die unter solchen Umstanden gewohnlichen Fragen und Antworten, und dann erkundigte sich der Ingenieur nach dem Grunde, welcher den Schreiber aus Kinsley fortgetrieben hatte. Der Gefragte erzahlte eine wehmutige Geschichte, welche zwar mit dem Inhalte des Briefes harmonierte, die er sich aber selbst ausgesonnen hatte. Der Beamte horte ihm aufmerksam zu und sagte dann:»Das ist so traurig, da? es allerdings mein Mitgefuhl erregt, zumal ich aus diesen Zeilen ersehe, da? Ihr das Wohlwollen und Vertrauen Nortons besessen habt. Darum soll seine Bitte um eine Anstellung fur Euch nicht vergebens sein. Ich habe zwar schon einen Schreiber, bedarf aber schon seit langem eines Mannes, dem ich auch vertrauliche und sonst wichtige Sachen in die Feder geben darf. Meint Ihr, da? ich es da mit Euch versuchen darf?«
«Sir, «antwortete der angebliche Haller erfreut,»versucht es mit mir. Ich bin uberzeugt, da? Ihr mit mir zufrieden sein werdet.«
«Well, versuchen wir es. Uber den Gehalt wollen wir jetzt noch nicht sprechen, ich mu? Euch erst kennen lernen und das wird in einigen Tagen geschehen sein. Je anstelliger Ihr seid, desto besser werdet Ihr bezahlt. Jetzt bin ich sehr beschaftigt. Seht Euch einstweilen im Orte um, und kommt um funf Uhr wieder. Bis dahin werde ich einige Arbeiten ausgesucht haben. Ihr wohnt hier bei mir im Hause, e?t mit an meinem Tische und habt Euch nach der Hausordnung zu richten. Ich wunsche nicht, da? Ihr mit den gewohnlichen Arbeitern verkehrt. Punkt zehn Uhr wird die Thur verschlossen.«
«Das ist mir recht, Sir, denn gerade so habe ich es bisher stets gehalten, «versicherte der Mann, welcher eine gro?e Genugthuung daruber empfand, da? er uberhaupt engagiert wurde. Dann fugte er hinzu.»Und nun noch eine Bitte, welche hier meinen Reisegefahrten betrifft. Hattet Ihr vielleicht Arbeit fur ihn?«
«Was fur Arbeit?«
«Irgend welche, «antwortete der andre bescheiden.»Ich bin nur froh, wenn ich Beschaftigung erhalte.«
«Wie hei?t Ihr?«
«Faller. Ich habe Master Haller unterwegs getroffen und mich ihm angeschlossen, als ich horte, da? hier an der Bahn gearbeitet wird.«
«Haller und Faller. Das ist eine sonderbare Ahnlichkeit der Namen. Hoffentlich seid Ihr auch in andrer Beziehung ahnlich. Was seid Ihr denn bisher gewesen, Mr. Faller?«
«Ich war langere Zeit Cow-boy auf einer Farm druben bei Las Animas. Das war ein wustes, unartiges Leben, welches ich nicht langer mitmachen konnte, und ich ging also fort. Daruber kam ich noch am letzten Tage mit einem andern Boy, einem ruden Burschen, in Streit, wobei mir sein Messer durch die Hand fuhr. Die Wunde ist noch nicht ganz heil; ich hoffe aber, da? ich in zwei oder drei Tagen die Hand zur Arbeit, wenn Ihr mir welche geben wollt, gebrauchen kann.«
«Nun, Arbeit konnt Ihr zu jeder Zeit haben. Bleibt also immerhin da; pflegt die Hand, und wenn sie heil geworden ist, so meldet Euch. Jetzt konnt Ihr gehen.«
Die Bursche verlie?en das Bureau. Als sie drau?en an dem offenen Fenster der Stube, in welcher sich Old Firehand befand, voruber gingen, horte dieser einen von ihnen mit unterdruckter Stimme sagen:»Alles gut! Wenn nur auch das Ende so, wie der Anfang ist!«
Der Ingenieur trat zu Old Firehand herein und sagte:»Ihr hattet sehr recht, Sir! Dieser Faller hat dafur gesorgt, da? er nicht zu arbeiten braucht, sondern Zeit hat, nach dem Eagle-tail zu gehen. Er trug die Hand verbunden.«
«Jedenfalls ist dieselbe ganz gesund. Warum habt Ihr den Schreiber erst auf funf Uhr bestellt?«
«Weil ich ihn bis zum Schlafengehen beschaftigen soll. Das wurde ihn und mich ermuden und ihm wohl auch auffallig sein, wenn es allzu lange wahrte.«
«Sehr richtig. Es sind immerhin funf volle Stunden bis zehn Uhr, und es wird nicht leicht sein, ihn bis dahin vom Verkehre mit den andern abzuhalten.«
So war also nun der erste Teil der Einleitung vollendet. Zu dem zweiten Teile konnte man erst dann ubergehen, wenn man das Gesprach der beiden Kundschafter belauscht hatte. Bis dahin war noch eine lange Zeit, welche Old Firehand, der sich nicht sehen lassen wollte, auf den Schlaf verwendete. Als er erwachte, war es fast dunkel geworden, und der Neger brachte ihm sein Abendbrot. Gegen zehn Uhr kam dann der Ingenieur und meldete, da? der Schreiber schon langst gegessen habe und sich nun auf sein Zimmer begeben werde.
Old Firehand stieg also in das Stockwerk hinauf, von welchem aus eine viereckige Klappe auf das flache Dach fuhrte. Auf dem letzteren angekommen, legte er sich nieder und kroch leise nach derjenigen Stelle der Dachkante, unter welcher, wie er sich erkundigt hatte, das betreffende Fenster lag. Es war so dunkel, da? er es wagen konnte, hinabzugreifen. Es war so nahe, da? er es mit der Hand zu erreichen vermochte.
Als er einige Zeit ruhig wartend dagelegen hatte, horte er unter sich eine Thur gehen. Schritte gingen nach dem Fenster, und her Schein eines Lichtes fiel aus demselben hinaus ins Freie. Das Dach bestand aus einer dunnen Bretterlage und darauf genageltem Zinkblech. So wie Old Firehand die Schritte unter sich horte, so konnte auch er selbst von dem Schreiber gehort werden; Es war also gro?e Vorsicht notig.
Nun strengte der Jager seine Augen an, um das nachtliche Dunkel zu durchdringen, und zwar nicht vergeblich. In der Nahe des aus dem Fenster fallenden Lichtscheines stand eine Gestalt. Dann klang das Fenster; es wurde geoffnet.
«Esel!«raunte eine viertelslaute, zornige Stimme.»Thu doch die Lampe weg; das Licht trifft ja auf mich!«
«Selber Esel!«antwortete der Schreiber.»Was kommst du schon jetzt! Man ist im Hause noch wach. Komm in einer Stunde wieder.«
«Gut. Aber sag wenigstens, ob du eine Nachricht hast.«
«Und was fur eine!«
«Gut?«
«Herrlich! Viel, viel prachtiger, als wir es hatten ahnen konnen. Aber gehe jetzt, man konnte dich sehen!«
Das Fenster wurde geschlossen, und die Gestalt verschwand aus der Nahe des Hauses. Nun war Old Firehand gezwungen, eine Stunde und noch langer warten zu mussen, ohne sich regen zu durfen. Aber das war keine Anstrengung fur ihn, denn ein Westmann ist an viel Schwierigeres gewohnt. Die Zeit verging, wenn auch langsam, aber doch. Unten in den Hausern und Hutten brannten noch die Lichter. Hier oben aber bei der Wohnung des Ingenieurs war alles in tiefes Dunkel gehullt. Old Firehand horte, da? das Fenster wieder geoffnet wurde, die Lampe brannte nicht mehr. Der Schreiber erwartete seinen Gefahrten. Nicht lange, so horte man das leise Knirschen des Bodens, auf welchen ein Fu? getreten hatte.
«Faller!«flusterte der Schreiber vom Fenster aus hinab.
«Ja, «antwortete der Genannte.
«Wo stehst du? Ich sehe dich nicht.«
«Ganz nahe an der Wand, gerade unter deinem Fenster.«
«Ist alles dunkel im Hause?«
«Alles. Ich habe mich zweimal um dasselbe geschlichen. Es ist kein Mensch mehr wach. Was hast du mir zu sagen?«
«Da? es nichts mit der hiesigen Kasse ist. Es gibt hier vierzehntagige Lohnung, und gestern ist Zahltag gewesen. Wir mu?ten also volle zwei Wochen warten, und das ist doch unmoglich. Es sind nicht ganz dreihundert Dollar in der Kasse; das ist nicht der Muhe wert.«
«Und das nanntest du vorhin eine herrliche, prachtige Nachricht? Dummkopf!«
«Schweig! Mit der hiesigen Kasse ist es freilich nichts; aber morgen, des Nachts, kommt ein Zug mit uber viermalhunderttausend Dollar hier durch.«
«Unsinn!«
«Es ist wahr. Ich habe mich mit meinen eigenen Augen uberzeugt. Der Zug kommt von Kansas City und geht nach Kit Karsen, wo das Geld fur die neue Strecke verwendet werden soll.«
«Das wei?t du gewi??«
«Ja. Ich habe den Brief und auch die Depeschen gelesen. Dieser alberne Ingenieur hat ein Vertrauen zu mir,